E-Autos mit Solarmodulen: Sinnvolles Feature oder Marketing-Gag?
Grundsätzlich sind Photovoltaik und Elektromobilität das perfekte Team. Wer zu Hause eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hat, kann sein Elektroauto in den meisten Monaten des Jahres nahezu zu 100 Prozent mit umweltfreundlichem Sonnenstrom laden – und die erzeugte Energie auf diese Weise auch wirtschaftlich sinnvoll nutzen, anstatt sie für ein paar Cent ins öffentliche Stromnetz einzuspeisen.
Zudem lösen Elektroautos das Speicherproblem. Da die Sonne nun einmal nicht rund um die Uhr scheint, muss der erzeugte Strom irgendwo für die Abend- und Nachtstunden gespeichert werden. Dafür kann man ganz klassisch einen Stromspeicher nutzen – oder aber ein Elektroauto. Vehicle-to-Home (V2H) heißt die Technologie, bei der mittels bidirektionalem Laden das Fahrzeug nicht nur Strom beziehen, sondern selbigen auch wieder ans Haus abgeben kann. Noch einen Schritt weiter geht Vehicle-to-Grid (V2G): In diesem Szenario werden Elektroautos ins gesamte Stromnetz als dezentrale „Schwarm-Batterien“ eingebunden, um die Überproduktion der erneuerbaren Energien aufzufangen und bei Bedarf bereitzustellen. Sowohl V2H als auch V2G scheitern derzeit allerdings noch an technischen und regulatorischen Einschränkungen.
So weit, so gut. Bleibt die Frage, wie sinnvoll es ist, die Solarmodule direkt in die Karosserie eines Elektroautos zu integrieren.
Das gefährliche Spiel mit dem Begriff „Solarauto“
Grundsätzlich ist die Idee, Solarmodule auf dem Dach eines Fahrzeugs zu montieren, nichts Neues. Private Bastler:innen auf der ganzen Welt versuchen sich schon seit Jahrzehnten daran. Mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg.
Ganz anders sieht die Sache aus, wenn es um Fahrzeuge geht, die in Serie gefertigt werden sollen. In den vergangenen Jahren hat es beispielsweise Sono Motors mit dem Sion immer wieder in die Medien geschafft, indem man das Fahrzeug als „Solarauto“ vermarktet hat. So heißt es auf der Website und in den entsprechenden Pressemitteilungen: „Der Sion – das Auto, das sich selbst lädt“, „Ein geräumiges Elektroauto mit einer Reichweite von bis zu 305 Kilometern, das sich selbst über die Energie der Sonne lädt“ oder „Powered by the Sun“. Das klingt natürlich erst einmal super, vor allem da den Menschen Themen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit immer wichtiger werden.
Das Problem an der Sache: Bei genauerer Betrachtung ist der Sion dennoch kein Solarauto, sondern lediglich ein Elektroauto, das mithilfe von Solarmodulen ein paar Kilometer Reichweite nachladen kann. In der Theorie kann der Sion laut Sono Motors unter normalen Wetterbedingungen pro Woche (!) durchschnittlich 112 Kilometer zusätzliche Reichweite durch reine Sonnenenergie gewinnen. In einem im Dezember von Sono Motors durchgeführten Test lag die zusätzliche Reichweite pro Woche allerdings nur bei 28 Kilometern. Sprich bei vier Kilometern am Tag. Und das auch nur, wenn man den WLTP- und nicht den tatsächlichen Verbrauch zugrunde legt.
Nun kann man argumentieren, dass der Sion immerhin zwischen April und August rund 150 Kilometer pro Woche über die in die Karosserie integrierten Solarmodule nachladen kann. Das wären dann etwas mehr als 20 Kilometer pro Tag – und somit genug für kürzere Strecken. Allerdings setzt das voraus, dass der Sion den ganzen Tag lang in der Sonne steht. Garagen und überdachte Parkplätze fallen damit komplett weg. Ein Parkplatz unter einem Baum? Suboptimal. Sogar in den engen Häuserschluchten deutscher Großstädte können die angestrebten Werte nicht erreicht werden. Und in Berlin, München oder Hamburg einen Parkplatz auf dem freien Feld zu finden, dürfte gar nicht so einfach werden.
Elektroautos mit Solarmodulen haben durchaus Potenzial
Das heißt allerdings nicht, dass es in ein paar Jahren nicht normal sein wird, dass Elektroautos mit Solarmodulen ausgestattet sein werden. Im Gegenteil. Allerdings muss bis dahin noch einiges an Entwicklungsarbeit geleistet werden, damit Kosten und Ertrag in einem gesunden Verhältnis stehen.
So schafft es beispielsweise der ebenfalls als „Solarauto“ konzipierte Lightyear 0 schon heute, bis zu 70 Kilometer am Tag nachzuladen. Daran haben zwar auch die Solarmodule mit 1.250 Watt Leistung einen gewissen Anteil, entscheidend sind letztendlich aber der unglaubliche cW-Wert (0,175) und das vergleichsweise geringe Gewicht von gerade einmal 1.575 Kilogramm. Denn dadurch wird der Verbrauch auf nur 10,5 Kilowattstunden pro 100 Kilometer gesenkt. Der Preis dafür? Mindestens 250.000 Euro.
Der Lightyear 0 zeigt ganz gut, dass in der Kombination aus Elektroauto und Photovoltaik durchaus Potenzial steckt. Bis allerdings wirklich von einem bezahlbaren Solarauto die Rede sein kann, mit dem man auch an bewölkten Tagen halbwegs autark unterwegs sein kann, werden noch einige Jahre vergehen.
Bis dahin sollten Unternehmen im Marketing Abstand von Begriffen wie „Solarauto“ nehmen, um keine falschen Erwartungen zu wecken. So hat Hyundai das inzwischen nicht mehr bestellbare Solardach beim Ioniq 5 von Anfang an als nettes Gimmick vermarktet, mit dem man unter idealen Bedingungen rund fünf Kilometer pro Tag nachladen kann, wenn das Fahrzeug in der Sonne steht. Und genau so sollte das Thema derzeit auch behandelt werden: als nettes Extra. Nicht mehr und nicht weniger.
So ein Solardach ist bestenfalls gut, ein Auto, das in der prallen Sonne stehen (muss), von Stauhitze frei zu pusten. Fahrtechnisch ist das Null und genau so ein Gimmik, wie anfangs die Rekuperation, den die Hersteller den Leuten einreden und damit diese sauschweren Akkus begründen wollten. Technischer Mumpitz – sorry!
Hallo Kantenhuber!
Die Rekuperation zu bemängeln ist eine Sache, die Wahrheit ist aber auch, dass normale Verschleissteile wie Bremsscheiben und Bremsbacken kaum noch abgenutzt werden, weil die Rekuperation das Bremsen ersetzt (Ausnahme sind natürlich Vollbremsungen). Die Taxizentrale in meinem Wohnort nutzt Teslas und hat dort nach 100.000 Kilometern Fahrleistung je Auto noch nicht eine einzige Bremse erneuern müssen.
Schade, bis jetzt dachte ich, dies ist eine seriöse Seite hier. Aber beim Lesen dieses Artikels sind mir ein paar – sagen wir mal – Unstimmigkeiten aufgefallen, die ich so nicht stehen lassen möchte.
Sie haben geschrieben: “ Das gefährliche Spiel mit dem Begriff „Solarauto“ …..“ und „das Problem an der Sache.“
Was ist daran gefährlich und welches Problem? Soll hier Stimmung gemacht werden? Wie definieren Sie Solarauto? Ein Auto, bei welchem die Solaranlage direkt für den Antrieb genutzt wird? Wie soll das funktionieren? Es wäre nicht möglich nachts zu fahren oder in einen Tunnel … Ein Wasserstoffauto ist auch ein Elektroauto ( und benötigt auch eine Batterie!).
… Photovoltaikanlage auf dem Dach hat, kann sein Elektroauto in den meisten Monaten des Jahres nahezu zu 100 Prozent mit umweltfreundlichem Sonnenstrom laden….
100% – bei welchen täglichen Fahrstrecken? Bei ca. 100 km täglich braucht es da schon eine große Anlage. Im Übrigen: Meine Solaranlage auf dem Haus kann ich nicht mitnehmen und somit kann ich nur gegen Abend laden – also nicht im Winter!
„…. Theorie kann der Sion laut Sono Motors unter normalen Wetterbedingungen pro Woche (!) durchschnittlich 112 Kilometer zusätzliche Reichweite durch reine Sonnenenergie gewinnen …“
Richtig, im JAHRESDURCHSCHNITT sind es 112km. Warum wird das nicht so wiedergegeben? Hier wird der Jahresdurchschnitt einem einzelnen Wintertag gegenüber gestellt. Sorry, aber das wirkt auf mich ebenfalls wie Stimmungsmache …
Parkerei im Sommer: mein Auto steht NACHTS in der Garage. Tagsüber bin ich in der Arbeit und somit muss es da im Freien stehn. Ich denke außerhalb der Metropolen ist das so eher die Regel als die Ausnahme.
Solartechnik als Gimmick ist wirklich nur ein nettes Extra, ernsthaft eingesetzt aber deutlich mehr.
Und bitte bedenkt: Die ersten Schritte sind immer wackelig – eine neue Technik kann nur reifen, wenn sie angenommen und unterstützt wird
Lieber Winni,
ich bin ganz Ihrer Meinung.
Beste Grüße
mk411
Lieber Winni, ich halte den Artikel für gut. Allerdings geht er zu unkritisch mit den Werbeaussgane von Sono Motors um. 112 km Reichweite im Jahresdurchschnitt? Nicht möglich, weil es keine Nutzungsmöglichkeit gibt, bei der alle Solarzellen laden. Zudem stehen die Atos fast nie in der prallen Sonne. Vorschlag meinerseits: Parkplätze mit Solardächern bestücken. Da kommt tagsüber richtig Saft für die Pendlerfahrzeuge rüber. Finanzierung? TIP: Solarify.ch. Zweitens geht der Artikel nicht über die Mehrkosten in der Produktion ein, nicht auf ein eventuelles Mehrgewicht und auch nicht auf eine Schadenregulierung, die wohl teurer ausfällt und somit auch die Versicherungskosten erhöhen würde. Und bezüglich Solaranlagen zu Hause: Man kann das Fahrzeug nicht laden, wenn man in der Arbeit ist. Wenn man ÖPNV nutzt, braucht man kein Fahrzeug bzw. nur wenig Ladeleistung. Und je mehr man lädt und entlädt, umso früher ist die Batterie „kaputt“; Stichwort Ladezyklen. Kurzum: Ich habe im Zusammenhang mit Solarenergie so viel Unsinn vernommen und im Gegensatz dazu gibt es praktikable Lösungen, die schlichtweg ignoriert werden….
Man sollte jede Entwicklung auch in Ihrem Zeitrahmen betrachten. Auf die Auslieferungen von Sono warte ich nun seit 5 Jahren in denen ich mit meinem E-Golf fahren konnte. Der Sono steckt voll schöner Ideen nur sind viele Aspekte (noch) nicht Serientauglich. Das Konzept Lightyear 0 erscheint interessant. Da erscheint mir mein E-Golf mit fahrbereiter Leermasse von 1620kg(lt Fahrzeugschein) nicht schlecht. Der Verbrauch von 10,5kWh/100km ist natürlich gut. Beim Golf macht ab ca 80km/h der Luftwiderstand den Verbrauchswert schlecht. Da könnte der CW Wert wohl einiges bringen, ob das soviel Geld kostet? Die Firmen werden natürlich lieber ein 2,5to schweres Auto mit vielen Gimmigs verkaufen wollen und die Größe eines SUV läßt nun mal keinen guten Luftwiderstandswert zu. Den E-Golf kann man sparsam auch mit 12-13kWh/100km fahren. Ich würde mir wünschen das Kunden und Gesellschaft mehr Forderungen an die Industrie an preiswerte, sparsame E-Autos stellen. Das ist leider nicht das klassische Geschäftsfeld der deutschen Automobilindustrie. Die Aspekte V2H als auch V2G sind leider noch in ferner Zukunft, weil speziell europäische Autos das Rückladen noch nicht vorgesehen haben ( das wird vermutlich nicht nachrüstbar sein). Wir bräuchten dringend mehr Ansätze zu intelligenten Stromzählern und Netzen. Solange hier Datenschützer mit deutlich überzogenen Risikosznearien blockieren, wird das in Deutschland nichts. Da wir mittlerweile alle über Börsenstrompreise diskutieren, sollte bekannt sein, das der Börsenpreis sich über den Tag verteilt um den Faktor 5 ändern kann. Die Netzbelastung sehe ich auch nicht sehr kritisch, da ich meinen E-Golf bevorzugt über Nacht mit einer Ladeleistung von max 3,7kWh lade. In 10 Nachtstunden ist dann meine Batterie mit 35kWh rechnerisch voll. Da müssen sehr viele E-Autos geladen werden bevor wir in die Nähe der Netzbelastung um die Mittagszeit kommen.