Kein Lohn am ersten Krankheitstag: Warum der Allianz-Chef an der Realität vorbeidenkt
Allianz-Chef Oliver Bäte hat ein Problem mit Fehlzeiten: „Ich schlage vor, den Karenztag wieder einzuführen. Damit würden die Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen“, sagte der Vorstandschef dem Handelsblatt. Grund für diesen Vorstoß: Die krankheitsbedingten Ausfälle in deutschen Unternehmen sind ihm zu hoch und er will dafür nicht länger zahlen.
In Deutschland gilt – anders als in einigen anderen Ländern wie den USA, China oder Indien – seit Jahrzehnten die Lohnfortzahlung ab dem ersten Krankheitstag.
Anstieg der Krankentage geht auf eAU zurück
Immerhin 15,1 Tage waren deutsche Arbeitnehmer nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2023 durchschnittlich krank. Einige Krankenkassen vermelden sogar höhere Krankenstände ihrer Versicherten: Die TK spricht von 19,4 Tagen und die DAK von 20 Tagen pro Kopf im Jahr 2023.
Dass die Krankentage im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen sind, ist richtig. Dass die Gründe aber weniger in der Faulheit der Deutschen liegen – das suggeriert Bäte mit seinem Vorstoß –, ist schnell erklärt: Mit dem 1. Januar 2023 ist die sogenannte elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) in Kraft getreten.
Seitdem übermitteln Arztpraxen Fehltage direkt an die Krankenkassen; eine Dunkelziffer – wenn etwa Arbeitnehmende die AU-Bescheinigung nicht an die Kasse weiterleiten – soll es so nicht mehr geben.
Dabei haben die Kassenchefs über eine solche Fehlinterpretation der Daten schon in einem anderen Zusammenhang aufgeklärt: Andreas Storm von der DAK forderte im Oktober 2024 mit Blick auf unsinnige Kommentare von FDP-Chef Christian Lindner eine „seriöse und gründliche Debatte über die wirklichen Ursachen“. Lindner implizierte, die telefonische Krankschreibung verleite dazu, sich eher krankzumelden.
Krankentage: Mehr Objektivität in der Sache
Die Zeiten sind hart für deutsche Unternehmen. Die Bundesrepublik sieht sich mit einem wirtschaftlichen Abschwung konfrontiert. Nicht nur die Rezession, sondern auch die Strukturkrise nagt am deutschen Wohlstand. Derzeit wird um jedes Prozent an Wachstum und jedes Stündchen mehr Arbeitszeit gekämpft. Krankheit ist da kontraproduktiv.
Genau deshalb sind Aussagen wie die von Oliver Bäte oder auch Christian Lindner nicht zu Ende gedacht. Wer krank ist, ist in den allermeisten Fällen auch krank. Wer sich ausruht, genest schneller. Und wer sich nicht aufgrund von finanziellem Druck (Herr Bäte) oder bürokratischen Hürden (Herr Lindner) in die Öffentlichkeit schleppt, steckt auch weniger Menschen an.