Wahlprogramm im Digitalcheck: Was wollen CDU/CSU?
Das Wahlkampfprogramm der CDU hat die Partei selbstbewusst mit „Regierungsprogramm 2017 – 2021“ unterschrieben – und angesichts der aktuellen Umfragewerte ist es auch sehr wahrscheinlich, dass die Union auch wieder Teil der nächsten Bundesregierung sein wird. Das Programm gilt gleichzeitig auch als Wahlkampfprosgramm für die Bundestagswahl 2017 der bayerischen Schwesterpartei CSU, denn CDU und CSU bilden im Bundestag eine gemeinsame Fraktion.
Für CSU-Forderungen, die die CDU nicht mitträgt, haben die bayerischen Vertreter der Unionsfraktion einen eigenen „Bayernplan“ für die Bundestagswahl veröffentlicht. Zur Digitalpolitik findet sich dort aber wenig Eigenständiges. Unter anderem stellt die CSU im „Bayernplan“ nur fest, dass die Digitalisierung „hervorragende Chancen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ biete und fordert flexiblere Arbeitszeiten. Schulen und Hochschulen sollen mit digitalen Medien ausgestattet und ans schnelle Internet angeschlossen werden. Daher konzentrieren wir uns bei der Analyse der Unionsparteien voll auf das Wahlkampfprogramm der CDU.
CDU/CSU: Sechs Seiten zu „Chancen im digitalen Zeitalter“
Dem Kapital „Chancen im digitalen Zeitalter“ sind sechs Seiten im Wahlprogramm von CDU und CSU gewidmet. Die Union übt sich hier durchgehend in einer positiven Sicht auf digitale Innovationen: Viele Technologien seien zu Anfang umstritten gewesen – dann aber erfolgreich, sobald sie das „das Leben von Menschen verbessert und bereichert haben“, heißt es dort beispielsweise. CDU und Schwesterpartei CSU wollten, dass „digitaler Fortschritt und Innovation im Dienste der Menschen stehen.“ Die Digitalisierung sei mit immensen Chancen für Deutschland und seine Bürger verbunden.
Es wird auf die „Digitale Agenda“ der Bundesregierung verwiesen, die „bereits 2014“ beschlossen wurde. Über das „bereits“ lässt sich sicher streiten. Die Ziele von damals wie ein schneller Ausbau des Breitband-Ausbaus wurden nicht annähernd erreicht – etwas, dass sich CDU, CSU und SPD als Koalitionspartner gleichermaßen ankreiden lassen müssen.
Unter dem Stichwort „Digitalisierung ist Chefsache“ fordert die CDU nun die Position eines „Staatsministers für Digitalpolitik“ sowie eines Kabinettsausschusses „Digitalpolitik“, um die Koordination zwischen den Ministern zu verbessern. Derzeit fühlen sich verschiedene Minister für digitale Themen zuständig: Innenminister Thomas de Maizière (CDU) für das Thema Cyberkriminalität – ihm ist auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) unterstellt –, Justizminister Heiko Maas (SPD) für Themen wie Hatespeech im Netz, Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) unter anderem für Startups und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für den Netzausbau.
Die Forderung nach „schnellstmöglichem Transport von Daten durch modernste und sichere technische Infrastruktur“ bleibt auch 2017 Teil des Wahlprogramms der Union – die „Gigabit-Gesellschaft“ soll nach den Plänen der Parteien „in Stadt und Land, in Ost und West“ verfügbar sein. Bis 2025 soll der Ausbau „modernsten Glasfasernetze“ umgesetzt sein – über die Finanzierung und konkrete Umsetzung findet sich im Wahlprogramm allerdings nichts.
Auch der schnelle 5G-Mobilfunk soll nach den Plänen der CDU gefördert werden – wie genau, darüber schweigt sich das Programm allerdings ebenfalls aus. Für technisch versierte Leser findet sich auch eine Stilblüte in dem Programm: 5G, steht im Programm der Union, soll „Datenübertragung in Echtzeit“ ermöglichen, was schon physikalisch unmöglich ist – keine Information reist schneller als das Licht.
Wie auch die SPD und andere fordern die Unionsparteien ein digitales Bürgerportal, mit dessen Hilfe Bürger viele Amtsangelegenheiten erledigen können, ohne die Bürgerämter aufzusuchen. „Dadurch sollen praktisch alle Verwaltungsdienstleistungen deutschlandweit elektronisch verfügbar sein“, heißt es in dem Wahlprogramm.
Digitalisierung der Arbeit: Am Ende soll es mehr Arbeitsplätze in Deutschland geben
Autonome Autos, Digitalisierung der Produktion, Automatisierung, verbesserte künstliche Intelligenz – wo bleibt da der Faktor menschliche Arbeit? Hier nimmt die Union eine optimistische Haltung ein – frei nach dem kölschen Motto „Et hätt noch emmer joot jejange“, also „Es ist bisher noch immer gut gegangen“: „Am Ende des Transformationsprozesses soll es in Deutschland mehr Arbeitsplätze geben als heute“, schreibt die CDU – unter anderem durch die führende Stellung Deutschlands beim Thema Industrie 4.0. Wenn auch der Begriff aus Deutschland stammt, so kann die technische Führung in diesem Gebiet durchaus bezweifelt werden. So hat beispielsweise General Electric deutlich mehr und gezielter in Software rund um das Thema investiert als Siemens.
Das CDU-Programm spricht ausschließlich positiv über neue Technologie wie 3D-Druck, mit denen allerdings keine politischen Forderungen verknüpft werden. Auch Big Data ist Thema: „Durch die Digitalisierung fallen in großem Maßstab Daten an, deren Verarbeitung zu mehr Wertschöpfung beitragen kann“, heißt es – hieraus wird aber ebenfalls keine politische Forderung wie etwa die Aufweichung des strengen deutschen Datenschutz abgeleitet, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel schon einmal andeutete. Das autonome Fahren begrüßt die Union als technischen Fortschritt.
Eine der wenigen konkreten politischen Forderungen des CDU-Programms ist eine mögliche Anpassung des Kartellrechts – ohne hier jedoch Details zu nennen. Diese ist offensichtlich vor allem industriepolitisch motiviert, denn der Satz folgt auf die Aussage, dass die Union Internet-Plattformen außerhalb der USA und China fördern will. Mit anderen Worten: Offenbar erwägen CDU und CSU großen Plattform-Betreibern wie Facebook, Amazon oder Google über den Weg des Kartellrechts das Leben schwerer zu machen, um europäische Alternativen zu fördern. Weiterhin bekennt sich die Union zur flächendeckenden Postzustellung und zum Bargeld.
Fazit
Trotz des bevorstehenden Durchbruchs des autonomes Fahrens, der großen Fortschritte im Bereich künstlicher Intelligenz sowie weiterer Automatisierung in der Produktion rücken die Konservativen vom Ziel einer Vollbeschäftigung nicht ab. Vieles, was im Unions-Programm zu finden ist, könnte auch in der Digitalisierungs-Broschüre eines Unternehmensberaters stehen: „In der Landwirtschaft können durch satellitengestützte ‘Präzisionslandwirtschaft’ Millionen Tonnen Düngemittel eingespart und Umweltschäden vermieden werden“ steht dort beispielsweise. Schön – aber welche politische Maßnahme, welches konkrete Gesetz leitet sich daraus ab?
In weiten Teilen scheint das Programm die bisherige Digitalpolitik der Bundesregierung widerzuspiegeln: Über die Möglichkeiten der Digitalisierung wird gestaunt, teilweise werden sie bejubelt – aber es gibt wenig Ansätze, sie zu gestalten. Auffällig ist aber, dass die Unionsparteien klar mit einer insgesamt positiven Einstellung neuen Technologien gegenüber in den Bundestagswahlkampf 2017 ziehen. Über mögliche negative Auswirkungen von Technologien findet sich fast nichts im Programm – das Kapitel zur Digitalpolitik ist mit „Chancen im digitalen Zeitalter“ überschrieben, viele der Unterkapital tragen ebenfalls Chancen im Titel.
Im Wahlkampfprogramm finden sich viele Forderungen, die wohl einen breiten Konsens finden dürften – darunter der seit vielen Jahren formulierte Wunsch nach einem Breitbandausbau, dem bisher leider kaum Taten folgten. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) versprach 2013 das beste Netz der Welt – rund fünf Jahre später befindet sich Deutschland im Vergleich mit 28 europäischen Ländern auf dem vorletzten Platz.
Und um die entscheidenden Fragen drückt sich das Wahlprogramm: Wie genau soll der Breitbandausbau organisiert werden? Sehen CDU/CSU hier die Provider in der Pflicht, die staatliche Förderung beantragen können? Wenn ja, wie viel Geld soll dafür zur Verfügung stehen? Oder soll der Staat gleich die Investitionen tätigen? Wie soll mit der umstrittenen Vectoring-Technik umgegangen werden, die die Deutsche Telekom immer noch als auf Kupfer basierende Brückentechnologie zu Glasfaser sieht?
Viele aktuell netzpolitische heiß diskutierte Themen wie die Überwachung der Bürger per Staatstrojaner, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, die Fragen nach Hintertüren in Verschlüsselungs-Software für Ermittlungsbehörden oder die Konsequenzen auf dem Arbeitsmarkt durch autonomes Fahren und Automatisierung werden in dem Programm von CDU und CSU entweder gar nicht erwähnt oder nur gestreift – ohne klar politisch Position zu beziehen.
Im Programm der Unionsparteien findet sich damit viel Optimismus zu den Chancen der Digitalisierung aber wenig konkrete politische Positionen, die sich daraus ableiten. Insbesondere die Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsplätze könnten die Unionsparteien deutlich unterschätzen. Am konkretesten ist noch die Forderung nach der Einsetzung eines „Staatsministers für Digitalpolitik.“ Offen bleibt nach der Lektüre, für welche Politik sich dieser Staatsminister nach dem Willen von CDU und CSU einsetzen sollte.
Die Wahlprogramme der Parteien im Überblick:
Wahlprogramm im Digitalcheck: Was wollen CDU/CSU?
Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die SPD?
Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will DIE LINKE?
Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will das Bündnis 90/Die Grünen?
Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die FDP?
Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die AfD?
Danke für diesen Beitrag,
und die Mühe
aber ich möchte im Zusammenhang mit dem Abschnitt:
„5G, steht im Programm der Union, soll „Datenübertragung in Echtzeit“ ermöglichen, was schon physikalisch unmöglich ist – keine Information reist schneller als das Licht.“
darauf Hinweisen, dass Echtzeit in der Informatik, nichts mit Sofort oder ohne Zeitverlust zu tun hat.
Es bedeutet eher sowas wie: unter keinen Umständen langsamer als Zeitspanne X.
Bei entsprechend großem X geht das Notfalls auch per Post.
Danke für den Hinweis – berechtigte Anmerkung. Es gibt ja durchaus auch Begriffe wie Echtzeit-Betriebssysteme usw. Und tatsächlich ist die Latenz bei 5G ja auch niedriger als bei LTE.
Genau.
Man könnte hier noch ergänzen, das Echtzeitsysteme „ohne merkliche Verzögerung“ für den User ablaufen. Mithilfe von 5G können solche Systeme (theoretisch) realisiert werden.