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Interview

„Wir haben circa fünf Fälle pro Tag, die sich mit Suizid beschäftigen“

„Was darf ein Gerichtsvollzieher tun?“ Auf Fragen wie diese vermittelt Gutefrage.net hilfreiche Antworten. Doch manche fordern das Community-Management auch heraus.

6 Min.
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Sven Winter, Community-Manager bei Gutefrage.net (Foto: Privat)

Community-Manager einer User-Generated-Content-Plattform zu sein bedeutet auch, auf alles vorbereitet zu sein. Sven Winter ist so jemand. Er ist Leiter des Moderationsteams bei Gutefrage.net und täglich neben normalen Kommentaren auch mit Scherzfragen, illegalen Inhalten, aber auch Suizidankündigungen konfrontiert. In diesem Interview gibt er einen Einblick, was das für seine Plattform bedeutet und wie mit derartigen Postings umgegangen wird.

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Außerdem erklärt er seine Sicht auf Facebook, deren Umgang mit Hasskommentaren und Fake-News und ob Politiker das soziale Netzwerk auch gesetzlich in die Pflicht nehmen sollten, wenn es beispielsweise um die Löschung expliziter Inhalte geht.

Community-Manager bei Gutefrage.net zu sein bedeutet auch, auf alles vorbereitet zu sein

t3n.de: Sven, der Nutzer Reitaa hatte kürzlich erst eine dringende Frage gestellt – und zwar: „Wird mein Laptop schwerer, wenn ich mehr Dateien herunterlade?“. Was hättest du da am liebsten geantwortet?

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Sven Winter: Natürlich würde ich zunächst schmunzeln. Aber dann würde ich mich fragen: Ist der Nutzer aufrichtig neugierig oder meint er die Frage nicht ernst? Wenn ich zu der Erkenntnis komme, dass der Nutzer einen Spaß macht, würde ich nicht antworten. Wenn ich überzeugt bin, dass der Nutzer wirklich nach einer Antwort sucht, würde ich ihm wohl antworten, wie es RECA7730G gemacht hat: „Eine leere Festplatte ist ,leer‘, wenn sie komplett mit der Zahl ,0‘ beschrieben ist. Die Informationen im Binärsystem bestehen aus der Anordnung von ,0‘ und ,1‘. Eine ,0‘ hat, als Information gesehen, genauso viel ,Gewicht‘ wie eine ,1‘.“

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t3n.de: Ok, und wie kommt man zu der Erkenntnis, ob es ernst gemeint ist oder nicht?

Sven Winter: Wir können uns natürlich nicht immer hundertprozentig sicher sein, aber als Community-Manager haben wir da gewisse Indizien: Wie ist die Tonalität der Frage? Benutzt der Fragende zweideutige Keywords? Stellt er häufiger spaßige Fragen oder sind sie eher seriös? In diesem Fall hat der Nutzer beispielsweise im Vorfeld einige ernst gemeinte Fragen zu Computerspielen, einem Jugendkonto und zur Schule an sich gestellt. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er also noch sehr jung und weiß die Antwort auf die Frage tatsächlich nicht. Das Beantworten der Frage überlassen wir Community-Manager aber grundsätzlich unserer Community.

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Community-Manager bei Gutefrage.net zu sein, bedeutet auch, auf alles vorbereitet zu sein. (Foto: Shutterstock)

t3n.de: Du bist in deinem Beruf also vorwiegend Beobachter und gar kein aktiver Kommentator, der bei Fragen unterstützend zur Seite steht?

Sven Winter: Also ich persönlich bin für die Betreuung unserer Moderatoren und ehrenamtlichen Helfer, den sogenannten User-Moderatoren, zuständig. Aktuell beschäftigen wir übrigens 20 Moderatoren und 72 User-Moderatoren. Ich unterstütze insofern, dass ich beispielsweise unserem Moderatoren-Team zur Seite stehe, wenn es um die Frage geht, ob Inhalte mit unseren Richtlinien konform sind oder nicht. Aktiv kommentiere ich Fragen nur in speziellen Fällen. Wenn beispielsweise Nutzer überlegen, einen Suizid zu verüben, dann gebe ich ihnen Hinweise zu Anlaufstellen, an denen sie Hilfe bekommen.

t3n.de: Passiert das häufig? Dass Nutzer einen Suizid ankündigen?

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Sven Winter: Wir haben circa fünf Fälle pro Tag, die sich mit dem Thema Suizid beschäftigen. Man muss hier natürlich differenzieren, was die Absicht des Nutzers ist. Sucht er Hilfe? Sucht er ein offenes Ohr? Oder ist eine tatsächliche, akute Suizidabsicht vorhanden? Die Mehrheit der Fragesteller sucht den Austausch mit der Community. Gerade bei solchen Fällen unterstützen wir gerne mit Tipps und regionalen Hinweisen, wie sie in ihrer aktuellen Situation Hilfe bekommen. Mit der „Nummer gegen Kummer“ haben wir zudem einen Partner gewinnen können, der proaktiv mit suizidgefährdeten Nutzern in Kontakt tritt.

t3n.de: Wie läuft das eigentlich mit Fragen, die offensichtlich kriminelle Delikte thematisieren? Es gab doch beispielsweise einmal diesen Typen, der wissen wollte, ob er die Polizei anrufen soll, weil er gestrecktes Koks bekam. Meldet ihr diese Nutzer?

Sven Winter: Wir als Community-Management von Gutefrage.net können nicht jede Frage auf illegale Handlungen überprüfen. Das ist bei knapp 50.000 Inhalten pro Tag schlicht nicht möglich. Zum einen helfen uns natürlich unsere Moderatoren beim Sichten kritischer Inhalte, zum anderen setzen wir außerdem auf die Mitglieder der Community, die sämtliche Arten von Content melden können und sich damit teilweise selbst regulieren. Viele Nutzer zeigen Straftaten auch direkt bei der Polizei an, welche dann später auf uns zukommt.

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t3n.de: Löscht ihr die Inhalte auch, wenn sie illegal sind?

„Wir haben circa fünf Fälle pro Tag, die sich mit Suizid beschäftigen“

Sven Winter: Gemeldete illegale Inhalte werden gelöscht, ja. Für unsere Moderatoren und ehrenamtlichen Helfer sind wir zudem 24/7 erreichbar. Wird beispielsweise ein Terroranschlag oder ähnliches angekündigt, so sind wir binnen Minuten informiert, können zeitnah reagieren und Fälle an die Polizei weitergeben. Dieser Mechanismus greift aber nur bei Gefahr im Verzug. Bei Fragen zu gestrecktem Koks würde die Alarmglocke also nicht klingeln.

t3n.de: Wie ernst zu nehmen sind derartige Fragen denn wirklich? Kommt es nicht häufiger vor, dass Nutzer das Portal für deren Spaß zweckentfremden?

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Sven Winter: Wir löschen derzeit pro Tag im Schnitt circa acht Prozent unserer eingehenden Fragen. Darunter befinden sich natürlich allgemeine Richtlinienverstöße, aber auch Hassbeiträge, Spam und so weiter. Troll- und Spaßfragen bilden dabei nur einen geringen Teil der Gesamtlöschungen.

t3n.de: Welcher Nutzertyp tummelt sich auf Gutefrage.net? Gibt es da herausragende und typische Nutzergruppen?

Sven Winter: Das Ding ist, dass wir im Grunde alle Altersschichten bei uns haben und auch Fragen zu nahezu allen Themenbereichen. Von Auto über Technik bis hin zu Liebe, Sport und Musik, Erziehung, Politik und so weiter. Nach Themen und Alter allein können wir also nicht gut differenzieren. Das geht eigentlich am besten über die Motivation der Nutzer, die aktiv sind.

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t3n.de: Das klingt interessant. Welche Motivationen sind das?

Sven Winter: Die größten Gruppen sind die Altruisten, die schlicht und ergreifend ihren Mitmenschen helfen wollen. Dann kommen die Wissenssucher, die schnell Antworten auf ihre Fragen suchen, sowie Menschen, die gerne Wissen weitergeben. Als vierte Gruppe kann man die Socializer hervorheben, die Menschen mit ähnlichen Interessen auf unserer Plattform gefunden haben und die Freunde geworden sind. Sie schauen hauptsächlich zum Austausch mit ihren Freunden täglich bei uns vorbei.

t3n.de: Als leitender Community-Manager einer User-Generated-Content-Plattform verfolgst du sicher auch die Debatte um Facebook und wie weit das Unternehmen eine Verantwortung trägt beziehungsweise tragen soll für die Nutzerinhalte, die auf der Plattform kursieren. Wie blickst du auf die Causa?

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Sven Winter: Zuerst einmal: Nutzer können sich an fast jedem Ort im Netz äußern – und das ist gut so. Es ist schlechthin einer der Grundpfeiler des Internets, dass Menschen in der Medienwelt nicht länger nur Empfänger, sondern auch Sender sind. Leider sind darunter auch Inhalte, die jeglicher Rechtsgrundlage entbehren, wie Beleidigungen oder üble Nachrede.

Wichtig hierbei sind klare Regeln und eine verantwortungsvolle Moderation im Netz. Die Basis dafür bilden neben einer einfachen Netiquette auch Gesetze. Sie stellen ganz klar die Rahmenbedingungen dar, welche Inhalte auf einer Seite verbreitet werden dürfen. Genau hier liegt auch die Verantwortung, der sich Plattformbetreiber auch stellen müssen. Das gilt auch für soziale Netzwerke wie Facebook.

t3n.de: Ist es ratsam, Facebook in die gesetzliche Pflicht zu nehmen, dass sie Beleidigungen, Hassbotschaften, illegale Nachrichten und so weiter anstandslos löschen?

Sven Winter: Es ist zumindest absolut sinnvoll, dass sich Politik und Verbraucherschutz mit Community-Managern und Anwendern unterschiedlicher Plattformen zusammensetzen und gemeinsam Strategien erarbeiten gegen Inhalte wie Hasskommentare oder Fake News. Die Besonderheiten der unterschiedlichen Plattformen, welche ein mögliches Gesetz betreffen würde, müssen jedoch dabei auch beachtet und klar herausgestellt werden.

t3n.de: Was heißt das genau für Facebook?

Sven Winter: Meiner Meinung nach fordert der Bundesjustizministerium verfasste Referentenentwurf nicht von ungefähr härtere Regulierungen für soziale Netzwerke. Eine verantwortungsvollere Moderation ist bei Facebook ist zwingend notwendig. Über den Entwurf selbst muss letztendlich aber auch diskutiert werden können.

Skurrile Fragen rund um IT & Tech auf Gutefrage.net
Skurrile Fragen rund um IT & Tech auf Gutefrage.net. (Screenshot: t3n.de)

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Übrigens, auch dieser Beitrag könnte dich interessieren: Was tun, wenn sich in Kommentarspalten der blanke Hass entlädt? Wenn Leser ihre Weltanschauung mit der Keule verteidigen? Zwei Community-Manager von Spiegel Online und dem Tagesspiegel erzählen aus ihrem Alltag. Lies auch: Community-Management in Online-Medien – Wenn Hass und Wut zum Alltag werden

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Dein t3n-Team

lola

Erinnert mich eher an „jungesmädchensuchtaltensack.com“. Bei vielen der Fragen denkt man eher als gezielte Provokation einer Antwort. Ich sehe einen Anfangsverdacht……..

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