Amazons „Fulfillment“-Programm: Marktplatz für getarnte Billigware?

Undurchsichtige Vorgänge, billige Massenprodukte, die als Markenerzeugnis dargestellt werden – das wirft eine Investigativrecherche des ARD-Politmagazins Panorama dem FBA-Modell vor.
Grundbedingung für Handeltreibende, die Teil eines FBA-Agreements sind: Die Ware, die sie anbieten wollen, muss vom Hersteller in ein Amazon-Lager gelangen. Bezahlvorgang, Verpackung, Versand, Kundenservice, Retouren – und gegebenenfalls deren Vernichtung – werden dann vom Onlineriesen übernommen.
Doch was wird da eigentlich verkauft? Meist handele es sich bei den Produkten um billige Massenware verschiedenster Hersteller, zeigt das Rechercheteam des NDR auf. Die wird beispielsweise beim asiatischen Onlineanbieter Alibaba geordert, der es Händler:innen ermöglicht, Erzeugnisse mit eigenem Logo und eigenem Markennamen auszustatten – vermeintliche Markenprodukte können bei Amazon dann deutlich teurer verkauft werden.
Verbraucher:innen können durch diese Prozesse allerdings kaum nachvollziehen, wo die angebotene Ware tatsächlich herkommt, wer sie wie herstellt. Hinzu kommt: „Die meisten Verbraucher wissen nicht, dass sie gerade gar nicht bei Amazon kaufen“, so Iwona Husemann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Panorama-Interview.
Weil auch die Händlerinnen und Händler selbst oft nur wenige Berührungspunkte mit dem haben, was sie letztendlich verkaufen, können außerdem auch unsichere oder gefälschte Waren in den Umlauf gelangen. Dass das tatsächlich immer wieder passiert, zeigen stichprobenartige Untersuchungen, wie beispielsweise von der dänischen Handelskammer.
Gerade in sensiblen Bereichen, wie beispielsweise bei Medizinprodukten, technischen Geräten oder Spielwaren für Kinder, entsteht so Gefahrenpotenzial. Das birgt nicht nur für die Verbraucher:innen Risiken: Die Verantwortung bezüglich der verkauften Produkte liegt in Europa nämlich nicht bei Amazon, sondern bei den Händlerinnen und Händlern.
Neben Verbraucherschützerin Iwona Husemann hat das NDR-Rechercheteam mit weiteren Parteien gesprochen, unter anderem einem Händler, der die FBA-Strategie nutzt – und mit Amazon selbst. Vom Online-Händler, der einer Einschätzung zufolge etwa 40 bis 50 Prozent des Verkaufspreises von FBA-Produkten behält, gab es gegenüber NDR und Süddeutscher Zeitung allerdings nur ein schriftliches Statement.
Die Amazonverkaufspartner:innen müssten sich, auch wenn sie unabhängige Unternehmen sind, an die Verkaufsbedingungen halten, heißt es vom Konzern. Die Ware müsse den geltenden Gesetzen und Vorschriften entsprechen und man habe „zuverlässige Programme entwickelt, um sicherzustellen, dass die angebotenen Produkte sicher sind“ – die Sicherheit der Kund:innen habe schließlich „oberste Priorität“.
Unternehmen, die verdächtig erscheinen, würden bereits vor ihrer Registrierung blockiert. Mit denen, die ihre Angebote aber auf der Plattform verkaufen, macht Amazon einen großen Teil seines Handelsumsatzes. 2020, so eine Schätzung des Institutes für Handelsforschung in Köln, dürften in Deutschland über diesen Zweig knapp 30 Milliarden Euro geflossen sein, was etwa 63 Prozent des Handelsumsatzes entspricht.
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