Krypto-Farmen als Heizkraftwerk: Ist das die Zukunft – oder ein Albtraum?

Was im hippen Stadtteil Williamsburg in Brooklyn, New York City im US-Bundesstaat New York, als innovativ gilt, sorgt andernorts für blank liegende Nerven und Umweltdebatten. Im „Bathhouse“ Spa heizen Computer unbemerkt die Pools und Dampfbäder – Rechner, die mit enormem Energieaufwand Bitcoins schürfen.
Das Prinzip klingt zunächst smart: Das sogenannte Mining verschlingt Unmengen Strom und erzeugt dabei als Nebenprodukt massiv Wärme. Während diese Abwärme meist nutzlos verpufft oder aufwendig weggekühlt werden muss, fängt das Spa sie gezielt auf und speist sie in sein Heizsystem ein. Das berichtet MIT Technology Review.
Lärm-Albtraum statt Spa-Ruhe
Doch die im gedämpften Licht des Spa-Kellers leise im Ölbad surrenden Rechner sind die Ausnahme. Die Realität vieler Mining-Farmen weltweit sieht und hört sich anders an – sie kann für Anwohner:innen zum Albtraum werden.
So klagten Bürger:innen in Elk County im US-Bundesstaat Pennsylvania etwa über unerträglichen Dauerlärm von einer Mining-Anlage. Diese wurde direkt an einer alten Gasquelle betrieben, angetrieben von lauten Gasmotoren – sogenanntes Wellhead Mining verwandelte die ländliche Ruhe in gefühlten „Höllenlärm“.
Ähnliche Erfahrungen machten Anwohner:innen in der kanadischen Provinz Alberta. Sie verglichen die Geräuschkulisse von benachbarten, ebenfalls mit Erdgas betriebenen Mining-Containern mit dem Lärm an einem Flughafen – eine Belästigung, die erst nach zahlreichen Beschwerden behördlich untersucht wurde.
Der „Whirlpool“-See als Hitzefalle
Nicht nur Lärm, auch die schiere Abwärme selbst kann zum ernsten Umweltproblem werden, wenn sie unkontrolliert in die Natur gelangt. Ein besonders drastisches Beispiel lieferte die Mining-Farm von Greenidge Generation am Seneca Lake im US-Bundesstaat New York.
Das Unternehmen, Teil der Atlas Holdings aus Greenwich, Connecticut in den USA, leitete täglich bis zu 500 Millionen Liter Kühlwasser aus dem See durch seine Mining-Rechner. Das Ergebnis: Anwohner:innen beschrieben das Wasser als „wie ein Whirlpool“, mit erlaubten Einleittemperaturen von bis zu 42 Grad Celsius im Sommer.
Energiehunger als Kern des Problems
Diese lokalen Konflikte sind letztlich Symptome eines globalen Problems: Der Energiehunger des Bitcoin-Netzwerks, das auf dem Proof-of-Work-Verfahren basiert, ist exorbitant. Der niederländische Ökonom Alex de Vries berechnete zeitweise, dass eine einzige Bitcoin-Transaktion so viel Strom verbrauchen kann wie ein durchschnittlicher US-Haushalt in über 40 Tagen.
Das wirft fundamentale Fragen zur Nachhaltigkeit auf, die auch durch Abwärmenutzung nicht verschwinden. Ist es eine sinnvolle Priorität, knappe Energieressourcen – selbst wenn sie erneuerbar sind – für das Schürfen von Kryptowährungen einzusetzen?
Kaveh Madani von der United Nations University mit Hauptsitz im japanischen Tokio argumentiert laut MIT Technology Review, dass Mining auch dann nicht nachhaltig sei. Der Grund: Es verbrauche selbst bei Nutzung „sauberer Energie“ wertvolle Ressourcen, die ansonsten für andere, grundlegendere gesellschaftliche Bedarfe wie die Versorgung von Haushalten oder der Industrie eingesetzt werden könnten.
Zudem bleiben technische und ökonomische Hürden. Wärme lässt sich nur über relativ kurze Distanzen effizient transportieren, was die großflächige Nutzung erschwert und laut de Vries eher eine Nischenanwendung bleibt. Die Wirtschaftlichkeit hängt zudem stark von volatilen Krypto- und Energiepreisen ab.
Heizkraftwerk der Zukunft? Lösungen im Praxistest
Trotz aller Bedenken wird weltweit an Konzepten gefeilt, die Abwärme nutzbar zu machen – über das Luxus-Spa hinaus. Die Vision: die Krypto-Farm als dezentrales (Heiz-)Kraftwerk.
Das österreichische Startup 21energy aus Innsbruck vermarktet „Bitcoin-Öfen“ für den Hausgebrauch. Diese Geräte sollen Räume heizen und gleichzeitig durch das Mining Einnahmen generieren – eine Rechnung mit vielen Variablen.
Deutlich größer denken Unternehmen wie Marathon Digital Holdings aus Fort Lauderdale im US-Bundesstaat Florida im Hinblick auf Fernwärme. In Finnland läuft ein Pilotprojekt zur Fernwärmeversorgung: Die Abwärme der Mining-Farm wird ins lokale Netz eingespeist und heizt Tausende Haushalte.
In Kanada ging Mintgreen eine Partnerschaft mit der Lonsdale Energy Corporation in Vancouver ein. Spezielle „Digital Boilers“ sollen dort ebenfalls die Mining-Hitze für das Fernwärmenetz nutzbar machen und zur Reduktion von Treibhausgasen beitragen.
Auch industrielle Anwendungen werden erprobt: Sazmining nutzt die Wärme zum Trocknen von Fisch in Norwegen, während Heatcore Projekte zur Heizung von Büros und Fischfarmen in China realisiert. Forschungsinstitute wie Rise in Schweden untersuchen weitere Optionen, etwa für Gewächshäuser oder die Trocknung von Biomasse.
Zwischen Albtraum und Hoffnung
Das Bild bleibt gespalten. Bitcoin-Mining kann zur lokalen Plage werden – durch Lärm und andere Umweltbelastungen. Gleichzeitig entstehen innovative Ansätze, die eines der Abfallprodukte – die Wärme – in eine Ressource verwandeln wollen.
Ob diese Heizkraftwerk-Visionen über Nischenanwendungen hinaus skalieren und die massiven ökologischen Fußabdrücke des Proof-of-Work-Minings signifikant kompensieren können, ist die große Zukunftsfrage. Gelingt der Spagat nicht, könnte der „Albtraum“ für viele Anwohner:innen und die Umwelt die „Zukunft“ überschatten.
Wenn man die Abwärme stets nutzen könnte, dann wäre das sicher in Ordnung, wenn auch nicht so effizient. Aber leider wird ein Großteil des Minings in Ländern betrieben, die vor allem billigen Kohlestrom (oder sonstigen fossilen Strom) bieten können. Russland und Kazachstan zum Beispiel.
Im Prinzip sind solche Anekdoten wie sonst verschwendetes Gas oder genutzte Abwärme nur Greenwashing, denn es ist insgesamt gesehen irrelevant.