Bill Gates über Klimaschutz: „Alles stilllegen und von vorn anfangen“
„Wir nutzen so viel Energie und haben so viel in Maschinen investiert, um sie zu generieren. Jetzt, innerhalb von 30 Jahren, müssen wir alles stilllegen und mit sauberen Technologien von vorn anfangen“, schreibt Bill Gates in seinem Jahresbrief zum Klimawandel. Seit 15 Jahren beschäftige er sich intensiv mit dem Thema, so Gates. Nun gab er einen interessanten Überblick, was aus seiner Sicht getan wird und was noch passieren muss.
Investitionen steigen, Emissionen auch
Gates diagnostiziert, dass sich private und öffentliche Investitionen in saubere Technologien stark beschleunigten. Das lasse ihn optimistisch in die Zukunft sehen. Auf der anderen Seite nehmen die Emissionen weiter zu, obwohl der jährliche CO₂-Ausstoß der Welt von 51 Milliarden Tonnen auf null sinken müsse. Gates sagt, sie habe rund 30 Jahre Zeit, diese massive Transformation zu stemmen, um Schlimmeres zu verhindern. Einige Technologien, „die wir brauchen“, seien zudem noch weit entfernt, so praktisch und kosteneffizient zu sein, dass man sie in großem Maßstab einsetzen könne. Er nennt zwei dieser Lösungen: das direkte Abscheiden von CO₂ und zusätzliche Quellen für erneuerbare Energie.
In den nächsten drei Jahren den Turbo einlegen
„Ich glaube immer noch, dass wir eine Klimakatastrophe vermeiden können“, schreibt der Investor vieler Klimaschutzprojekte. Man sei in den letzten zehn Jahren endlich in Fahrt gekommen, aber in den nächsten drei Jahren „müssen wir viel weiter und viel schneller vorankommen“. Dazu müsse nicht nur die Energieerzeugung, sondern „alles und überall“ auf den Prüfstand.
Gates stellt dar, dass die Elektrizität nur für 27 Prozent der Emissionen verantwortlich sei. Autos würden nur die Hälfte der 16 Prozent ausmachen, die dem Verkehrssektor zugeschrieben werden. Die verarbeitende Industrie sieht er mit ihrem 30-Prozent-Anteil als stärksten Verursacher von Emissionen. Er nennt Zement-, Kunststoff- und Stahlindustrie als Beispiele.
Globale Anstrengungen für Wohlstand und Klima
Der Multimilliardär betont, das Abwenden einer Katastrophe sei nur als gemeinsame globale Anstrengung möglich. Zwei Drittel der Emissionen stammen von Schwellenländern. China allein sei für ein Viertel verantwortlich. Europa und Nordamerika seien auf Kosten massiver Kohlenstoffemissionen zu Wohlstand gekommen und nun sei es „sowohl unrealistisch als auch ungerecht“, wenn man von anderen Ländern erwarte, auf ein komfortableres Leben zu verzichten, „weil sich herausgestellt hat, dass dieser Kohlenstoff das Klima verändert“.
Europa und Nordamerika seien der Welt schuldig, nicht nur ihre eigenen Emissionen zu beseitigen, sondern auch aggressiv zu investieren, damit andere Länder den Treibhausgasstopp schaffen und zugleich ihre Wirtschaft ausbauen und ihren Lebensstandard verbessern können.
3 Lösungen: Innovationen, Kostensenkungen, Infrastruktur ersetzen
„Die Lösung für das Problem ,alles und überall‘ ist dreifach“, so Gates. Zunächst müsse man saubere Technologien erfinden, um jedes emissionsintensive Verfahren zu ersetzen. Er nennt Stahlherstellung, Flugzeugtreibstoff und das Düngen von Feldern als Beispiele.
Außerdem müsse man die Kosten für saubere Verfahren senken. Der Preisunterschied zwischen herkömmlichen und grünen Methoden und Produkten müsse innerhalb von 18 Jahren bei null liegen oder sogar zugunsten der ökologischeren Variante ausfallen.
Punkt drei schließt direkt daran an: Diese Technologien müssen schnell eingeführt werden. Er nennt auch einen Zeitkorridor dafür: Innerhalb von 30 Jahren soll die alte Infrastruktur komplett stillgelegt und mit alternativen Methoden neu begonnen werden.
Der Markt ist zu langsam: Ein Plan muss her
Der Markt allein könne die ganze Wirtschaft nicht in so kurzer Zeit „auf null stellen“. Daher sei ein Plan vonnöten, um diesen Prozess zu beschleunigen. Als Innovationstreiber sieht Gates die drei klimarelevanten Gesetze, die die USA innerhalb der letzten zwölf Monate verabschiedet haben. Neben den Unterstützungspaketen der Regierung in Höhe von 500 Milliarden Dollar werde diese Aktivität zusätzlich Milliarden an privaten Investitionen nach sich ziehen. Die EU habe ihre Ziele ebenfalls erhöht und einen Nullverbrauch bis 2050 gesetzlich festgeschrieben.
So sieht der Klimawandel aus Sicht der Nasa aus
Mehr Forschung, mehr Erprobung, mehr Energiequellen
Gates mahnt eine weitere Intensivierung von Forschung und Entwicklung in den kritischen Bereichen an. Zudem benötige die Welt ein faires, praktikables Verfahren, damit die Maßnahmen ausgeweitet und die Menschen bei den Auswirkungen des Klimawandels unterstützt werden können. Gates schreibt: Er wird kommen, ganz gleich, was wir jetzt tun.
Nachhaltige Kraftstoffe für Langstreckenflüge, erschwingliche Verfahren zur Abscheidung von CO₂ und zusätzliche regenerative Energiequellen nennt er als Schwerpunkte. Er kalkuliert, dass sich die weltweite Nachfrage nach Energie verdoppeln, wenn nicht verdreifachen werde, da immer mehr Prozesse elektrifiziert werden.
Die zwei Seiten des Mitspracherechts
Gates spricht sich dafür aus, nicht wieder einkommensschwache Gemeinden unter den Infrastrukturprojekten leiden zu lassen, wie das in der Vergangenheit geschehen sei. Die Politik müsse einen gerechten Übergang sicherstellen, damit Klimaschutz und die Lebensgrundlage der Menschen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Er spricht sich für ein Mitspracherecht aus und gibt gleichzeitig ein Beispiel, wozu das führen könne. So haben die Wähler in Maine den Bau von Übertragungsleitungen verhindert, der für die Versorgung mit kohlenstoffarmer Energie erforderlich sei. Gates glaubt, dass eine stärkere Einbindung der Menschen zu einer besseren Planung und Standortwahl führen.
Mit Erfindungen fängt es an
Er beschreibt im Zuge des Briefes eine Menge innovativer Wege, in die der von Gates ins Leben gerufene Zusammenschluss Breakthrough Energy Ventures (BEV) investiert – etwa ein Projekt, das Energie in geschmolzenen Salzen speichert, oder ein Batteriesystem, welches Strom zur Umwandlung von Eisen zu Rost verwendet, um bei Bedarf den Prozess wieder umzukehren. Über 100 Projekte hat der milliardenschwere Fonds, an dem etwa auch Jeff Bezos beteiligt ist, bereits gefördert.
Der Microsoft-Gründer sieht jedoch ein Umdenken. 2016 hätten sich nur 21 Unternehmen Klimaziele vorgenommen, nun seien es 3.671. Doch das reiche nicht. Daher regt Gates an, rigorose 10-, 15- und 20-Jahre-Pläne zu erarbeiten, um die Emissionen auf null zu senken. Er schreibt: „Dies ist die schwierigste Herausforderung, der sich die Menschen je gestellt haben.“ Und er erklärt später: „Aber die Menschheit stand auch noch nie vor einer existenziellen Krise wie dem Klimawandel.“ Sie müsse mehr erreichen und schneller, um die Katastrophe zu vermeiden.