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Wie der Chipmangel entstanden ist – und wie er überwunden werden kann

Die Erholung der Wirtschaft im zweiten Jahr der Corona-Pandemie hätte viel überzeugender ausfallen können, wenn die in vielen Branchen dringend benötigten Halbleiter nicht so knapp gewesen wären. Für 2022 ist noch keine grundsätzliche Erholung in Sicht.

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Volle Bänder wird es auch 2022 wegen des weltweiten Chipmangels nicht so häufig geben. (Foto: Jenson/Shutterstock)

Fehlende Mikroprozessoren haben in diesem Jahr nicht nur der Automobilindustrie heftig zugesetzt. Das Beratungsunternehmen Goldman Sachs identifizierte 169 Branchen, die in diesem Jahr unter dem ständigen Chipmangel zu leiden hatten. Darunter sind auch die Hersteller von Smartphones, Computern, WLAN-Routern und medizinischen Geräten. Und für 2022 erwarten Experten noch keine echte Trendwende. Etliche Probleme, die zur globalen Chipkrise maßgeblich beigetragen haben, bestehen nämlich noch immer.

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Um die künftige Situation besser einschätzen zu können, lohnt ein Blick zurück: Anfang 2020 sah die Welt noch rosig aus. Die Halbleiterindustrie hatte gerade einen langanhaltenden Abschwung überwunden und stand kurz vor einem kräftigen Konjunkturaufschwung. Doch dann tauchte Covid-19 auf und insbesondere die Automobilbranche fürchtete eine schwächere Nachfrage. Tatsächlich brachen die Fahrzeug-Verkäufe im Frühjahr 2020 kurz ein. Fast panikartig stornierten die Chef-Einkäufer der Automobilkonzerne ihre Aufträge an große Chiphersteller wie TSMC in Taiwan. Das sollte sich allerdings als folgenschwere Fehleinschätzung erweisen.

„Plötzlich stieg die Nachfrage nach Autos nämlich wieder stark an“, sagt Kota Yuzawa, Automobil-Analyst bei Goldman Sachs. Die stornierten Fertigungskapazitäten in der Chipindustrie standen den Auto-Konzernen aber nicht mehr zur Verfügung. Sie waren inzwischen längst an die Hersteller von Unterhaltungselektronik weitergereicht worden. „Wir haben in dieser Zeit von zu Hause gearbeitet, von zu Hause aus Sport gemacht, von zu Hause aus Schule gehabt und uns zu Hause unterhalten“, sagt Branchenexpertin Julia Hess von der Berliner Stiftung Neue Verantwortung. Das habe zu einer erhöhten Nachfrage nach Smartphones, Tablets, Laptops und Spielekonsolen geführt. Damit waren die globalen Chip-Vorräte schnell aufgebraucht.

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Infrastruktur der Halbleiter-Fabriken beschädigt

Verschärft wurde die Lage durch eine Kette unglücklicher Ereignisse, die vielleicht nur Klima-Aktivisten vorhergesehen hatten. Im Februar 2021 mussten Chiphersteller wie Samsung, NXP und Infineon den Betrieb in Austin, Texas, stoppen. Nach heftigen Schneestürmen war die Stromversorgung ausgefallen, die Halbleiter-Fabriken, die sogenannten Fabs, konnten nicht mehr kontrolliert runtergefahren werden. Dadurch wurden nicht nur die Produktionsanlagen beschädigt, sondern auch Komponenten der Infrastruktur der Werke.

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Auch in Japan kam es zu Ausfällen – hier durch Naturkatastrophen und Brände in Chipfabriken. So wurde eine Fertigungsanlage des Chip-Herstellers Renesas Electronics im März 2021 bei einem Großfeuer beschädigt, wodurch sich die Knappheit von Mikrocontrollern verschärfte. Als wäre das noch nicht genug, trug auch die große Politik zum globalen Chipmangel bei. Der damalige US-Präsident Donald Trump hatte sich vorgenommen, den globalen Einfluss von chinesischen Hightech-Konzernen wie Huawei zu begrenzen und verhängte unter anderen Sanktionen im Bereich der Chiptechnologie. Daraufhin kauften chinesische Unternehmen im großen Stil noch verfügbare Chips und Herstellungsanlagen ein.

Eine einfache Lösung ist nicht in Sicht, zumal es in verschiedenen betroffenen Branchen unterschiedliche Engpässe gibt. Der Automobilindustrie fehlen die Chips, weil die Herstellung der Halbleiter in den Fabs den Bedarf nicht decken kann und sich so als Nadelöhr erweist. Bei Spielekonsolen wie der Playstation 5 von Sony, die zum Weihnachtsgeschäft kaum zu haben war, wurde die Knappheit hingegen nicht durch Engpässe in den Fabs verursacht. Hier fehlte es vor allem an einer speziellen Isolierfolie, die für die Produktion von Trägerplatten für die bereits gefertigten Chips benötigt wird.

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Für den Grundstoff der so genannten ABF-Folie gibt es aber weltweit nur einen Hersteller, den japanischen Konzern Ajinomoto, der einem breiteren Publikum eher als Produzent des Geschmacksverstärkers Glutamat bekannt ist. Ajinomoto hatte an ABF aber bislang kaum etwas verdient und deshalb wenig Interesse, diesen Bereich aufzustocken. „Für die Chiphersteller ist das sehr frustrierend. Der Silizium-Wafer ist belichtet und eigentlich fertig. Und dann fehlt es mit ABF an einem vergleichsweise billigen Material, um den letzten Produktionsschritt zu absolvieren“, sagt Jan-Peter Kleinhans, der zusammen mit Julia Hess für die Stiftung Neue Verantwortung eine Studie zu den Ursachen der Chipkrise veröffentlicht hat. „Dieses Problem wird auch nicht durch mehr Fabs gelöst.“

Auf Druck der Kunden baut Ajinomoto nun seine ABF-Produktion aus. Und auch die großen Chiphersteller wie Intel und Infineon schrauben ihre Fertigungskapazitäten in die Höhe, damit die Knappheit im nächsten Jahr gemildert und im Jahr 2023 komplett überwunden wird. Doch selbst mit Milliarden-Investitionen kann man nicht an der Uhr drehen. „Der Ausbau unserer bestehenden Fabs in Irland dauert zwischen 18 und 24 Monaten“, sagt die Deutschland-Chefin von Intel, Christin Eisenschmid. Beim Neubau einer Anlage müsse man sogar mit vier Jahren rechnen. „So eine Fabrik ist hochkomplex, erfordert ein gewaltiges Investitionsvolumen, damit die neuste Ausrüstung angeschafft werden kann.“

Lieferketten werden transparenter

Aber nicht nur die Beteiligten an der Produktion der Halbleiter erledigen ihre Hausaufgaben, sondern auch die Abnehmer – beispielsweise in der Automobilindustrie: In dem europaweiten Partnernetzwerk Catena-X wollen beispielsweise die wichtigsten Player, von BMW und Bosch über Mercedes-Benz bis hin zu Volkswagen, ihre Lieferketten transparenter machen. Damit sollen auch die Chiphersteller besser kalkulieren können, ob nur kurzfristig ein Nachfrage-Strohfeuer lodert oder ob sich ein Ausbau in bestimmten Segmenten langfristig lohnt.

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Bei der Bewältigung der Chipkrise rechnen alle Beteiligten aber auch damit, dass sich der Staat aktiv beteiligt. „Wir sind bereit, ein Investment in Höhe von mehreren Milliarden Euro zu tätigen“, sagt Intel-Managerin Eisenschmid. „Wir schaffen es aber nicht allein.“ In anderen Regionen der Welt werde die Chip-Herstellung massiv subventioniert. „Das ist auch der Grund, warum sich die Fertigung von Europa nach Asien verschoben hat.“ Aktuell stammten rund neun Prozent der globalen Halbleiter-Fertigung aus Europa. „Das waren in den 90er Jahren noch 44 Prozent.“ dpa

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