Energiewende: Elektromobilität und Photovoltaik gehen Hand in Hand

Obwohl die Vorzüge von Photovoltaikanlagen – sowohl für den eigenen Geldbeutel als auch für die Umwelt – seit über zwei Jahrzehnten bekannt sind, sorgte erst Russlands Angriff auf die Ukraine bei vielen Deutschen für ein Umdenken. Bedingt durch die gestiegenen Energiepreise ist die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen seit Anfang des Jahres sprunghaft in die Höhe geschnellt. Plötzlich möchte jeder seinen eigenen grünen Strom erzeugen – ganz egal, ob mit einer großen Anlage auf dem Dach oder einem kleinen Balkonkraftwerk.
Anders als noch vor ein paar Jahren steht bei einer Photovoltaikanlage heutzutage nicht mehr das Einspeisen im Vordergrund, sondern ein möglichst hohes Maß an Autarkie. Deshalb entscheiden sich immer mehr Menschen für einen Stromspeicher, der dafür sorgt, dass sie auch in den Abend- und Nachtstunden weitestgehend unabhängig vom öffentlichen Stromnetz sind.
Aber da geht noch mehr. Denn ihr volles Potenzial werden Photovoltaikanlagen erst in Verbindung mit der Elektromobilität ausspielen.
Mit der Photovoltaikanlage das eigene Elektroauto laden
Die medial immer wieder gern skizzierte Idealkonstellation sieht natürlich wie folgt aus: ein Einfamilienhaus mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach, einem Stromspeicher im Keller und einem Elektroauto in der Garage. Mehr Autarkie geht nicht. Denn erst nachdem alle Verbraucher im Haushalt, der Stromspeicher und das Elektroauto versorgt sind, wird der überschüssige Strom ins Netz eingespeist. Und genau das will man, da die Einspeisevergütung derzeit (Juli 2022) nur 6,23 Cent pro Kilowattstunde beträgt, man aber 30 bis 40 Cent pro Kilowattstunde bezahlen muss, wenn man Strom aus dem Netz bezieht.
Übrigens: Bei Photovoltaikanlagen unter zehn Kilowatt-Peak kann man den selbst erzeugten Strom inzwischen dank Vereinfachungsregel nutzen, ohne dass Einkommenssteuer fällig wird. In anderen Worten: Man fährt sein Elektroauto mit kostenlosem Strom. Wer über zehn Kilowatt-Peak auf dem Dach hat, muss für den Eigenverbrauch je nach individuellem Steuersatz zwar weiterhin rund neun bis zwölf Cent pro Kilowattstunde ansetzen. Damit fährt man dann aber beispielsweise einen VW ID 3 noch immer für konkurrenzlos günstige 1,40 bis 2 Euro pro 100 Kilometer.
Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Mit jeder Kilowattstunde, die in den Eigenverbrauch fließt, sinkt die Amortisationszeit. In einigen Fällen hat sich die Photovoltaikanlage bereits nach knapp acht Jahren „selbst bezahlt“ – bei einer erwarteten Laufzeit von rund 30 bis 40 Jahren.
Warum die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit überhaupt notwendig ist? Ganz einfach: Dass Photovoltaikanlagen für die Energiewende und den Klimaschutz essenziell sind, ist seit Jahren bekannt. Interessiert hat es allerdings nur wenige, wie ein Blick auf Deutschlands Dächer zeigt. Erst als die monetären Anreize zu Beginn des Jahres mehr als deutlich wurden, setzte ein Umdenken ein.
Photovoltaikanlagen und Elektroautos sind auch ohne eigenes Haus eine sinnvolle Kombination
In der Diskussion rund um Photovoltaikanlagen und Elektroautos wird immer wieder behauptet, dass nur Eigenheimbesitzer:innen daraus einen Vorteil ziehen können – und das ist so natürlich nicht richtig.
Unabhängig davon, ob Eigentums- oder Mietwohnungen, können Photovoltaikanlagen auch auf Mehrfamilienhäusern installiert werden. Dabei müssen zwar mehr technische und vor allem bürokratische Hürden genommen werden, um den erzeugten Solarstrom den einzelnen Parteien kostengünstig zur Verfügung zu stellen, aber es geht. Mit Blick auf die Elektromobilität sind zudem PV-Anlagen auf Garagen oder gemeinsam genutzten Carports denkbar.
Was alles möglich ist, wenn man bereit dazu ist, die Energiewende aktiv zu gestalten, zeigt ein Blick auf zahlreiche Möbelhäuser und Supermärkte. Diese haben schon früh verstanden, dass es wirtschaftlich und ökologisch Sinn macht, ihre riesigen Dachflächen für Photovoltaik zu nutzen – und ihren Kund:innen auf diese Weise kostenlosen oder vergünstigten Ladestrom während des Einkaufs zur Verfügung zu stellen. Auch immer mehr Ladeparks (EnBW, Fastned und viele mehr) werden mit Photovoltaikmodulen überdacht, oder wie das Audi Charging Hub in Nürnberg von Anfang an so konzipiert.
Grundsätzlich gilt: Jede Dachfläche, die für Photovoltaik genutzt wird, bietet eine Chance für die Energiewende.
Elektroautos als mobile Stromspeicher
Und dann wäre da natürlich noch das Thema Vehicle-to-Grid (V2G): Eines der elementaren Probleme der erneuerbaren Energien ist derzeit noch das Speichern von überschüssigem Strom. Bislang müssen Windkraft- und Photovoltaikanlagen häufig „vom Netz genommen werden“, wenn sie in den Sommermonaten respektive bei starkem Wind mehr Strom erzeugen, als zu diesem Zeitpunkt verbraucht wird.
Mit der V2G-Technologie wäre es denkbar, den überschüssigen Strom stattdessen in die Batterien der zu diesem Zeitpunkt ans Netz angeschlossenen Elektroautos zu leiten. Umgekehrt könnten mit dieser gigantischen, dezentralen „Schwarm-Batterie“ auch Lastspitzen ausgeglichen beziehungsweise Haushalte nachts mit Strom versorgt werden. Bedenkt man, dass in Deutschland die meisten Fahrzeuge 23 Stunden am Tag ungenutzt herumstehen, erkennt man das enorme Potenzial, das in der Kombination aus Elektroautos und erneuerbaren Energien schlummert.
Das hört sich alles schön an.
1) Realitätscheck Mehrfamilienhäuser:
Ich stelle mir gerade ein typisches Stadtviertel mit Wohnblocks vor, beispielsweise in Berlin-Neukölln, Sonnenallee. Wie hat man sich das vorzustellen? Solarzellen auf das Dach eines Mehrfamilienhauses zu installieren, das sollte noch funktionieren. Und wie gelangt der Strom zu den Autos der Bewohner? Bekommen diese Parkplätze direkt vor dem Haus reserviert? Liegen dann überall Stromkabel von den Häusern quer rüber zu den Parkplätzen? Oder erfolgt die Übertragung durch die Luft?
2) Realitätscheck Mobile Stromspeicher:
Wenn ich mein Auto nachts freigebe für die Rückeinspeisung ins Stromnetz bedeutet das auch, dass ich das Auto am nächsten Vormittag erstmal nicht nutzen kann, weil der Akku nicht reicht. Außerdem wirkt sich das ständige Laden und Entladen auf die Lebensdauer des Akkus aus. Das muss mir dann schon hoch vergütet werden, wenn ich mich für die Rückeinspeisung entscheide.