Auf den Kopf gestellt: Wie der Mittelstand mit IoT seine Chance ergreifen muss
Es ist schon eine Weile her, dass der Mittelstand als Synonym für Innovation galt, einige Unternehmen waren beziehungsweise sind sogar Weltmarktführer – vor allem bei Hardware. Mittelständische Unternehmen sind grundsätzlich groß genug, um gut organisiert zu sein und Risiko-Budgets für digitale Innovationsprojekte zur Verfügung zu stellen – ein Vorteil gegenüber Startups. Gleichzeitig sind sie auch klein genug, um schnell und agil zu bleiben und zu experimentieren – ein Vorteil gegenüber Konzernen. Das perfekte Handwerkszeug also, um Innovationstreiber zu sein. Zudem haben sie auch genug Verständnis vom Markt und dessen Zugängen, scheinen aber diese Wettbewerbsvorteile im Kontext der digitalen Innovation nicht zu nutzen. Deshalb hier fünf Tipps, wie der ambitionierte Mittelstandschef im digitalen Zeitalter mithalten kann.
1. Unternehmerisches Mindset entwickeln
Jedes mittelständische Unternehmen hat als Startup angefangen, war schnell und innovativ. Auch Mittelständler haben hochinnovativ gearbeitet und waren sehr erfolgreich. Doch wird das auch in der digitalen Welt gelebt? Es scheint, dass der Mittelstand die digitale Innovation nicht verstanden hat. Es fehlt die Experimentierfreudigkeit, die jeder Mittelständler am Anfang seiner Unternehmensgeschichte gelebt hat. Die Digitalisierung sollte nicht als Problem, sondern als Chance verstanden werden. Anstatt sich zurückzuziehen und Startups das Feld zu überlassen, sollte der Mittelstand wieder in die Offensive gehen. Er muss schnell agieren, denn anders als im Hardware-Geschäft sind softwaregetriebene Innovationen exponentiell skalierbar.
Tipp: Das Einrichten von digitalen Experimentierfeldern ist die ideale Möglichkeit für Mittelständler, sich auszuprobieren. Zudem sollte dem digitalen Experimentieren in speziellen unternehmerischen Einheiten Raum gegeben werden. Diese Teams helfen dabei, Arbeits- und Innovationszyklen zu optimieren und eine gesunde Fehlerkultur zu etablieren.
2. Verständnis für Business-Paradigmen im digitalen Kontext entwickeln
Auch das Auftreten neuer digitaler Geschäftsmodelle war für den Mittelstand noch neu. Auf einmal gab es die klassischen Business-Paradigmen nicht mehr. Allein die Sharing-Economy hat in den vergangenen Jahren viele neue Geschäftsmodelle hervorgebracht und nebenbei den Markt der Autobauer auf den Kopf gestellt. Startups arbeiten oft mit neuartigen Konzepten. Dazu gehört ein Fokus auf Plattformen und dem radikal veränderten Nutzungsverhalten durch neue digitale User-Interfaces oder neue Monetarisierungswege wie etwa durch Abonnements. Unternehmen sind dazu angehalten, ganz anders auf die Nutzer einzugehen, um sie zu werben.
Tipp: Mittelständler müssen sich neuen Vertriebs- aber auch Business- und Preismodellen öffnen. Im Zuge dessen sollte auch das eigene Geschäftsmodell in einem Business-Modell-Experiment infrage gestellt und etwa Subscription-Businesses ausprobiert werden. Unternehmen sollten sich nicht scheuen, auch „am offenen Herzen“ am eigenen Business Modell zu experimentieren und zu prüfen, ob sich neue Preismodelle lohnen könnten oder die Digitalisierung neue Kundenbeziehungen und somit Features und Produkte mit sich bringt.
3. Daten als Ressource und IoT als große Chance verstehen
Das Internet of Things (IoT), also Dinge miteinander zu vernetzen und das Sammeln von Daten, bietet für Unternehmen neue wertvolle Möglichkeiten. Denn mit datengetriebenen oder kundenzentrischen Geschäftsmodellen kann die Innovationskraft eines Unternehmens gestärkt werden. Werden Produkte und Services komplett am Kunden ausgerichtet und Hardware digitalisiert, können aus den Daten Ideen für weitere oder neue Kundenservices gewonnen werden. Der Mittelstand muss sich zukünftig operativ mit dem Potenzial datenbasierter Geschäftsmodelle beschäftigen und entsprechende Experten an Bord holen. Vor allem die Bereiche Smarthome und Smart Factory verzeichnen derzeit großes Wachstum und bergen für mittelständische Unternehmen viel Potenzial.
Tipp: An IoT führt für den Mittelstand kein Weg vorbei! Jeder Hersteller eines Produktes beziehungsweise einer Hardware muss prüfen, worin der vorgelagerte, nachgelagerte oder parallele digitale Mehrwert liegt und im nächsten Schritt schauen, ob er es selbst produzieren kann.
4. Sich dem Ökosystem öffnen und von Startups und Städten inspirieren lassen
Für viele Mittelständler wirkt die Startup-Welt oftmals schwer verständlich. Denn Startups und mittelständische Unternehmen arbeiten völlig unterschiedlich. Wo der Mittelstand noch risikoscheu agiert, in puncto Innovation inkrementell vorgeht und selten über neue und digitale Innovationsprozesse spricht, setzen Startups häufig auf disruptive Innovation und agile Arbeitsprozesse. Auch ihr Mut zum Scheitern liegt verankert in ihrer DNA. Ein weiterer Punkt: Städte wie Berlin, Paris, Tel Aviv und New York City haben sich als Startup-Hochburgen etabliert und haben gewaltige Märkte erschlossen – neues Potenzial für den Mittelstand!
Tipp: Sich von Startup-Prozessen inspirieren lassen! Entweder durch Kollaborationsprojekte mit eben jenen Startups, aber auch mit anderen Mittelständlern, um Geschwindigkeit in die eigenen Geschäftsprozesse zu bringen. Neugier, gegenseitiges Verständnis und eine offene, transparente Kommunikation sind der Schlüssel für eine fruchtbare Zusammenarbeit.
5. Eigene digitale Innovations-DNA entwickeln
Mittelständler arbeiten nicht wie Startups, aber auch nicht wie Großkonzerne. Sie müssen entsprechend ihrer Historie und Kultur eine eigene digitale Innovations-DNA entwickeln und dabei zwischen Hardware- und Software-Innovation unterscheiden. Die Digitalisierung von Prozessschritten und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sind zwei verschiedene Herangehensweisen und müssen dementsprechend auch separat voneinander betrachtet werden. Indem mittelständische Unternehmen weiter ihren Fokus auf ihr Hauptgeschäft setzen, diesem aber dennoch gewisse Spielräume gestatten, bleiben sie sich selbst treu. Jedes Unternehmen sollte für sich festlegen, welche Industrien und Märkte es einnehmen will und sich dort als potenzieller Software- beziehungsweise IoT-Innovator verstehen – mit Fokus auf ihrem Kerngeschäft (Silos aufbrechen, nicht komplett verlassen).
Tipp: Eine eigene digitale Innovationsorganisation aufzubauen, die nicht den internen Standardprozessen unterlegen ist, sondern Möglichkeiten für mehr Freiraum lässt – anders denken als die letzten 50 Jahre! Hier sollten junge und ältere, interne und externe Mitarbeiter zusammengebracht werden, die vom gegenseitigen Austausch profitieren können. Auch der digitale Wissensstand muss dabei nicht zwangsläufig auf einem Level sein. Empfohlen wird hier auch eine pluralistische Herangehensweise, also nicht nur ein großes Projekt, sondern mehrere kleine.
Fazit: Mittelständler sind die perfekten Innovatoren
Es wird oft gepredigt, dass mittelständische Unternehmen zu Startups werden sollen. Darin liegt der Gesamtfehler! Sie müssen weiter das tun, worin sie gut sind. Sie können auf eine solide Organisation zurückgreifen und können aufgrund ihrer kleinen Unternehmensstruktur schnell und flexibel bleiben. Der Mittelstand ist sich bewusst, dass er innovativ sein muss, weiß aber oft nicht, wie und wo er ansetzen soll. Denn bei Innovationen geht es nicht nur um Technologie – in erster Linie spielt die Unternehmenskultur und der Organisationsaufbau eine entscheidende Rolle. Oftmals agiert der Mittelstand wie großer Tanker, ist schwerfällig, unflexibel und langsam. Aber neben dem großen Tanker, der nur schwer vom Kurs abweicht, muss er in Schnellboote investieren, die die Innovation beschleunigen. Indem der Mittelstand mit Startups zusammenarbeitet, kann er seinen Tanker auf einen neuen Kurs bringen.