Arbeitsrecht und Social Media: Warum ein Like keine Kündigung rechtfertigt
Die vermeintliche Anonymität von sozialen Netzwerken verführt viele Menschen zu unangemessenen Kommentaren. Doch das Internet ist kein rechtsfreier Raum; auch private Äußerungen in Social Media rechtfertigen Konsequenzen, vor allem, wenn sie einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben. So kann es beispielsweise zu einer Kündigung führen, wenn eine beschäftigte Person den Arbeitgeber oder einen Kollegen auf Instagram oder Facebook grob beleidigt.
Ähnliches gilt für Posts, die dem Grundgesetz widersprechen, wie rechtsextreme Inhalte. Doch wie sieht es aus, wenn die Person einen derartigen Post nur mit einem Like markiert und nicht selbst verfasst hat? Dieser Frage geht Arnd Diringer, Leiter der Forschungsstelle für Arbeitsrecht an der Hochschule Ludwigsburg, in einem Beitrag im Expertenforum Arbeitsrecht nach.
Meinung oder Lesezeichen?
Laut Diringer ist es umstritten, wie ein Like (deutsch: Gefällt mir) rechtlich zu deuten ist. Das zeigte sich kürzlich im Fall von Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin, die auf der Plattform X (ehemals Twitter) einen Post mit antisemitischen Inhalten gelikt hatte. Es war unter anderem die Rede von einem Foto, auf dem demonstrierende Personen ein Bild des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit aufgemaltem Hakenkreuz hochhalten.
Rauch hat sich, so unter anderem ein Bericht von Forschung und Lehre, inzwischen dafür entschuldigt und eingeräumt, dass sie sich nicht ausreichend mit dem Account des Verfassers beschäftigt habe. Sie sagte, dass sie den Post nicht gelikt hätte, wenn sie die antisemitische Intention erkannt hätte.
Arbeitsrechtler Diringer weist darauf hin, dass Literatur und Rechtsprechung teilweise davon ausgehen, dass sich Nutzerinnen durch Drücken des Like- beziehungsweise Gefällt-mir-Buttons fremde Aussagen zu eigen machen oder das Liken als billigende Meinungskundgabe bewertet würde. Das basiere unter anderem darauf, dass die meisten Kanäle dafür als Icon ein Herz- oder ein Daumen-hoch-Zeichen verwenden, was gemeinhin als positives Symbol und damit als Zustimmung verstanden werde.
So leicht sei das allerdings nicht; Diringer findet, dass diese „Zustimmungs-Likes“ von anderen Arten von Likes unterschieden werden müssten. So gäbe es beispielsweise auch „Wahrnehmungs-Likes“, die persönlich bekannten Verfasserinnen und Verfassern zeigen, dass man ihre Beiträge gelesen hat, „Höflichkeits-Likes“, bei denen Beiträge Dritter bei Diskussionen aus Höflichkeit mit einem Like versehen werden, sowie Likes, die eine nicht zielführende Diskussion beenden sollen, oder solche, die als ironischer Kommentar fungieren.
Außerdem passiert es laut Diringer schnell, dass man beim Durchscrollen aus Versehen auf den Like-Button klickt, ohne den Inhalt des Beitrags aktiv wahrgenommen zu haben. Schon allein deshalb sollten Gefällt-mir-Angaben seiner Meinung nach keine rechtlichen Konsequenzen haben – es sei denn, ihre Bedeutung sei durch den Kontext, etwa durch einen Kommentar, eindeutig. Dann sei aber ohnehin der Kommentar der Grund für die Konsequenzen, nicht der Like. Verschiedene Urteile aus der Rechtsprechung stützen Diringers Einschätzung.
Änderungen auf X
Ein weiteres Motiv, Beiträge mit einer Gefällt-mir-Angabe zu versehen, ist außerdem die Archivierung, wie sie bis vor Kurzem auf X funktioniert hat. Mit Like markierte Posts wurden dort in einem separaten Ordner aufgeführt und konnten damit leichter wiedergefunden werden. Userinnen und User meinten demnach mit dem Like manchmal gar nicht, dass sie dem Inhalt des Beitrags zustimmen, sondern nur, dass sie ihn zu einem späteren Zeitpunkt schnell wiederfinden wollten. Inzwischen hat X die Lesezeichenfunktion eingeführt und ermöglicht damit eine Unterscheidung zwischen Gefällt-mir-Angaben und Archivierungen. Diese Lesezeichen sind zudem privat, das heißt, andere Accounts können sie nicht einsehen.
X ist inzwischen noch einen Schritt weitergegangen: Elon Musk verkündete am 12. Juni, dass Likes jetzt privat sind. Nun sieht nur noch die Person, die den Beitrag verfasst hat, welche Accounts ihn mit einem Like versehen haben. Die Washington Post bezeichnete das als das „Ende einer Ära“, Arbeitsrechtler Diringer begrüßt die Entscheidung. Dadurch gehe zwar ein Stückchen Transparenz verloren, aber dafür müssten Arbeitnehmende jetzt nicht mehr um ihren Job fürchten, wenn sie mal aus Versehen auf ein Herz gedrückt haben.