Deutsche Bahn wagt sich ins Social Web – ob das wohl gut geht?

Deutsche Bahn und Social Media? Da war doch was…
Neu ist der Plan also nicht, denn bereits im Oktober letzten Jahres wurde der Auftrag vergeben. Nur kommuniziert wurde eben bisher nichts. Gut, das kann Vor- oder Nachteil sein. Die Strategie jedenfalls ist schnell erläutert: „Ziel ist, die Bahn über das Social Web näher an die Kunden heran zu bringen. Wir wollen sowohl im stationären als auch im mobilen Web Services anbieten, die bei konkreten Fragestellungen und Problemen bei der Reiseplanung oder unterwegs helfen“, erläutert Stefan Spiegel, Leiter Travel und Touristik bei Ray Sono.
Dennoch könnte das Projekt ein heikles Unterfangen werden. Und das nicht wegen der fehlenden Kompetenz der Beauftragten. Nein, sowohl Ray Sono als auch Mirko Lange und Björn Ognibono verstehen ihr Handwerk, kennen die Tricks und Kniffe der PR-Arbeit und Online-Kommunikation. Selbst wenn die Bahn erneut ihren Social-Media-Fokus auf offensives B2C setzen wird, ist ein PR-Gau à la „Chef-Ticket“ nicht zwingend vorprogrammiert. Andererseits…
Wir erinnern uns: Im letzten Herbst lancierte die Deutsche Bahn eine Social-Media-Kampagne, die via Facebook ein Spezial-Ticket an den Kunden bringen wollte, das sogenannte „Chef-Ticket„. Die neuen Social-Web-Aktivitäten sollen ein anderes Gesicht haben. Deshalb erläutert Experte Lange auch, dass die Deutsche Bahn sich immer wieder bewusst machen müsse, dass sie sich der möglichen Kritik im Social Web stellen und im offenen Dialog Lösungen finden müsse. Offener Dialog ist also das Keyword – und zweifellos ein ebenso geflügeltes Buzzword, das auch bis in die obersten Etage der Berliner Zentrale dringen muss. Und ebenso wichtig wird die langfristige Kanalsteuerung der Social-Media-Plattformen, die nur nachhaltig sein kann. Schnellschüsse beweise sich nicht erst seit gestern als untauglich, schaden auf lange Sicht mehr als sie helfen.
Das Chef-Ticket der Bahn, als Social Media-Kampagne rein auf den Abverkauf ausgelegt, sorgte schnell auch für viel Kritik. Ohne die PR der klassischen Medien wäre der „Erfolg“ wohl nicht so groß gewesen.
Deutsche Bahn: Wir bitten um Ihr Verständnis!
„Die Aufgabe ist, nicht nur zuzuhören, sondern auch auf die Kunden zu hören, also nach innen zu arbeiten, damit das Gesamtangebot der Bahn weiter im Sinne der Kunden optimiert wird“, so Lange weiter. Der ist als Geschäftsführer von talkabout communications mit den sogenannten „Influencer Relations“ betraut worden, also mit der Kommunikation und Dialogführung auf externen und nicht Bahn-geführten Plattformen. Auch dort müsse gegenseitiges Verstehen ermöglicht und der Umgang mit konstruktiver Kritik erlernt werden. Puh, das klingt schon sehr nach einem Kampf gegen Windmühlen. Die Profis scheinen sich der Herausforderung also mehr als bewußt, die eine PR-Kampagne der Deutschen Bahn bedeutet.
„Wir möchten über soziale Netzwerke zukünftig stärker in den Dialog mit unseren Kunden gehen“ sagt Mathias Hüske, Leiter Online- und Agenturvertrieb bei der DB Vertrieb GmbH. Das langfristige Ziel der Strategie sei deshalb, über das Social Web schnelle und interaktive Kanäle zu schaffen, die den Kunden durch Informationen, Aktionen sowie Services und Support einen Mehrwert bieten, so Ray Sonos Stefan Spiegel ergänzend. Schnell plus interaktiv gleich Facebook, oder? Zumal sich dort wohl auch die meisten Kunden der Bahn tummeln dürften. Noch ließt sich das dortige Selbstverständnis so: „In erster Linie sollte diese Seite den Zugang zum preiswerten Chef-Ticket ermöglichen und als Servicekanal für Fragen rund um Buchung, Konditionen und Reise dienen – das haben wir geschafft.“ Über 60.000 Fans bekommen das bis heute einleitend zu lesen.

Statt Schnellzug ICE heißt es bisher nachhaltiger Regionalverkehr. Die Kommunikation bummelt nämlich noch etwas vor sich hin. (Foto: mattbuck4950 / flickr.com, Lizenz: CC-BY-SA)
Endstation: Sinnvoller Service statt schneller Abverkauf. Die hohen Ziele erfordern also nichts weniger als eine Wendung um 180 Grad. Mit angezogener Handbremse. Und qualmenden Reifen. Oder in der Bildsprache der Bahner: Zwischenhalt Rangierbahnhof, wir wechseln die Fahrtrichtung. Ihr kennt doch sicher diese runden Rangierplattformen?
Dass die Facebook-Präsenz im Mai 2011 noch an eine texanische Geisterstadt erinnert, die weder verkauft, noch kommuniziert, passt dabei ins ausgearbeitete Konzept. Man wolle beim künftigen Aufbau nichts überstürzen, sondern auf das Feedback der Kunden hören, um das Angebot kontinuierlich zu erweitern, so das Ziel der Deutschen Bahn. Andererseits wusste schon Paul Watzlawick, dass man nicht nicht kommunizieren kann. Gut, transparentes Feedback auf Facebook findet sich bisher keins. Aber man wird sicherlich einen gänzlich neuen Kanal aufsetzten, statt den alten zu reaktivieren. Neue Schläuche und neuer Wein eben.
Insgesamt klingt das alles ein wenig nach mehr Regionalverkehr und weniger ICE. Denn ersterer hat erwiesenermaßen eh weniger Verspätung als der Langstreckenzug. Am besten fährt das Projekt wohl, würde der ICE im Nahverkehr eingesetzt. Was denkt ihr? Geht die ambitionierte zweite Kampagne der Deutschen Bahn gut?
Weiterführende Links:
- Die Deutsche Bahn will mit ihren Kunden im Social Web in Dialog gehen – talkabout Pressoffice
- Die Deutsche Bahn will mit ihren Kunden im Social Web in Dialog gehen – und talkabout hilft mit – talkabout Blog
- Social Media: Heftige Kritik an Facebook-Aktion „Chefticket“ der Deutschen Bahn – t3n News
- Social Media: Nicht jede Erfolgstory ist wirklich ein Erfolg! – t3n News
- Social Media: Zeit für mehr Professionalität – t3n Magazin
- Zur Website der Ray Sono AG
- Zur Facebook-Fanpage der Deutschen Bahn
… gespannt.
Das FB-Ticket der Bahn im Social web war lediglich ein Rabatt-Coupon mit Fähnchen drumherum,
und KEIN SOCIAL MEDIA.
Gewinnspiele und Ramschaktionen ohne Dialog sind nicht social.
Die Bahn sollte ALLES Geld in ihr Produkt investieren.
Wir erinnern an news.google was sich bei der Suche („im Archiv“) nach
„bezahlte blogs bahn“
findet.
Wird die Luft dünn, sinkt die Moral in vielen Firmen.
Von anderen Unternehmen mit größerem Wettbewerb ist auch zu erwarten das sie die Produkte ihrer Konkurrenten schlechter machen als sie sind.
Schade das es kein Faker-Verzeichnis-Wiki zur Erinnerung an sowas gibt.
Das floppt. Mieser Service, zu teure Tickets und ständige Verspätung werden auch durch Social Media Experten nicht besser.
Ansonsten schließe ich mich Matt an: Geldverschwendung die man in das Produkt investieren sollte.
Manchmal denke ich, das größte Risiko von Unternehmen im Social Web liegt darin, von den ganzen Beratern und Agenturen nicht in der Luft zerrissen zu werden. Ob deren Kritik wirklich immer ernst zu nehmen ist oder nicht vielmehr von eigenen Interessen geleitet wird, bleibt dahingestellt.
Ich selbst habe mehrfach zur Deutschen Bahn und dem Chefticket referiert und habe immer gesagt, die Bahn müsse zuerst seinen Service verbessern – auch in der Kommunikation. Die geplante Initiative ist eine echte Herausforderung, gerade in diesem Konzern mit ihren Strukturen. Sollte die Bahn das aber ernst meinen und ähnlich wie die Telekom auch intern völlig neue Wege gehen, dann besteht eine echte Chance, dass die Akzeptanz der Bahn auch im öffentlichen Bild steigt. Sie hat schließlich nicht nur Kritiker.
Ich wünsche allen Beteiligten ein gutes Händchen und viel Erfolg.
Lieber Autor, du weißt schon, in welche Richtung man nach „nichts weniger als eine Wendung um 360 Grad“ steht? *G*
@hansimglueck:
Ich teile durch 2 und möchte lösen! Was ist 180!? Danke jedenfalls für den Hinweis, muss ein Freudscher gewesen sein. Anscheinend schreibt auch mein inneres Kind mit… :-)
Ich glaub auch nicht, dass das was wird. Allein schon, dass die Deutsche Bahn das ganze Spektakel komplett outsourced, anstatt dafür jemanden aus dem Unternehmen zu finden oder ein Inhouse-Team aufzubauen…. Sie werden nur die tollen Social Media-Experten nutzen, um den Kunden die Köpfe zu streicheln, aber am Service wird sich wohl auch weiterhin nix ändern.
Ich glaube, Ihr bewertet hier etwas über. Die Bahn führt ja schon lange Dialog: Die Zugbegleiter, das Callcenter, in den Reisecentern, an den Infopoints…. und jetzt eben auch über Facebook und Twitter. Nicht mehr und nicht weniger. Wie gesagt: die Bahn, nicht die Experten. Das folgt einfach einer allgemeinen Entwicklung, dass Menschen sich inzwischen nicht nur über persönlichen Kontakt, Telefon und E-mail (plus Fax und Brief) untereinander und mit Unternehmen austauschen – sondern eben auch über Facebook und Twitter (und weitere). Wo ist das Problem, wenn die Menschen, die vorher mit „der Bahn“ in Real-Life in Dialog waren (was ja ohne Zweifel täglich tausendmal stattfindet), jetzt das zum Teil über das Social Web tun?
Das wird mit einiger Sicherheit ein Desaster. „PR-Experten“ und „Social Media-Experten“ können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bahn einfach ein stark verbesserungswürdiges Produkt hat (vorsichtig ausgedrückt). Vielleicht sollte lieber dort das Geld ausgegeben werden als für Agenturen, die das schlechte Produkt gutreden.
Der erste im Artikel genannte Mensch ist ja sogar schon hier in den Kommentaren unterwegs und verteidigt (gegen Bezahlung) seinen Kunden. Seine eigene Meinung ist es sicher nicht.
Ein Unternehmen, das im Social Web aktiv ist, muss seinem Gegenüber respektvoll begegnen. Gleichzeitig muss es aber auch Respekt von seinem Gegenüber erwarten können. Ein gegenseitiges Geben und Nehmen also, das ist ganz entscheidend. Ich fahre viel mit der Bahn, und bin weiß Gott nicht immer zufrieden. Aber ich bin über jedes einzelne Unternehmen froh, das sich im Social Web aufstellt und die Absicht hat, den Menschen dort etwas zurückzugeben. Wenn dieser Wille bei der Bahn im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar für mich wird, dann bleibt nur noch eines zu sagen: well done. Ich für meinen Teil bin gespannt und gebe der Bahn die Chance, die sie verdient. Dieser Schritt ist nämlich kein leichter.
Ich gebe Herrn Wagner recht und habe auch mit Bezug zu dieser Diskussion hier mal was dazu gebloggt:
Check mal @deutschebahn
Dann weißte Bescheid, Schätzelein
:)