Brother-Software-Spender: Der erste App-Store der Welt war ein Automat
Der japanische Mischkonzern Brother hat bereits 1986 den ersten App-Store der Welt eröffnet. Der sah aus wie eine Mischung aus einer Spielhallenkonsole und einem Zigarettenautomaten.
Ein App-Store wie ein Zigarettenautomat
Die Idee dahinter war simpel. Wer eine Software kaufen wollte, erwarb leere Disketten und ließ sie von dem Brother-Software-Spender beschreiben.
Das erlaubte es Geschäften, im Grunde jede Software vorrätig zu halten, und Kund:innen, jede Software ohne Lieferzeiten oder die damals üblichen Warteschlangen bei populären Titeln zu erwerben.
Noch wichtiger: Der Brother-Software-Spender mit dem Namen Soft Vendor Takeru demokratisierte den Softwareverkauf. Plötzlich konnten auch unabhängige Entwickler:innen ihre Software auf den Markt bringen.
Demokratisierung des Softwaremarkts
Zuvor waren die Kosten für einen Marktstart schlicht immens gewesen. Die Software musste auf unzählige Disketten geschrieben, ordentlich verpackt und in die stationären Distributionswege eingespeist werden – ohne zu wissen, wie gut sie sich verkaufen würde. Nun waren diese Vorinvestitionen plötzlich entbehrlich, wie One from Nippon erzählt.
Entwickler:innen gaben Brother die Diskette(n). Die wurden auf Brother-Servern hinterlegt und standen zur Auswahl über den Takeru zur Verfügung. Schon damals nahm Brother übrigens 30 Prozent Provision für diese Dienstleistung.
Handbücher, die damals noch durchaus üblich waren, konnten von dem eingebauten Drucker gedruckt werden. Vornehmlich wurde der Takeru für den Kauf von Spielen genutzt.
Und dieses Segment lief Mitte der Achtzigerjahre regelrecht heiß. Die Nachfrage nach Spielen war immens, die Distributoren kamen mit der Herstellung der Verkaufsversionen kaum nach.
Liberalisierung des TK-Marktes ermöglicht private Datenübertragungsnetze
Dass der erste App-Store der Welt ausgerechnet 1986 erschaffen wurde, hatte indes auch etwas mit der Liberalisierung des japanischen Telekommunikationsmarkts zu tun, die 1985 mit der Verabschiedung des sogenannten NTT-Gesetzes erfolgt war. Danach durfte jedermann ein Telekommunikationsnetzwerk aufziehen.
Brother hatte schon zuvor mit der staatlichen Monopol-Telekommunikationsgesellschaft Nippon Telegraph and Telephone (NTT) zusammengearbeitet, um ein Videotex-Netzwerk aufzubauen, eine Art Vorläufer des Internets.
Dabei hatten die Brother-Ingenieure viel Know-how in der Entwicklung von Kompressionsalgorithmen angehäuft. Dieses Wissen kam ihnen nun zugute, denn die Datenübertragung zwischen Brother-Server und Takeru erfolgte komprimiert, um die seinerzeit sehr spärliche Datenbandbreite etwas besser auszunutzen.
Das war dermaßen revolutionär, dass sich der Takeru schnell zu einer Attraktion entwickelte. Lieferzeiten spielten plötzlich keine Rolle mehr, nur Ladezeiten waren relevant.
An ebendiesem Punkt wurde es dann aber auch schwierig für den Takeru. Obwohl die Geräte in Japan sehr beliebt waren und zuletzt in einer Stückzahl von rund 300 Geräten in den Geschäften des Landes standen, nahm Brother den Takeru 1997 vom Markt.
Technische Einschränkungen beschneiden das Potenzial Takerus
Die grundlegende Einschränkung von Takeru waren die Telefonleitungen, die zum Herunterladen der Software benötigt wurden. Die unterstützten damals lediglich Geschwindigkeiten von etwa 1,2 Kilobyte pro Sekunde. Und obwohl die Spiele damals viel kleiner waren als heute, dauerte das Herunterladen eines Spiels immer noch bis zu 20 Minuten.
Das waren nicht nur 20 Minuten, in denen Kund:innen untätig warten mussten, es waren auch 20 Minuten, in denen niemand sonst das Gerät benutzen konnte. Brother nutzte alle technisch möglichen Optionen, um das Problem zu umgehen.
So wurden etwa Kopien beliebter Titel auf der Festplatte des Takeru zwischengespeichert. Die Hardware wurde einer schnellen Evolution unterzogen, um stets das technische Limit zu unterstützen. Zuletzt wurden Nachtzeiten genutzt, um Datenübertragungen von den Servern auf die Takerus zu initiieren.
Wirklich gescheitert ist der Takeru am Ende indes an den überzogenen Erwartungen Brothers. Wie Takeru-Erfinder Yuichi Yamamoto erzählt, sollte er mit seinen Geräten Umsätze von rund 100 Millionen US-Dollar erzielen zu einer Zeit, als der gesamte Spielemarkt in Japan gerade einmal 200 Millionen Dollar wert war. Das Erreichen eines 50-prozentigen Marktanteils hielt Yamamoto für illusorisch. Der Takeru wurde eingestellt, obwohl er schlussendlich Gewinne abwarf.