Bellen, Kuscheln, Feedback: Was knuddelige Roboter für die Pflege von Demenzkranken bringen könnten
Neulich habe ich das Internet auf der Suche nach einem Roboterhund durchforstet. Ich wollte ein verspätetes Geburtstagsgeschenk für meine Tante, die vor Kurzem die Diagnose Alzheimer-Krankheit erhalten hatte. Studien deuten darauf hin, dass ein Begleittier die Einsamkeit, die Angst und die Unruhe, die mit Alzheimer einhergehen, teilweise lindern kann. Meine Tante hätte gern einen richtigen Hund, aber sie kann keinen haben.
So habe ich den Golden Pup, auf Deutsch „goldener Welpe“, mit seinem flotten roten Halstuch von Joy for All entdeckt. Er wackelt mit dem Kopf und bellt, wenn man mit ihm spricht oder ihn berührt. Und er hat einen realistischen Herzschlag. Er ist einer der vielen, vielen Roboter, die für Menschen mit Alzheimer und Demenz entwickelt worden sind.
Unter diesen Robotern ist Golden Pup ein ausgesprochener Lowtech-Roboter. Er ist bereits für 140 Dollar im Handel erhältlich. Das flauschige Hightech-Robbenbaby Paro aus Japan, das Berührungen, Licht, Geräusche, Temperatur und Körperhaltung wahrnehmen kann, schlägt dagegen mit rund 6.000 Dollar zu Buche. Laut Hersteller entwickelt es seinen eigenen Charakter und erinnert sich an Verhaltensweisen, die seinen Besitzer dazu gebracht haben, ihm Aufmerksamkeit zu schenken.
Roboter für Menschen mit kognitiven Störungen
Bald sollen noch raffiniertere Roboter Menschen mit kognitiven Störungen helfen, indem sie sich mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) mit ihren Besitzern unterhalten und Spiele mit ihnen spielen. Forscher der Indiana University Bloomington optimieren zum Beispiel ein im Handel erhältliches Robotersystem namens QT für Demenz- und Alzheimerpatienten. Der etwa 50 Zentimeter große Roboter sieht ein wenig aus wie ein Kleinkind in einem Astronautenanzug. Sein runder weißer Kopf trägt einen Bildschirm, auf dem zwei Augenbrauen, zwei Augen und ein Mund eine Vielzahl von Gesichtsausdrücken formen können. Der Roboter verwickelt Menschen in Gespräche und stellt KI-generierte Fragen, um sie zum Reden zu bringen.
Das verwendete KI-Modell ist nicht perfekt, und auch die Antworten des Roboters sind nicht perfekt. In einem unangenehmen Gespräch antwortete der Roboter auf die Information einer Studienteilnehmerin, dass sie eine Schwester habe, mit: „Das tut mir leid. Wie geht es Ihnen?“
Doch mit der Verbesserung großer Sprachmodelle, die bereits im Gange ist, wird auch die Qualität der Gespräche steigen. Als der QT-Roboter diese peinliche Bemerkung machte, lief auf ihm GPT‑3 von OpenAI, das 2020 veröffentlicht wurde. Die neueste, Mitte Mai herausgekommene Version dieses Modells, GPT‑4o, ist schneller und ermöglicht fast nahtlose Unterhaltungen. Man kann das Gespräch unterbrechen, und das Modell passt sich an.
Die Idee, Demenzkranke mithilfe von Robotern zu betreuen, ist nicht immer leicht zu verkaufen. Manche Menschen sehen darin eine Abkehr von unserer sozialen Verantwortung. Dazu kommen Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre. Die besten Roboterbegleiter sind personalisiert. Sie sammeln Informationen über das Leben der Menschen, lernen ihre Vorlieben und Abneigungen kennen und finden heraus, wann sie auf sie zugehen sollten. Diese Art der Datenerfassung kann nicht nur für Patienten, sondern auch für das medizinische Personal beunruhigend sein.
Bedenken beim Datenschutz
Lillian Hung, Gründerin des Idea-Labors (Innovation in Dementia and Aging) an der University of British Columbia im kanadischen Vancouver, erzählte einem Reporter von einem Vorfall, der sich während einer Fokusgruppe in einer Pflegeeinrichtung ereignet hatte. Sie und ihre Kollegen gingen kurz zum Mittagessen. Als sie zurückkamen, stellten sie fest, dass das Personal den Roboter ausgestöpselt und ihm eine Tüte über den Kopf gestülpt hatte. „Sie waren besorgt, dass er sie heimlich aufzeichnete“, sagte sie.
Andererseits haben Roboter im Gespräch mit Demenzkranken einige Vorteile gegenüber Menschen. Ihre Aufmerksamkeit lässt nicht nach. Sie werden nicht ärgerlich oder wütend, wenn sie sich wiederholen müssen. Sie können nicht gestresst werden. Hinzu kommt, dass es immer mehr Menschen mit Demenz gibt und zu wenige, die sich um sie kümmern. Im Jahr 2021 gab es in Deutschland 1,8 Millionen Menschen mit Demenz ab 40 Jahren, 1,7 Millionen waren es in der Altersgruppe ab 65 Jahren. Und die Prognosen weisen steigende Zahlen aus: zwei Millionen Betroffene (ab 65 Jahren) im Jahr 2030, 2,4 Millionen bis zum Jahr 2040.
In den USA sieht der Trend ähnlich aus, und das hat Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt für Pflegekräfte: Dem jüngsten Bericht der Alzheimer’s Association zufolge werden in den USA zwischen 2021 und 2031 mehr als eine Million zusätzliche Pflegekräfte benötigt, um den Bedarf von Menschen mit Demenz zu decken. Das ist die größte Lücke zwischen Angebot und Nachfrage in einem einzelnen Beruf in den Vereinigten Staaten.
Bereits jetzt ist diese Lücke zu spüren: So werden die Patienten oft sediert, um den Umgang mit ihnen zu erleichtern. Sie werden in Rollstühle geschnallt und in Fluren geparkt. Es gibt kaum genug Pflegepersonal, das sich um die körperlichen Bedürfnisse von Demenzkranken kümmern, geschweige denn, ihnen soziale Kontakte und eine bereichernde Umgebung bieten kann.
Gefühl der Zugehörigkeit
„Bei der Pflege geht es nicht nur darum, sich um die körperlichen Belange eines Menschen zu kümmern, sondern auch um den Geist“, schreibt Kat McGowan in dieser Wired-Geschichte über die Demenz ihrer Eltern und das Versprechen von sozialen Robotern. „Die Bedürfnisse von Erwachsenen mit und ohne Demenz sind gar nicht so unterschiedlich: Wir alle suchen nach einem Gefühl der Zugehörigkeit, nach Bedeutung, nach Selbstverwirklichung.“
Wenn Roboter das Leben von Menschen mit Demenz auch nur im Geringsten bereichern können und wenn sie dort Gesellschaft leisten können, wo es keine gibt, ist das ein Gewinn. „Wir befinden uns derzeit an einem Wendepunkt, an dem es relativ einfach und kostengünstig wird, [kognitiv unterstützende Roboter] zu entwickeln und einzusetzen, um Menschen mit Demenz personalisierte Interventionen zu bieten, und viele Unternehmen wetteifern darum, aus diesem Trend Kapital zu schlagen“, schrieb ein Forscherteam der University of California in San Diego 2021 in den Proceedings of We Robot. „Es ist allerdings wichtig, die Auswirkungen sorgfältig zu bedenken.“
Viele der fortschrittlicheren sozialen Roboter sind vielleicht noch nicht so weit, aber der Lowtech-Roboter Golden Pup ist bereits erhältlich. Die Krankheit meiner Tante schreitet schnell voran, und sie wird gelegentlich frustriert und unruhig. Ich hoffe, dass Golden Pup eine willkommene – und beruhigende – Ablenkung sein kann. Vielleicht wird er in einer Zeit, die für meine Tante und meinen Onkel unglaublich verwirrend und schmerzhaft ist, Freude auslösen. Vielleicht aber auch nicht. Ein Roboterwelpe ist sicher nicht für jeden etwas. Aber auch wenn Golden Pup kein echter Hund ist, hoffe ich, dass er ein freundlicher Begleiter sein kann.