Anzeige
Anzeige
Interview
Artikel merken

DHDL-Startup: Netzbeweis-Gründerin will digitale Gewalt bekämpfen

Anwältin Katharina Bisset sagt über Hass im Netz: „Das Wichtigste ist grundsätzlich, sich zu wehren!“ Im Gespräch mit t3n erklärt sie, wie ihr Startup „Netzbeweis“ dabei helfen soll.

6 Min. Lesezeit
Anzeige
Anzeige
Thomas Schreiber, Katharina Bisset, Philipp Omenitsch und Michael Lanzinger sind das Gründungsteam hinter NetzBeweis. (Foto: NetzBeweis/ Wolfgang Lehner)

Katharina Bisset war schon immer techbegeistert, als Anwältin ist sie auf IT-Recht spezialisiert. Mit ihrem Legal-Tech-Startup Netzbeweis ist sie nun in Folge sechs der elften Staffel „Die Höhle der Löwen“ zu sehen. Wir haben mit ihr über die Sendung gesprochen, wie es zur Gründung von Netzbeweis kam und wie sich Betroffene gegen Hass im Netz wehren können.

t3n: Katharina, mit Netzbeweis wollt ihr Betroffene und Anwaltskanzleien bei der Dokumentation von digitaler Gewalt unterstützen. Wie ist es denn zur Gründung eures Startups gekommen?

Anzeige
Anzeige

Kathrina Bisset: In den Kanzleien, in denen ich während meiner Ausbildung gearbeitet habe, war ich immer der IT-Nerd – und damit für die Beweissicherung zuständig. Wir haben oft ziemlich schlechte Screenshots von Mandanten bekommen, es war alles sehr umständlich zu handhaben.

Im Sommer 2020 habe ich dann an einem Legal-Tech-Hackathon teilgenommen. Nach einem Vortrag von Daniella Domokos, Head of IT und Legal Tech bei Hateaid, habe ich mich mit Student:innen von einer technischen Hochschule über das Problem mit den Screenshots ausgetauscht. „Das muss doch automatisiert gehen!“ Mit unserem Prototyp haben wir den Hackathon gewonnen.

Anzeige
Anzeige

Mein Mitgründer Thomas Schreiber war bei diesem Hackathon auch einer der Mentoren, er hat etwas später noch einmal nachgehakt, wie es denn mit dem Projekt weitergehen soll. Weil aber alles noch nicht so richtig funktioniert hat, hat er seine Fähigkeiten als Jurist und Software-Entwickler eingebracht: „Katharina, ich bau dir das.“ Anfang Februar 2021 sind wir mit der ersten Version online gegangen.

Anzeige
Anzeige

Und wie seid ihr dann in „Die Höhle der Löwen“ gekommen?      

Kurze Zeit, nachdem unsere erste Version online war, wurden wir von Futurezone gefeatured. Daraufhin kam dann eine Anfrage von Sony für „Die Höhle der Löwen“, ob wir uns nicht bewerben wollen. Wir dachten zuerst, das wäre Spam! Aber dann haben wir unser Business-Modell entwickelt, den Bewerbungsprozess mitgemacht und schließlich ging es zur Aufzeichnung nach Köln.

Anzeige
Anzeige

Mit Netzbeweis wollt ihr dafür sorgen, dass Hass im Netz besonders unkompliziert und rechtssicher dokumentiert werden kann. Was können Betroffene denn grundsätzlich tun, um gegen digitale Gewalt vorzugehen?

Die erste Sache, die man tun kann: Beweise sichern.

Weil entsprechende Postings nach einem Reporting häufig gelöscht werden, ist es wichtig, bestimmte Informationen festzuhalten. Der Link zur entsprechenden Seite muss vollständig, das Datum des Postings enthalten sein. Bei einem Screenshot sollte außerdem klar sein, wann der aufgenommen wurde. Im Idealfall dokumentiert man übrigens nicht nur den Beitrag selbst, sondern auch das Profil der Person, die ihn gepostet hat.

Anzeige
Anzeige

In unserem „Netzbeweis“ werden alle notwendigen Informationen automatisch erfasst. Die kostenlose Webversion funktioniert dabei für alle öffentlichen Websites, mit der kostenpflichtigen Browser-Extension können auch Chatverläufe und Seiten, auf denen man eingeloggt sein muss, gesichert werden.

Und dann geht es darum, sich Hilfe zu suchen. Auf unserer Website haben wir viele passende Stellen aufgelistet, zum Beispiel Anwälte oder Beratungsstellen. Das Wichtigste ist grundsätzlich, sich zu wehren!

Nehmen wir einmal einen Whatsapp-Chat als Beispiel. Können Betroffene selbst entscheiden, welche Teile einer Konversation als „Netzbeweis“ gespeichert werden?

Anzeige
Anzeige

Im „Netzbeweis“ wird alles gesichert, was geladen ist. Bei Whatsapp scrolle ich also zum Beginn der Konversation, und sie wird dann bis zum Schluss in einem PDF gespeichert. Dieses Dokument bekommt eine Signatur, sodass es nicht mehr verändert werden kann.

Der Sinn dahinter ist aber auch, dass man eben nicht bestimmte Sachen ausschneiden, das Gespräch editieren kann. Das ist nämlich ein Problem, das wir in der Praxis häufig haben: Man bekommt nur eine halbe Konversation vorgelegt, der Kontext fehlt. Es wird nur der Teil gezeigt, in dem jemand beleidigt wird. Wie das Gespräch davor gelaufen ist, geht dabei unter. Genau das kann einem aber vor Gericht wirklich ein Problem machen, wenn zum Beispiel eben nicht nur die Gegenseite Beleidigungen verschickt hat.

Feature-Requests für eine Möglichkeit, etwas zu verändern, gibt es aber gerade von den Anwaltskolleginnen und -kollegen immer wieder – das steht bei uns dementsprechend auf der Roadmap.

Anzeige
Anzeige

Die ehrenamtliche Organisation Hassmelden hat vor Kurzem verkündet, ihre Arbeit wegen Überlastung bis auf Weiteres einzustellen. Was braucht es, um Hass im Netz besser in den Griff zu bekommen?

Zum einen braucht es mehr Awareness. In Österreich wurde vergangenes Jahr ein großes Gesetzespaket gegen Hass im Netz in Kraft gesetzt. Viele dieser Dinge wurden aber noch gar nicht in Anspruch genommen, die Budgets nicht ausgeschöpft, weil eben das Wissen fehlt, dass man sich einfach und kostengünstig wehren kann.

Natürlich gibt es Fälle, bei denen man die Täter vielleicht nicht findet. Aber sehr häufig posten die Leute unter ihrem Klarnamen, sind bekannt und können letztendlich zur Rechenschaft gezogen werden – teils auch mit hohen Geldstrafen. Wenn dieses Bewusstsein dafür, dass sich Opfer wehren können, ausgeprägter wäre, würden sich vielleicht auch potenzielle Täter zweimal überlegen, was sie schreiben.

Anzeige
Anzeige

Zum anderen gibt es aber eben auch den finanziellen Aspekt. Wenn Hassmelden große öffentliche und vor allem finanzielle Unterstützung bekommen hätten, könnten sie vielleicht die Men- und Womenpower einstellen, um den Andrang zu bewältigen. Auch Hateaid muss sich beispielsweise über Spendengelder finanzieren. Das ist ein absolut politisches Thema!

„Tu uns den Gefallen und bring dich um“ – das ist einer der Hasskommentare, die ihr in die Sendung mitgebracht habt. Wie war das für euch, als Judith Williams diese Kommentare vorgelesen hat?

Es war schon in Vorbereitung sehr hart. Wir haben mit der Produktionsfirma besprochen, wie wir das persönlicher gestalten können. Dabei die Balance zu finden zwischen Dingen, die aufwühlend sind, die man aber trotzdem noch im Fernsehen zeigen darf, war schwer.

Anzeige
Anzeige

Ich war aber auch froh, dass sich Judith Williams freiwillig gemeldet hat, um vorzulesen – ich wüsste nicht, ob ich das vor laufender Kamera geschafft hätte. Gleichzeitig weiß ich, dass es wichtig ist, den Leuten zu zeigen, wie schlimm es eben wirklich sein kann.

In der Diskussion habt ihr gegenüber den Investoren klar gesagt: Wir werden nicht Vollzeit ins Unternehmen einsteigen, sondern Anwälte bleiben. Das war für die Löwen ein Kritikpunkt. Wie seht ihr das Thema mittlerweile?

Damit müssen die Löwen immer noch leben! *lacht* Natürlich hat sich die Balance verändert, wir haben alle unsere Hauptjobs etwas heruntergefahren, um mehr Zeit für Netzbeweis zu haben.

Bei mir hält es sich aktuell ziemlich die Waage. Ganz aufzuhören, Anwältin zu sein, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Und es ist ja auch ein Teil des USP, unsere Arbeit kommt aus einem persönlichen Need heraus und wir sprechen mit unseren Kunden als Kollegen.

Es gab in der Sendung aber nicht nur Kritik, sondern auch Anerkennung und einen Deal. Wie habt ihr das Feedback der Löwen erlebt?

Die positiven Worte von allen haben uns extrem gefreut. Wir wussten, dass wir mit unserem Unternehmen sehr früh in der Sendung waren, wir kennen die Sendung ja und sind selbst alle selbstständig. Aber allein, dass von allen Löwen das Feedback kam, „das ist wichtig, wir wollen das unterstützen“, hat uns schon gefreut.

Als Carsten Maschmeyer dann mit einem Zettel in der Hand auf mich zukam, dachte ich erst, er gibt mir seine Visitenkarte. Als ich realisiert habe, was da gerade passiert, war ich vollkommen perplex. Es war das zweite Mal in meinem Leben, dass ich überhaupt einen Scheck in der Hand gehabt habe! Eingelöst haben wir ihn letztendlich aber nicht. Wir haben mit den Investment-Teams wie alle anderen Startups die Due Diligence gemacht und konnten auch da einfach überzeugen.

Wir haben uns außerdem sehr über die Spende von Nico Rosberg über 10.000 Euro sehr gefreut, der damit die Summe „aufgerundet“ hat, aber keine Anteile wollte.

Was hat sich seither bei Netzbeweis getan?

Das Investment hat uns allen die Freiheit gegeben, unsere normalen Jobs herunterzuschrauben und uns auf Netzbeweis zu konzentrieren. Dadurch hatten wir die Zeit, uns technisch und auch als Unternehmen massiv weiterzuentwickeln. Wir haben Vertriebspartner im DACH-Raum gefunden, den Fokus auf Deutschland und die Schweiz ausgeweitet und unsere Browser-Extension entwickelt.

Hätten wir das Investment nicht bekommen, wäre Netzbeweis ein Sidegig am Wochenende geblieben, dann wären wir vielleicht in drei Jahren da gewesen, wo wir heute sind.

Und wo soll es mit eurem Startup in Zukunft hingehen?

Ich möchte, dass netzbeweisen ein Verb wird. Der Wunsch ist, dass unsere Technologie ein Standard für die Beweissicherung wird. Dass die Gerichte uns als sicheren Standard sehen und uns wiedererkennen. Auf Vertriebsseite soll es zukünftig erst einmal in weitere EU-Länder gehen, unsere Signatur ist EU-weit anerkannt. Und unsere Techniker arbeiten immer fleißig daran, die nächsten Feature-Wünsche umzusetzen. Da wäre zum Beispiel ein Punkt, dass unsere Dienste irgendwann auch mobil funktionieren.

Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
Schreib den ersten Kommentar!
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige