
Die Nachricht glich einem Paukenschlag: 2018 gab die Deutsche Bahn zu, Probleme damit zu haben, neue Auszubildende zu finden. Um es Schülern und Schülerinnen leichter zu machen, kündigte das Unternehmen deshalb an, künftig bei der Bewerbung auf diese Stellen auf ein Anschreiben zu verzichten. „Wir wollen es den Bewerbern so einfach wie möglich machen“, sagte Personalerin Carola Hennemann damals. Für Schüler sei so ein Schreiben bisweilen recht schwierig, fügte die Leiterin für Personalgewinnung in Baden-Württemberg hinzu. Die Reaktionen in der Öffentlichkeit reichten von „eigentlich sinnvoll“ bis „Untergang des Abendlandes“. Im Herbst war es dann soweit. Und in den Monaten darauf waren erste Resultate bereits sichtbar: Zwischen November 2018 und Januar 2019 gingen rund zehn Prozent mehr Bewerbungen für Ausbildungs- und Studienplätze als im vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres ein. Der Plan ging also auf.
Anschreiben: Nur 14 Konzerne bestehen darauf

Robert Bosch verzichtet bei vielen IT-Stellen auf das Anschreiben. (Foto: dpa)
Das hat auch andere deutsche Großunternehmen dazu gebracht, die Praxis des Begleitschreibens teilweise zu überdenken. Nur rund ein Drittel der 50 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands fordert einer Auswertung der Recuriting-Plattform Taledo zufolge noch ein Anschreiben im Bewerbungsprozess. Taledo hat die geforderten Dokumente beim Bewerbungsprozess für IT-Positionen geprüft. Gerade einmal 14 der untersuchten Unternehmen bestehen noch explizit auf einem Anschreiben, darunter unter anderem Größen aus der Automobilindustrie wie Porsche und Daimler, aber auch pharmazeutische Großunternehmen wie Bayer. Dem entgegen steht ein Unternehmen, das gar keine Möglichkeit mehr anbietet, der Online-Bewerbung ein Anschreiben beizufügen: Robert Bosch.
„Traditionelle Bewerbungsverfahren sind hoffnungslos veraltet.“
Mit 64 Prozent überlassen knapp zwei Drittel aller Unternehmen die Entscheidung über das Anfügen eines Anschreibens dem Bewerber selbst. Das ist die überragende Mehrheit. Deutlich wird somit, dass dem Begleitschreiben zunehmend weniger Bedeutung beigemessen wird. Zumindest in den Bereichen, in denen sich Unternehmen heute schwertun, Stellen zu besetzen. Der IT-Arbeitsmarkt ist so einer und hart umkämpft. In Deutschland gibt es aktuell 124.000 offene Stellen für IT-Spezialisten. Wie der IT-Branchenverband Bitkom im November 2019 mitteilte, entspricht dies einem Anstieg um 51 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, in dem 82.000 Stellen unbesetzt waren. Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Zahl der unbesetzten IT-Stellen sogar mehr als verdoppelt.
Ein Teil der Untersuchung von Taledo beschäftigte sich aber auch mit dem Lebenslauf. Hier wird deutlich, dass ein Großteil der Unternehmen den sogenannten Curriculum Vitae (CV) weiterhin benötigen. Mit 37 Unternehmen fordern 74 Prozent einen CV, um die Bewerbung abzuschließen. Bei zehn der untersuchten Großunternehmen ist der Lebenslauf nur noch optional beizufügen. Dazu zählen unter anderem BASF, die Deutsche Bahn und die Deutsche Post. Melikshah Ünver, Gründer von Taledo, bewertet diese Entwicklungen als fortschrittlich: „Dass traditionelle Bewerbungsverfahren hoffnungslos veraltet sind, erkennen deutsche Unternehmen nach und nach“, erklärt er. „Im Hinblick auf den Fachkräftemangel und im Zeitalter der Digitalisierung müssen Prozesse schlank, schnell und effizient werden“, fügt er hinzu.
Während der Lebenslauf noch einen Überblick über die Stationen gibt, die Bewerber und Bewerberinnen in ihrem Arbeitsleben ausgefüllt haben, sei das Anschreiben oft nicht besonders aussagekräftig. Es helfe nicht sicher dabei, zu beurteilen, ob es tatsächlich vom Jobsuchenden stamme oder von einem wohlmeinenden Freund oder Familienmitglied verfasst sei. Den umfangreichsten Bewerbungsprozess würden übrigens Aldi Süd, Vattenfall sowie Unternehmen wie Hochtief und Media-Saturn-Holding im Rahmen ihrer IT-Stellen durchführen. Sie gehören zu den sieben Unternehmen, sprich 14 Prozent der Untersuchung, die laut Taledo die meisten Dokumente einfordern – dazu zählen neben dem Anschreiben und dem Lebenslauf auch nach wie vor noch Zeugnisse.
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