Somit kommen die Verbraucher – anders als an den meisten Benzintankstellen üblich – nicht um die Nutzung eines sogenannten geschlossenen Bezahlsystems herum, das etwa über betreibereigene Ladekarten, Apps oder Websites mit vorheriger Registrierung verfügt.
Die Initiative Deutsche Zahlungssysteme, die sich für die Nutzung der elektronischen Bezahlverfahren der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), insbesondere der Girocard, bei Händler:innen und Verbraucher:innen einsetzt, verfolgt hierbei natürlich auch deutsche Interessen. Denn in vielen Fällen sind die geschlossenen Systeme natürlich international ausgerichtet und präferieren eher die internationalen Digitalkonzerne der Payment-Wirtschaft wie Visa, Mastercard oder auch Paypal.
Doch die grundsätzliche Problematik bleibt bestehen: Spontanes Stromtanken ist in vielen europäischen Ländern dadurch weitgehend kundenunfreundlich gelöst – zumindest wenn Kund:innen auf Privatsphäre achten wollen. Vielerorts gestalte sich der Bezahlvorgang kompliziert und birgt diverse Hindernisse.
Ausgewertet haben die Expert:innen von Kantar dazu die Bezahlmöglichkeiten von 61 Ladesäulenbetreibern mit insgesamt knapp 30.000 öffentlich zugänglichen Ladesäulen in zwölf europäischen Ländern von Portugal bis Griechenland und von Frankreich bis Schweden, wobei Staaten wie Großbritannien und die Schweiz gar nicht mal berücksichtigt wurden. Untersucht wurden aber sowohl Angebote im städtischen (40) als auch im ländlichen Umfeld (21).
Geschlossene Bezahlsysteme dominieren in Europa
Bei 55 Ladesäulenbetreibern kommen ausschließlich geschlossene Bezahlmethoden wie zum Beispiel betreibereigene Ladekarten, Apps oder Websites mit vorheriger Registrierung zum Einsatz – verbunden meist mit einem entsprechenden Vertrag und einer Geschäftsbeziehung. Das schützt zwar den Betreiber und verrät ihm vieles über seinen Kunden, führt aber bei Kund:innen zu einem Verlust der Privatsphäre.
Von den 59 Ladesäulenbetreibern, die das Bezahlen mittels betreibereigener Ladekarte oder der eines Roamingpartners anbieten, statten lediglich 32 Anbieter ihre Ladesäulen zusätzlich mit einem statischen QR-Code aus, welcher das Smartphone auf eine Website führt und eine Zahlung erst nach Eingabe der eigenen Zahlungsdaten ermöglicht. Doch der wohl gut gemeinte Service kann betrugsanfällig sein, da hier QR-Codes mit einem falschen QR-Code überklebt werden könnten. Betrüger:innen könnten so über eine Weiterleitung auf eine gefälschte Website sensible Daten oder gar die Zahlung von Verbraucher:innen abfangen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis derartige Fälle bekannt werden.
Immerhin 50 Ladesäulenbetreiber haben zudem eine eigene Lade-App im Repertoire, die zum Starten des Lade- und Bezahlvorganges aber teilweise ebenfalls eine Registrierung beziehungsweise einen entsprechenden Login voraussetzt. So oder so bleiben Bezahlvorgänge kompliziert und für Verbraucher:innen mit mehr Aufwand verbunden als nötig.
Hinzu kommt laut IDZ, dass in vielen Fällen eine stabile Internetverbindung erforderlich ist und viele der Apps nur in der Landessprache und nur selten auf Englisch zur Verfügung stehen. Die Tester ermittelten, dass in den meisten Fällen der Preis pro Kilowatt-Stunde oder Ladevorgang beim Bezahlen mit der Debit- oder Kreditkarte über Apps oder Websites deutlich teurer ist als beim Stromtanken mit der betreibereigenen Ladekarte. Spontanes Laden wird so für E-Autofahrer:innen zur Kostenfalle.
Doch es gibt auch einige wenige Lichtblicke: An sechs der untersuchten E-Ladesäulen – zwei in Frankreich sowie je eine in Deutschland, Österreich, Schweden und Polen – war eine spontane Bezahlung mit einer Debit- oder Kreditkarte durch Stecken oder kontaktlos über ein Kartenterminal möglich.
Anonymität wie in der Vergangenheit ist kaum möglich
Die IDZ setzt sich für europaweit einheitliche und einfache Bezahlmethoden ein – die bestenfalls auch irgendwas mit der Girocard zu tun haben sollten. Denn für eine breite Akzeptanz der E-Mobilität in der Gesellschaft dürfte neben der guten Ladeinfrastruktur auch ein Mindestmaß an Privatsphäre erforderlich sein, ähnlich wie wir das vom Tankstellennetz oder auch vom ganz normalen Einkauf an der Ladenkasse kennen.
Auch die kommunalen Spitzenverbände in Deutschland sowie Automobilclubs wie der ADAC haben sich im Rahmen des EU-weiten Gesetzgebungsprozesses zur „Alternative Fuels Infrastructure Regulation“ (AFIR) dafür eingesetzt, spontanes Bezahlen mit Debit- und Kreditkarte über ein Bezahlterminal als Mindeststandard an E-Ladesäulen in ganz Europa festzuschreiben.
Denn die Novellierung der Ladesäulenverordnung vom Mai 2021 sieht zwar durchaus vor, dass Ladesäulenbetreiber in Zukunft mindestens eine kontaktlose Bezahlmöglichkeit mittels gängiger Debit- oder Kreditkarte anbieten müssen. Doch die Regelung gilt nur für Ladesäulen, die ab dem 1. Juli 2023 erstmalig in Betrieb genommen werden und sie verhindert ja nicht, dass auch weiterhin diese geschlossenen Systeme zum Einsatz kommen.
Einen Schritt weiter gehen freilich die M2M-Payment-Lösungen – für diese zwischen Auto und Ladesäule automatisiert erfolgenden Bezahlvorgänge sind dann endgültig Verträge erforderlich. Doch dabei lassen sich ebenfalls Privatsphärelösungen mitdenken, wenn etwa nur noch die Zahlungsauslösung Token-basiert erfolgt.