Audi Q6 E-Tron im Test: Das E-SUV punktet mit hoher Ladeleistung – aber wo ist der Vorsprung durch Technik?
Als Audi mit dem ersten E-Tron, der sich inzwischen als Q8 E-Tron ins Portfolio der Marke einreiht, in die Elektromobilität startete, hob sich das Modell vor allem durch seine außergewöhnliche Ladekurve von der Konkurrenz ab: bis fast 80 Prozent SoC (State-of-Charge) wurden die maximal möglichen 150 Kilowatt aufrechterhalten. Vor über vier Jahren war das durchaus beachtlich, wenngleich das Bild durch den hohen Verbrauch des Ur-E-Tron etwas getrübt wurde.
Auch beim mit dem Porsche Taycan verwandten E-Tron GT legt Audi den Fokus auf die Ladeleistung. Bereits als das Performance-Modell 2021 Premiere feierte, setzte es mit der 800-Volt-Technologie und einer Ladeleistung von maximal 270 Kilowatt (kW) neue Maßstäbe. Das kürzlich erschienene Facelift bringt es jetzt sogar auf 320 kW. In nur 18 Minuten lässt sich die 105-Kilowattstunden-Batterie (brutto) so von zehn auf 80 Prozent SoC aufladen.
Und so verwundert es natürlich auch nicht, dass man beim neuen Q6 E-Tron ebenfalls großen Wert auf die Ladeleistung gelegt hat. Wir haben uns angeschaut, wie sich das im Alltag bemerkbar macht – und was sonst noch so in dem Premium-SUV steckt.
Audi Q6 E-Tron: Von 63.500 Euro bis zu über 120.000 Euro ist alles möglich
Wie bei allen anderen deutschen Autobauern, hat es auch bei Audi Tradition, dass die Spannbreite zwischen dem Preis des Einstiegs- und des Spitzenmodells riesig ist. Der Audi A6 E-Tron stellt keine Ausnahme dar.
Los geht’s bei 63.500 Euro. In dieser Version verfügt der Premium-SUV allerdings nur über eine Netto-Batterie-Kapazität von 75,8 Kilowattstunden (kWh), woraus eine Maximalleistung von 215 kW resultiert. Der Sprint von 0 auf 100 km/h dauert dann – wohlgemerkt im Launch Control-Modus – sieben Sekunden. Die kombinierte elektrische WLTP-Reichweite gibt Audi mit 455 bis 533 Kilometern an.
Erst ab dem E-Tron Performance (68.800 Euro, 6,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h, 550 bis 641 Kilometer WLTP-Reichweite) respektive E-Tron Quattro (74.700 Euro, 5,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h, 534 bis 625 Kilometer WLTP-Reichweite) ist dann die Batterie mit 94,9 kWh (netto) verbaut.
Fairerweise, und die Kritik muss sich Audi an der Stelle gefallen lassen, sind 5,9 Sekunden für ein Elektroauto in dieser Preisklasse etwas dürftig. Selbst ein Smart #3 für gerade einmal 46.000 Euro beschleunigt schneller – und ein Model Y Performance für 61.000 Euro braucht für den Sprint auf 100 km/h sogar nur 3,7 Sekunden.
Zumal man nicht vergessen darf, dass sich die oben genannten Preise beim Q6 E-Tron jeweils auf die Basismodelle beziehen. Wählt man im Konfigurator noch zeitgemäße Ausstattungsfeatures an, kommen locker 10.000 Euro obendrauf – und dann ist man immer noch weit von der Vollausstattung entfernt.
Das bringt uns schließlich zum derzeitigen Spitzenmodell der Baureihe, dem SQ6 E-Tron. Er wartet mit einer Maximalleistung von 380 kW auf und beschleunigt in immerhin 4,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Dafür werden dann aber auch mindestens 94.000 Euro fällig.
Audi Q6 E-Tron: Reichweite und Ladeleistung
Soweit die Theorie. Aber wie schlägt sich der Audi Q6 E-Tron denn in der Praxis? Als wir bei winterlichen Temperaturen hinter dem Lenkrad Platz nehmen und unseren knapp 1.500 Kilometer umfassenden Roadtrip beginnen, ist uns schon klar, dass das Fahrerdisplay nie die theoretisch mögliche Reichweite jenseits der 500 Kilometer anzeigen wird.
Mit viel Autobahnanteil und Geschwindigkeiten um die 130 bis 150 km/h pendelt sich der Verbrauch des Q6 E-Tron nach ein paar hundert Kilometern bei etwa 25 kWh pro 100 Kilometer ein. Für ein SUV dieser Größenordnung und Temperaturen um den Gefrierpunkt ist das vollkommen in Ordnung. In Kombination mit der 94,9-kWh-Batterie ist somit eine Reichweite von rund 380 Kilometer realistisch. Bei wärmeren Temperaturen und einem Streckenprofil mit weniger Autobahnabschnitten lassen sich je nach Fahrstil aber auch die 500 Kilometer knacken.
Wie schon mehrfach erwähnt, ist die Reichweite allein bei einem Elektroauto aber nur bedingt aussagekräftig, da die wenigsten Menschen 500 Kilometer am Stück durchfahren. Viel wichtiger ist es, dass bei einer kurzen Toiletten- beziehungsweise Kaffeepause möglichst viel Reichweite nachgeladen werden kann. Und damit kommen wir zur Paradedisziplin des Audi Q6 E-Tron: der Ladeleistung.
Als wir das erste Mal mit zehn Prozent SoC an einem Schnelllader ankommen und das Fahrzeug mit 800-Volt-Technologie anschließen, steht direkt eine Ladeleistung von fulminanten 280 kW zur Verfügung. Wenig später ist der Q6 E-Tron bereits zu 50 Prozent geladen und die Säule zeigt noch immer 210 kW. Erst danach sinkt die Ladeleistung langsam ab, beträgt aber auch bei 70 Prozent SoC noch immer 150 kW.
Oder anders ausgedrückt: Für die knapp 520 Kilometer von Stuttgart nach Hannover muss man selbst im Winter lediglich eine Ladepause von gerade einmal sieben Minuten einplanen. Das reicht noch nicht einmal, um sich in der Raststätte einen Kaffee zu holen.
Einen Kritikpunkt gibt es dann aber doch: Die Batterie im Audi Q6 E-Tron kann nicht manuell vorkonditioniert werden. Wenn man den gewünschten Schnelllader nicht rechtzeitig über die Navigation als nächsten Ladestopp auswählt, kann es passieren, dass man mit 80 kW statt der eigentlich möglichen 270 kW lädt.
Audi Q6 E-Tron: Vorsprung durch Technik?
Grundsätzlich ist der Audi Q6 E-Tron ein rundum gelungenes Auto. Der Fahrkomfort ist insbesondere mit dem optionalen Luftfederfahrwerk erstklassig, ganz egal, ob man komfortabel oder sportlich unterwegs sein möchte. Die Geräuschisolierung lässt fast nichts von der Außenwelt nach innen dringen und auch die Assistenzsysteme machen einen hervorragenden Job.
Über manche Designentscheidungen kann man sicherlich streiten, etwa, dass man neben dem gebogenen Hauptdisplay noch auf Teufel komm raus ein (optionales) Beifahrerdisplay platziert hat, das sich so gar nicht ins Gesamtbild einfügen will. Oder die unzähligen Tasten an der Fahrertür, die so wirken, als ob irgendjemand in letzter Minute von den Entwicklern verlangt hat, für bestimmte Funktionen noch irgendwo physische Tasten unterzubringen.
Aber dennoch gibt es am Ende des Tages am Q6 E-Tron wenig auszusetzen. Er ist luxuriös, mit State-of-the-Art-Technologien ausgestattet und mit knapp 530 Litern Kofferraumvolumen auch geräumig. Den „Vorsprung durch Technik“ sucht man allerdings vergebens – und genau das ist ein Stück weit das Problem. Vor zwei Jahren wäre der Q6 E-Tron allein schon durch seine Ladeleistung ein echtes Highlight gewesen, aber heute reiht er sich einfach nur neben einem Hyundai Ioniq 9 oder KIA EV6 ein.
Freilich macht das den Ingolstädter nicht schlechter, aber Audi täte ebenso wie Mercedes-Benz und BMW gut daran, endlich einmal wieder die Rolle des Vorreiters anstatt des Nachzüglers einzunehmen.