Wieso können Mäuse Gefahren, die von weit oberhalb ihres Sichtfeldes kommen, so gut erahnen? Das fragte sich ein Forschungsteam der Northwestern-Universität im US-Bundesstaat Illinois. Um zu untersuchen, wie die Neuronen im Mäusehirn neue Erinnerungen bilden, baute das Team eine recht große Virtual-Reality-Brille für Mäuse.
VR-Ansatz erweist sich bisherigen Methoden als überlegen
Bei dem Gerät mit dem Namen „Miniature Rodent Stereo Illumination VR“ (iMRSIV) handelt es sich im Wesentlichen um ein verkleinertes Paar hochauflösender OLED-Bildschirme. Die füllen das gesamte 180-Grad-Sichtfeld der Mäuse aus. Ein winziges Laufband dient der Bewegungssimulation.
Dabei müssen die Mäuse die Brille nicht selbst tragen. Das wäre wegen des relativ hohen Gewichts schwierig. Stattdessen ist die Brille feststehend und umgibt den größten Teil der Maus.
Das Ziel der Forscher:innen war es, die Mäuse möglichst realistisch in die virtuelle Welt eintauchen zu lassen. Bisherige Methoden arbeiteten mit konventionellen Bildschirmen, was sich als wenig erkenntnisstiftend erwiesen hatte.
„Wir glauben, dass sie dadurch weniger in die virtuelle Welt eintauchen können“, sagt Studienautor Daniel Dombeck dem Guardian. Die Arbeit seines Teams wurde zwischenzeitlich in der Zeitschrift Neuron veröffentlicht. Ergänzend erläutert er: „Außerdem liefern große Bildschirme keine Tiefeninformationen; die Mäuse sehen nur die gleiche flache Szene wie wir, wenn wir fernsehen.“
Feststehende VR-Brille umgibt die Maus
Die neue Lösung sei vergleichbar mit dem Einsatz einer VR-Brille wie Oculus Rift bei uns Menschen. So sähen die Mäuse „nichts anderes als die projizierte Szene, und in jedes Auge wird eine andere Szene projiziert, um Tiefeninformationen zu erzeugen. Das hat bei Mäusen gefehlt.“
So soll es den Wissenschaftler:innen gelingen, die Gehirnaktivität der Nager in Echtzeit aufzuzeichnen, während die Tiere mit externen Reizen beschäftigt sind. Genau das sei in der Vergangenheit schwierig gewesen.
VR-Ansatz nicht perfekt
Allerdings sei selbst dieser innovative Ansatz nicht perfekt. Denn immerhin müsse man „die Mäuse erst einmal dazu bringen, auf die Bildschirme zu achten und das Labor um sie herum zu ignorieren“, so Dombeck.
Die bisherigen Versuche erwiesen sich dennoch als erfolgreich. So stellte das Forschungsteam fest, dass bei den Mäusen, die in die VR eingetaucht waren, dieselben Teile ihres Gehirns aktiviert waren wie bei den frei umherlaufenden Mäusen.
Mit der VR-Brille konnte das Team eine Bedrohung von oben simulieren, etwa durch eine Eule oder einen Habicht. „Der obere Teil des Sichtfelds einer Maus ist sehr empfindlich, um Raubtiere von oben, wie einen Vogel, zu erkennen“, erläutert Mitautor Dom Pinke.
Mäuse reagieren auf VR-Bedrohung
So hätten die Mäuse als Reaktion auf die wahrgenommene Bedrohung entweder ihr Tempo deutlich erhöht oder seien in Starre gefallen. Dabei handele es sich nicht um ein erlerntes, sondern um ein eingeprägtes Verhalten, das im Gehirn der Mäuse verdrahtet ist, so Pinke weiter.
Studienleiter Dombeck sieht viel Potenzial für andere Labore in der neuen Technologie. „Wir arbeiten noch an Verbesserungen, aber unsere Brillen sind klein, relativ billig und auch ziemlich benutzerfreundlich“, meint er. „Das könnte die VR-Technologie für andere Labore zugänglicher machen.“