Der Arbeitgeber von Michael Barner orientiert sich strikt an den Vorgaben der Bundesregierung: „Mit dem offiziellen Beginn der Homeoffice-Pflicht durften wir zu Hause arbeiten, keinen Tag früher. Mit deren Ende müssen wir an mindestens drei Tagen die Woche wieder ins Büro.“ Barner heißt eigentlich anders, er will in diesem Text nicht erkannt werden, denn er ist nicht gut zu sprechen auf seinen Chef und fürchtet Ärger. Dass der das aktuelle Pandemiegeschehen nicht in seine Anweisungen einbezieht, hält er für einen Fehler. Darüber möchte er öffentlich reden, aber unerkannt. Dieser Tage sind die Fallzahlen wieder extrem hoch. Die Neuinfektionen gehen in die Hunderttausende, die Inzidenzen markieren neue Rekorde. Dass Barner mit dem Ende der Homeoffice-Pflicht am 20. März wieder in die Agentur soll, regt ihn auf. „Die Rechnung geht nicht auf, da Corona so nur weiter am Köcheln gehalten wird.“
Dass die Menschen ab diesem Sonntag kein Recht mehr auf die Heimarbeit haben, ist Teil eines großangelegten Lockerungsprozesses, den maßgeblich die FDP – im Schulterschluss mit den anderen Koalitionsparteien – zu verantworten hat. Mit dem Beginn des Frühlings gelten die meisten Corona-Beschränkungen als beendet. Dazu zählt, dass die 2G-Einlasskontrollen im Einzelhandel entfallen, die Maskenpflicht in Innenräumen nicht mehr gilt, die Clubs und Diskotheken wieder öffnen dürfen und eben, dass die Menschen wieder zurück in die Büros müssen, sofern der Arbeitgeber das für richtig hält. Eine Umfrage vom Spiegel zeigt: Die große Mehrheit begrüßt einzelne Lockerungen, auch wenn die wenigsten Befragten diesen sogenannten „Freedom Day“ am Sonntag für einen Tag der Freude halten. Der Großteil von 71 Prozent findet nicht, dass es angesichts der aktuellen Pandemielage wirklich einen Grund zum Feiern gibt.
Homeoffice oder Büro: Was will der Einzelne?
Christoph Magnussen ist Unternehmer. Er hält das Ende der Homeoffice-Pflicht für richtig. „Für Mitarbeitende wird es sinnvoll sein, wenn nicht gar notwendig, wieder physisch nebeneinander zu sitzen und sozial miteinander zu agieren“, erklärt er. Was jetzt viele Beschäftigte bräuchten, sei ein „Reconnect“, womit er echte Begegnungen meint. Der Unternehmer glaubt zwar nicht an ein Zurück zur Präsenzkultur, schlägt aber ein Hybridmodell vor. Anders als Barners Chef, der ebenfalls ein Mix aus Büro und Homeoffice anvisiert, bestimmt er jedoch nicht über die Köpfe seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinweg, sondern lässt sie selbst entscheiden. „Es dreht sich ja viel um die Frage, ob und wie viele Tage die Leute ins Büro wollen“, erklärt er. Bereits zu Beginn der Pandemie zeigt sich, dass es dazu keine einhellige Meinung gibt: Die einen lieben das Homeoffice, andere hassen es. Eine One-fits-all-Lösung gibt es nicht.
„Wenn es mich im Büro braucht, richte ich mich danach.“
Selbst zu entscheiden, bedeutet bei Magnussen tatsächlich komplett frei. „Wer das Büro als ein Tool neben Slack, Zoom, E-Mail, Telefon und so weiter begreift, kann es sich am besten vorstellen“, erklärt der Unternehmer. „Wenn die Aufgabe es nach Meinung der Mitarbeitenden erfordert, face to face im Büro zu sprechen, wird das Team ein Treffen im Büro von ganz allein initiieren.“ Bei Blackboat, dem Beratungsunternehmen von Magnussen, gilt die Faustregel: Freiheit, ohne die Freiheit der anderen zu beschränken. „Das heißt, wenn es mich im Büro braucht, richte ich mich danach. Wir versuchen das als Rücksichtnahme in den Teams zu betrachten.“ Allerdings gibt er auch zu verstehen, dass vor allem die Koordination und das Synchronisieren der Anwesenheit des Öfteren auch eine Herausforderung darstelle. Das sei aber lösbar, fügt er hinzu.
Dass Arbeitgebende besser beraten sind, sich mit den Bedürfnissen der Kolleginnen und Kollegen auseinanderzusetzen, zeigen diverse Umfragen: Angesichts der hohen Corona-Fallzahlen fürchten sich beispielsweise viele Beschäftigte vor einer Covid-19-Ansteckung am Arbeitsplatz im Hinblick auf das Ende der Homeoffice-Pflicht. So gaben 31 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereits im Februar an, sich diesbezüglich zu sorgen. Die Daten stammen aus einer Umfrage des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, die die gemeinnützige Organisation monatlich in Auftrag gibt. Seit Beginn der Pandemie haben 98.000 Beschäftigte teilgenommen. Im „Everywhere Workplace Report 2022“ des Security-Anbieters Ivanti geben zudem drei von zehn Deutschen an, dass die zwangsweise Rückkehr ins Büro derzeit sogar ein Kündigungsgrund für sie wäre.
Auch Michael Barner stellt sein Arbeitsverhältnis gerade aktiv infrage. Die aktuelle Rückbeorderung sei dabei nur ein Teil der Entscheidung. „Seit zwei Jahren diskutiere ich mit der HR über Maßnahmen, die ich als Führungskraft direkt an mein Team weitergeben muss – und das oft mit großem Unbehagen.“ Schon vor der Homeoffice-Pflicht seien die Argumente für die Büropräsenz teilweise haarsträubend gewesen, man habe mit gefühlten Wahrheiten geantwortet. Eine Kündigung wäre gar nicht nur auf die Sorge vor eine Corona-Infektion zurückzuführen, sondern auf die generelle Einstellung des Unternehmens, die er nicht mehr mittragen könne. „Wir sitzen dann im Büro und sprechen am Ende doch wieder nur in die Webcam, da sowieso nicht alle Meeting-Teilnehmer vor Ort sein werden“, so Barner. „Ein besserer Austausch ist so auch nicht möglich.“ Viele in seinem Team würden diese Sicht teilen.
Ende der Homeoffice-Pflicht kein Freifahrtschein
Christoph Magnussen richtet deshalb deutliche Worte an andere Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: „Ihr habt erwachsene Menschen eingestellt, die ihren Job gut können – überlasst ihnen die Entscheidung, anstatt dogmatisch zu handeln.“ Der Unternehmer plädiert für klare Regeln, die nach zwei Pandemiejahren längst erarbeitet sein sollten: „Was hilft, ist Orientierung zu geben, für welche Situationen, welche Form der Zusammenarbeit am besten ist – wann telefonieren wir, zu welchen Themen kommunizieren wir sowieso asynchron und in der Regel schriftlich und wann ergibt es Sinn, sich im Büro zu treffen.“ Derartige Empfehlungen geben Expertinnen und Experten für mobile Arbeit und Homeoffice bereits seit Beginn der Coronakrise. Was für die Arbeit auf Distanz im reinen Homeoffice während Corona funktioniert, funktioniere auch im Hinblick auf ein mögliches Hybridmodell danach.
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Sicher‘ dir jetzt deinen Platz!Dass die aktuellen Lockerungen keinen Freifahrtschein für einen Normalbetrieb darstellen, legt ein entsprechender Entwurf einer Verordnung des Bundesarbeitsministeriums nahe, über den an diesem Mittwoch entschieden wird. Darin steht, dass Arbeitgebende die Gefahr der Virusinfektion zwar selbst einschätzen dürfen, jedoch in einem betrieblichen Hygienekonzept entsprechende Schutzvorkehrungen festlegen sollten. Unternehmerinnen und Unternehmern sei empfohlen, zu prüfen, ob sie den Beschäftigten einen Corona-Test pro Woche anbieten, Schutzmasken bereitstellen oder sie weiter im Homeoffice arbeiten lassen. Auch über Schutzmaßnahmen wie Abstands- und Hygieneregeln oder eine Maskenpflicht sollen Betriebe selbst entscheiden. Inwieweit Unternehmen diesen Empfehlungen nachkommen, bleibt abzuwarten. Kontrolliert wird das von den Behörden nicht.
Für viele Berufstätige wird das Unternehmen – und die eigene berufliche Zukunft darin – nun noch stärker als zuvor am Verhalten der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gemessen. Wo zuvor politische Entscheidungen die Grundlage für betriebliche Maßnahmen waren, liegt die Verantwortung jetzt allein bei den Chefinnen und Chefs. Dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in Zeiten des Fachkräftemangels inzwischen schneller von ihren Jobs lösen und genauso schnell neue Anstellungen finden, beeinflusst immerhin das Machtverhältnis zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden zugunsten letzterer. Der Umgang mit der Sorge im Team wird somit zum wichtigen Faktor der Mitarbeiterbindung. „Das Verhältnis zu solch einem Thema lässt ganz einfach tief blicken“, sagt Michael Barner. Christoph Magnussen fügt hinzu: Wer in seinem Team im Homeoffice bleiben wolle, dürfe das auch weiterhin.
Ich arbeite als Software Entwickler und bin sehr dankbar im Homeoffice bleiben zu können. Der Arbeitsweg ist durch die hohen Benzin Preise einfach sehr teuer geworden, außerdem kostet es auch einfach ne Menge Lebenszeit und Stress ins Büro zu fahren. Zudem habe ich festgestellt das ich Zuhause produktiver bin als im Büro da mich hier niemand ablenkt. In einem Großraumbüro zu arbeiten kann schon herausfordernd sein, grade wenn man sich konzentrieren muss. Ich kann Arbeitgebern nur empfehlen auf moderne Projektmanagement-/ und Zeiterfassungssysteme zu setzten da hierdurch die Produktivität steigt und die eigenverantwortliche Zeitplanung des Mitarbeiters gefördert wird. Generell sollten alle internen Prozesse und Arbeitsaufgaben digitalisiert und weiter optimiert werden. Dann kann die Heimarbeit sehr gut gelingen und alle profitieren.