In diesem Jahr wird sich Ebays Zukunft entscheiden
Ebay-CEO Devin Wenig hat kürzlich auf einer Wall-Street-Konferenz gesprochen, wie Ecommercebytes berichtet. Die langen Vorarbeiten des Unternehmens auf dem Weg in die Zukunft scheinen abgeschlossen. In diesem Jahr steht die wohl entscheidendste Umwälzung in der Geschichte des Marktplatzes an: Das Listing stirbt und der Marktplatz setzt auf einen einheitlichen Produktkatalog. Schritt für Schritt hat sich Ebay diesem Ziel angenähert, jetzt ist es soweit. Das Jahr, in dem sich Ebays Zukunft entscheiden wird, ist angebrochen.
Wie Ebays Weg in die Zukunft bisher ablief
Der Tod des Listings tritt nicht plötzlich ein. Ebay arbeitet seit langer Zeit daran, den Marktplatz in ein einheitliches Korsett zu pressen. Neue Angebote bei Ebay mussten verpflichtend mit dem EAN beziehungsweise GTIN versehen werden, damit das angebotene Produkt eindeutig identifiziert werden kann. Die Grundlage für einen strukturierten Produktkatalog war geschaffen, mittlerweile dürften die grob geschätzt 180 Millionen Artikel bei Ebay korrekt und ohne Dubletten in der Datenbank erfasst sein.
Es folgten schrittweise Anpassungen, wie neue Produktdetailseiten, dann zuletzt Anpassungen an der Suchfunktion, die zu gebündelten Suchergebnissen führten und so schon der erste Schritt hin zu mehr Übersichtlichkeit waren.
Diese Zwischenschritte sind aus mehreren Gründen nötig gewesen: Zum einen hat Ebay längst auf eine modernere Microservices-Architektur umgestellt, in der einzelne „Programmbestandteile“ gekapselt und autark ablaufen. Das ermöglicht eine agilere und flexiblere Entwicklung und führt offensichtlich dazu, dass beispielsweise die Produktdetailseite ein einzelner Microservice sein könnte. Die schrittweise Umstellung ist als technischer Transformationsprozess sicherer und schneller als eine brutale Komplettmigration.
Zum anderen muss ein Transformationsprozess aber auch alle Stakeholder mitnehmen, also Kunden wie Händler. Kunden müssen sich an die Veränderungen in der Bedienung gewöhnen und Händlern muss vermittelt werden, dass die kommende, radikale Veränderung keine Apokalypse ist. Denn Änderungen bei Ebay werden traditionell gerne erst einmal verteufelt.
Dass die Händlerwelt sich infolge des neuen Produktkataloges und dem endgültigen Tod des Listings verändern wird, das ist unausweichlich. Die Luft wird dünner, besonders im Bereich der klassischen Handelswaren. Selbst zur Marke zu werden und in Eigenmarken mit selbst entwickelten Produkten aus eigener Produktion zu investieren, wird auch bei Ebay langfristig die sinnvollste Strategie sein. Händler, die das nicht können, werden untergehen.
Das klingt ebenso bitter wie fatalistisch, ist aber die einzige Möglichkeit für Ebay, als Marktplatz noch einen Rang zu halten und sich weiterhin als mehr oder weniger großes Gegengewicht zu Amazon zu platzieren.
Tschüss Listing, wir werden dich nicht vermissen
Auch der wütendste Händler wird sich insgeheim beim Einkaufen auf Amazon und auf der alten Ebay-Plattform eingestanden haben, dass das Einkaufserlebnis bei Ebay eine Katastrophe ist. Und wir reden hier nicht von rethorisch-esoterischen Glücksgefühlen durch irgendwelches Feature-Chichi, sondern davon, sich genervt durch zehntausend mehr oder weniger identische iPhone-Angebote zu wühlen. Durch einen verstopften, unübersichtlichen Schrott-Katalog.
Stattdessen gibt es zukünftig eine einzige Produktdetailseite und laut der Berichterstattung bei Ecommercebytes dazu vier Kaufoptionen. 10.000 Listings werden also auf vier eingedampft und in eine einzige Produktdetailseite integriert. Vergleichbar mit der Buybox bei Amazon. Zukünftig werden Kunden nur noch auf diese Weise einkaufen können. Ebay-CEO Wenig sprach auf der Wall-Street-Konferenz davon, dass dieses Jahr eine riesige Anzahl von Kategorien umgestellt werde.
Das Chaos, das aus der alten Struktur mit den Angebots-Listings einherging, wird kein Kunde vermissen, nicht ein einziger. Und dass die alte Struktur als Status quo unhaltbar war, liegt auf der Hand. Verliert Ebay damit seine Einzigartigkeit? Vielleicht, das spielt aber keine Rolle.
Ebay: Manchmal ist Nachahmung die einzig mögliche Antwort
Die Summe aller Veränderungen, die Ebay in den letzten Jahren vorgenommen hat, könnte auf den Beobachter wirken wie der Versuch, Amazon zu imitieren. Auf eine gewisse Weise ist das korrekt. Amazon gibt durch seine Integration in den Alltag der meisten Durchschnittskunden indirekt Standards vor. Ebays Marktplatz ist im Laufe der Jahre ins Hintertreffen geraten, ein einheitlicher Produktkatalog ist heute Standard, und davon war Ebay lange Zeit weit entfernt.
Oberflächlich betrachtet mag es wie ein „Metoo“-Manöver wirken, Produktdetailseiten, Produktkatalog, Produktbewertungen und Servicefeatures wie das Lieferversprechen und die automatischen Retouren nach dem Vorbild von Amazon zu formen. Tatsächlich orientiert sich Ebay damit aber an der Erwartungshaltung des Kunden. Und mit einer Erwartungshaltung diskutiert man nicht, die wird erfüllt.
Hat Ebay seine Privatkunden verloren? Ja, das lässt sich so feststellen. An viele andere kleine Marktplätze und an das hauseigene Pendant Kleinanzeigen. Devin Wenig sprach zwar auch davon, den Consumer2Consumer-Bereich stark zu vereinfachen, das wird aber keine große Rolle mehr spielen. Und große Erträge und Umsätze würde Ebay damit sowieso nicht erzielen – jedenfalls nicht in den Größenordnungen, die sich durch die Fokussierung auf gewerbliche Händler ergeben.
Der Tod des Listings macht Ebay zu einem schwierigen Pflaster für manche Händler, aber das ist eine unausweichliche Entwicklung, um Ebays Zukunft zu sichern. Diese Zukunft wird nicht alleine durch den Tod des Listings gesichert; das anzunehmen, wäre blauäugig. So hat Wenig auch angekündigt, das Guaranteed-Delivery-Programm, eine Art Lieferversprechen, global und konzentriert auszurollen. Und wie früher schon von Ebay angekündigt, wird wohl auch bei Ebay-Plus, der Prime-Alternative, noch einiges geschehen.