Auswüchse in Online-Games: Britischer Werberat will Spielende vor Kaufdruck schützen

Britische ASA will Gamer schützen. (Foto: Chikena / Shutterstock.com)
Wenn Spieleentwickler und -publisher ihre Produkte so gestalten, dass Spielerinnen und Spieler nicht nur das eigentliche Game bezahlen, sondern auch im Spiel immer wieder Items zum Kauf angeboten bekommen, dann kann sich daraus für den Hersteller eine regelrechte Goldgrube entwickeln. Viele geben ihre Spiele dann direkt als Free-to-play, also ohne initialen Kaufpreis heraus, weil ihr Ziel darin besteht, möglichst viele Spielende anzulocken. Die werden dann im Spiel mit Kaufangeboten für Lootboxen, stärkere Waffen und andere Items, bessere Charaktere oder Spielgeld, gerne als Gems oder Coins bezeichnet, teils regelrecht traktiert. Immer wieder ziehen sich Publisher die Kritik der Community zu, wenn sie es mit den In-Game-Verkäufen so deutlich übertreiben, dass ein erfolgreicher Spielverlauf faktisch, ohne für alles möglich zu bezahlen, gar nicht möglich ist. Zuletzt traf dieser Vorwurf das neue „Pokémon Unite“.
ASA will den Verbraucherschutz in Spielen stärken
Solche Auswüchse will nun die dem deutschen Werberat ähnliche Selbstkontrolleinrichtung Advertising Standards Authority (ASA) im Vereinigten Königreich verhindern. In verschärften Richtlinien macht die ASA deutlich, welche Art und Weise von Werbung künftig erwünscht bleibt und welche unterlassen werden soll. Dabei will die ASA insbesondere Timer, die Spielende mit einem Kauf-Countdown drängen wollen, sowie vermeintliche Sonderangebote mit Bezeichnungen wie „Best Value!“ beseitigt wissen.

In Großbritannien unerwünscht: Best Value als Lockangebot. (Bild: 80lv)
Laut Eurogamer bezieht sich der neue Leitfaden sowohl auf Werbung im Spiel und Werbung für das Spiel auf den diversen Plattformen und sogar auf allgemeine Werbung, die man im Fernsehen oder beim Surfen im Internet sehen kann. Die neuen Regeln der ASA wollen Werbung unterbinden, die Spielende zu einem Kauf drängt oder die Kunden über die Existenz, den Zweck und die Gesamtkosten von In-App-Käufen in die Irre führt.
Verwenden Spiele eine In-Game-Währung, die nur mit echtem Geld und nicht etwa über das Abwickeln von Missionen oder auf andere spielerische Weise zu erwerben ist, verlangt die ASA, dass Werbung wie Popups im Spiel stets den realen Geldwert mitnennt. So müsste etwa eine Anzeige, in der eine neue Waffe für 500 Edelsteine angeboten wird, auch anzeigen, was diese 500 Edelsteine für einen Fiat-Wert haben. Wenn diese Anzeige im Spiel erscheint, muss sie angeben, wie viele Edelsteine oder Münzen die Spielenden derzeit haben, wie viele benötigt werden, um das entsprechende Asset zu bekommen, und wie viel das kosten wird.
Die Anzeige von Countdown-Timern, die signalisieren sollen, dass ein rabattiertes Angebot nur noch 10..9..8..7.. läuft, soll ebenso abgeschafft werden, wie das irreführende Anzeigen sogenannter „bester Angebote“.
ASA hat keine hoheitliche Macht
Den besonders umstrittenen Fall der Lootboxen, also einer Art Wundertüte, die Spiel-Items enthält, umschifft die ASA. Zwar empfiehlt sie, dazu ebenfalls transparent entsprechende Hinweise anzubringen, verweist ansonsten aber darauf, dass die umstrittene Frage, ob Lootboxen unter die Glücksspieldefinition fallen, der Beurteilung durch die britische Glücksspielkommission Gambling Commission, einer dem Digitalministerium unterstellten Organisation, unterliegt.
Die ASA selbst hat keine behördlichen Befugnisse. Sie kann weder Gesetze anstoßen noch auslegen oder umsetzen. Sie hat keine Sanktionsbefugnisse. Alles, was sie tun kann, ist, Rechtsverstöße an die zuständigen Behörden zu melden. Sie ist als reine Selbstkontrolleinrichtung der Wirtschaft konzipiert und bezieht ihren Einfluss ausschließlich aus der Selbstverpflichtung der Unternehmen. Bislang hat sich die ASA mit ihrer Richtliniensetzung weitestgehend an britischem Recht orientiert und das für die Werbeindustrie konkretisiert. In Deutschland und Österreich sind am ehesten die jeweiligen Werberäte mit der britischen ASA vergleichbar.
Auch in Deutschland zeigen sich etwa die Verbraucherschutzzentralen nicht begeistert vom Umgang der Publisher mit der Werbung in ihren Spielen. In einer umfangreicheren Untersuchung zwischen 2017 und 2019 hatte die Schutzorganisation viele Mängel benannt, darunter fehlende Transparenz im Umgang mit In-App-Käufen, aber auch Basics wie fehlende Alterskennzeichnungen und -prüfungen – etwa, um zu verhindern, dass Minderjährige überhaupt Geld in Spielen ausgeben können.
Anders als die Briten haben sich die deutschen Glücksspielregulierer schon 2017 mit der Frage, ob Lootboxen unter die Glücksspieldefinition fallen, befasst. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das nicht der Fall ist. Dem stimmt die juristische Literatur in Deutschland in ihrer Mehrheit zu.