Alexa klärt Totschlag auf: Deutsches Gericht überführt Täter mit Echo-Aufnahmen
Es war eine Premiere. Erstmals hat ein deutsches Gericht Aufnahmen eines smarten Lautsprechers als Beweismittel in einem Verfahren zugelassen. Das berichtet BR24, das Online-Portal des Bayerischen Rundfunks.
Alexa erinnert sich, Stimme des Beschuldigten gehört zu haben
In dem Fall ging es um einen Mann, der seine Ex-Freundin in dessen Wohnung beim Sex erwürgt haben sollte. Bei der Tatortsbegehung hatte die Staatsanwaltschaft einen Smartspeaker des Typs Echo von Amazon in unmittelbarer Nähe zum Geschehen sichergestellt.
Da die Vermutung bestand, der Echo könnte in der fraglichen Nacht Aufzeichnungen angefertigt haben, wandten sich die Ermittler an den europäischen Ansprechpartner Amazons für Behörden. Den fragten sie, ob für den sichergestellten Echo tatsächlich Aufzeichnungen vorlägen und baten um die Übermittlung der Daten.
Nach einem Monat gab Amazon freiwillig die gewünschten Daten heraus. Anderenfalls hätten die Ermittler den Weg über ein Amtshilfeersuchen bei den US-Justizbehörden gehen müssen. Tatsächlich konnte anhand der beiden übermittelten Aufnahmen zumindest die Anwesenheit des Beschuldigten im Schlafzimmer der Getöteten in der Tatnacht nachgewiesen werden. Der 54-Jährige wurde daraufhin zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt.
Rechtsgrundlage „Großer Lauschangriff“
Die Staatsanwaltschaft beruft sich bei der Hinzuziehung von Sprachaufnahmen auf den Paragrafen 100c der Strafprozessordnung, der unter Voraussetzungen die sogenannte akustische Wohnraumüberwachung ausdrücklich erlaubt. Dabei geht es indes um Fälle, in denen die Polizei eine Wohnung abhört, weil der Verdacht schwerer Straftaten besteht. Der Paragraf ist nicht angelegt, um einfach auf vorhandene Sprachaufzeichnungen zugreifen zu können.
Im vorliegenden Fall hatte das Gericht die Aufzeichnungen als Beweismittel zugelassen, weil die Schwere des Verbrechens den Schutz der Privatsphäre als weniger gewichtig erscheinen ließ. In den USA sind Sprachaufnahmen inzwischen relativ häufig Teil von Ermittlungsverfahren.
Dabei hatte sich Amazon in einem ähnlichen Fall 2017 im US-Bundesstaat Arkansas zunächst geweigert, die Aufzeichnung des Echo-Lautsprechers herauszugeben.
Übrigens: In diesem Beitrag haben wir euch gezeigt, was mit euren Sprachaufnahmen von Amazon Echo und Google Home passiert und wie ihr sie verwalten könnt.
Niemand würde sagen, dass es nicht völlig in Ordnung war, im vorliegenden Fall auf die Echo-Sprachaufzeichnungen zugreifen zu können. Immerhin handelte es sich um ein Kapitalverbrechen, das aufgeklärt werden musste.
Es muss allerdings auch erlaubt sein, zu fragen, wieso das so einfach ging? Wieso kann Amazon „freiwillig“ Daten aus dem Innersten eines Haushalts an Behörden übermitteln? Der staatsanwaltliche Hinweis auf die Strafprozessordnung dürfte da jedenfalls zu kurz greifen, denn die regelt eine ganz andere Konstellation – nämlich den sogenannten Großen Lauschangriff.
Mich beunruhigt, dass der Schutz der Privatsphäre erodiert. Wird Amazon irgendwann einen Direktzugriff etwa für Finanzbehörden einrichten? Immerhin könnte privat auch über Möglichkeiten der Steuerhinterziehung gesprochen werden – vielleicht sogar noch mit Freunden und Bekannten. Wie schnell da so eine Ermittlung skalieren könnte.
Auch, wenn es in diesem Fall zu einem richtigen Ergebnis geführt hat. So einfach darf der staatliche Zugriff auf unsere Sprachaufnahmen nicht sein.
Dieter Petereit
Solange Daten beim Anbieter nicht generell verschlüsselt vorliegen muss man damit rechnen oder auf diese Technik verzichten. Allerdings löst auch eine Verschlüsselung nicht das Problem dass Ermittler über die forensische Auswertung beschlagnahmter Endgeräte ggf. an entschlüsselte Accountdaten heran kommen.
Ganz eurer Meinung. Und warum hat Alexa überhaupt aufgezeichnet? Wurde von ihr (ihn würde ich ausschließen) Alexa, … gesagt?
Da nicht davon die Rede ist, dass die Tat aufgezeichnet wurde, würde ich nicht ausschließen, dass er vor der Tat via Sprache z. B. die Lautstärke angepasst hat. Oder das Opfer hat einen Sprachbefehl geäußert und der Verurteilte war im Hintergrund zu hören.
Man kann viel spekulieren, aber generell halte ich eine „normale“ Aufzeichnung für wahrscheinlicher als eine der mittlerweile doch eher raren Fehlaktivierungen.
Deinem Kommentar kann man nur zustimmen
„Wird Amazon irgendwann einen Direktzugriff etwa für Finanzbehörden einrichten? Immerhin könnte privat auch über Möglichkeiten der Steuerhinterziehung gesprochen werden – vielleicht sogar noch mit Freunden und Bekannten.“
Herr Petereit, als Steuerfahnder wüsste ich nun, wen ich als nächstes unter die Lupe nehmen würde.
„Es muss allerdings auch erlaubt sein, zu fragen, wieso das so einfach ging?“
Ich vermute, dass Amazon nach einmonatiger Bedenkzeit zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Aufklärung des Mordes den Schutz der Privatsphäre der Toten überwiegt.
Das hat Amazon aber nicht zu entscheiden. Für solche Entscheidungen haben sich zivilisierte Staaten Gerichte gegeben, die anhand überprüfbarer Normen sauber festlegen, was richtig ist und was nicht. Was kommt als nächstes? Die Ringvideokamera filmt mit und wenn ein Admin meint, vielleicht was strafrechtlich relevantes gesehen zu haben, schaltet er die Polizei ein und übergibt schonmal vorab die Daten? Vor genau solchen Entwicklungen muss eine freiheitliche Gesellschaft geschützt werden.
Die Sorge Dieter Petereits anlässlich des geschilderten Falles, dass die Privatsphäre erodiere, ist doch absolut berechtigt – und ich denke, dass es dafür unerheblich ist, ob das Verbrechensopfer Alexa während des Übergriffs stimmlich aktiviert hat. Wenn Haker recht hat, und es keine Fehlaktivierung, sondern eine „normale“ war, erschreckt doch die Zufallsentdeckung, über eine gewisse Zeit einem „Lauschangriff“ einschließlich Speicherung der Aufzeichnung ausgesetzt gewesen zu sein.
Ich persönlich habe bislang aus gutem Grund in unserem Haushalt auf Alexa und solcherlei Schnickschnack verzichtet – als durchaus technikaffines Kerlchen. Aber ich halte es – offenbar anders als viele Menschen – mit der Technik möglichst so, wie mit Finanzprodukten; kaufe sie nur, wenn Du ihr Wirkprinzip 100%ig verstehst. Und da bin ich mir bei aller Technik, die ich trotz aller Affinität schon ohne Alexa einsetze nicht immer absolut sicher, dass mir das gelingt.
Von daher würde ich mir – u. a. von t3 – viel mehr kritische Berichterstattung i. S. der Nutzeraufklärung oder des Verbraucherschutzes über Hintergründe wissen, als die häufigen Jubelarien über den letzten heißen Scheiß! Immerhin ist im Beitrag wenigstens ein anderer verlinkt, wie man die Aufzeichnungen solcher Geräte verwalten kann. Werde aber – obschon ich keines habe – trotzdem gleich mal dort nachschauen, ob auch etwas drüber steht inwieweit die Verlässlichkeit der eigenen Einstellungen dazu auch mal überprüft worden sind.
Denn wer’s immer noch nicht begriffen hat, schaue mal in den Adventskalender des Big-Brother-Award von Digitalcourage; spätestens der macht doch klar, dass in einer datengetriebenen Wirtschaft die Akzeptanz gesetzlicher Schranken beim data phishing absolut keine Selbstverständlichkeit sind – nicht einmal von den großen „seriösen“ Playern in unserer Wirtschaft; dafür müssen wir gar nicht in die USA oder nach China schauen…
Ich kann mich dran erinnern, das ich als diese Sprachassistenten herauskommen, genau solche Fälle voraussagen. Die Gespräche werden komplett aufgezeichnet. Geerntet hatte ich einen Shitstorm. Von wegen diese Datenmengen könne Amazon gar nicht beherbergen usw.. Verschwörungstheoretiker wäre ich. Und nun? Da müssten schon klare Linien gezogen werden. Sonst kann jeder kommen und von Gefahr in Verzug faseln und Blödsinn mit den Aufzeichnungen machen. Vielleicht um einem zu Schaden etwas konstruieren. Wie ich damals schon sagte, kommt mir nicht in mein Haus. Auch wenn ich nichts zu verbergen habe. Frohe Weihnachten und kommt gesund ins neue Jahr.
So, da bin ich wieder und: Aha, dachte ich mir’s doch. Alexa et. al. speichern Sprache zur Verbesserung der Algorithmen. Natürlich nicht, wenn ich sage: „Alexa, lösche alles, was ich heute gesagt habe.“ Klappt also erst mal in den USA, soll aber – ohne nähere Zeitangaben, bald auch in anderen Ländern ausgerollt werden. M hm – bestimmt! Genauso zuverlässig, wie weder Google noch Amazon die z. B. dadurch gewonnenen Daten nicht an Dritte verkaufen. Oder der (zumindest ja mit etwas Mühe noch leicht überprüfbare) Wahrheitsgehalt der Aussage „Amazon.de: Günstige Preise….“ (Eigenwerbung).
Leute, fragt Euch doch mal, wie wohl so ein J. Bezos, der den Hals sowenig voll kriegt, dass er sich mit allen erdenklichen Tricks gegen bessere Löhne wehrt, wohl beim sonstigen Verzicht auf Rendite gepolt ist! Mein Verdacht: Die Grenze verläuft da, wo richtig Ungemach droht. Damit meine ich keine Milliarden Kartellstrafen, sondern: Knast! Und dafür bedarf es bei so komplexen Businessmodellen erst mal ziemlich schwierig zu führender Beweisketten.
Man sollte sich bei dem ganzen bequemen Zeug der achso schönen neuen Welt immer fragen, womit man für dessen Vorzüge zahlt – über den jeweiligen Gerätepreis hinaus. Und wo das nicht einigermaßen nachvollzieh- und überprüfbar ist, bloß auf das Vertrauen von Pressestatements aus dem Management gegründet werden kann, sollte man vllt. besser nach einer einfachen Maxime verfahren: Finger weg!
Schönes anderes Beispiel: E Murks‘ Tesla-Karren…
Es betrifft doch auch alle Android und iOS Handys. Wird es in den Einstellungen nicht deaktiviert, hört Google und Apple immer mit.
Google kann damit prima Werbung schalten. Ist mir schon oft aufgefallen wenn man sich mit Leuten über bestimmte Dinge unterhält, das es dann später in der Werbung angezeigt wird.
Ohne das man vorher danach gegoogelt hat.
Bald haben wir chinesische Verhältnisse, wenn man mal bei Rot über eine Ampel geht oder p*rn im Internet schaut, kann man plötzlich keine Bahntickets mehr kaufen.
@ Mr. X: Sag ich ja. Als ich den Führerschein gemacht habe, gab es Schnittmodelle zum Aufbau einer Bremse und einer Lenkung für den Theorieunterricht (okay, ist jetzt schon ein paar Jahrzehnte her…;-). Weil: Autos gefährliche Technik, die einzusetzen ihr Verständnis für nötig erachtet wurde.
Was sollte sich daran geändert haben? Richtig: Die Technik von heute ist nicht nur wesentlich komplexer, sondern auch weitgehend international elektronisch vernetzt, im Vergleich zum guten alten Automobil des Vor-Internet-Zeitalters.
Da kann sich jeder seinen Reim selbst drauf machen. Und vllt. mal meditativ soweit in sich gehen, dass er eigene persönliche tatsächliche Bedürfnisse von evozierten (wieder) unterscheiden lernt und sein Verhalten möglichst danach ausrichtet. Gerade im Zeitalter unseres Klima- und Ressourcendiskures sicher ein höchst zeitgemäßer Ansatz oder?