Migration gegen Fachkräftemangel: Der Koalitionsvertrag kann nur Weichen stellen
Der Fachkräftemangel herrscht überall: Wer einen Handwerker sucht, wartet nicht nur in Städten, sondern auch in ländlichen Regionen bisweilen Wochen. Gastronomen finden keine Köchinnen und Köche oder Kellnerinnen und Kellner mehr. Und der extreme Mangel an Fachpersonal in der Pflege wird während der Coronakrise zu einem riesigen Problem. Wenn Detlef Scheele, Leiter der Bundesagentur für Arbeit, sagt, Deutschland gingen die Arbeitskräfte aus und es brauche künftig pro Jahr an die 400.000 qualifizierte Einwanderinnen und Einwanderer, dann ist das schon eine Ansage. Das umfasst den Maßstab einer deutschen Großstadt. Doch es sind nicht nur Servicekräfte, die wir brauchen, um unser tägliches Leben zu organisieren. Was Deutschland auch und vor allem braucht, sind IT-Fachkräfte, die branchenübergreifend dafür sorgen, dass Wirtschaft und Gesellschaft modern und wettbewerbsfähig bleiben. Allein der Bedarf an Software-Developer ist enorm.
Fachkräftemangel ist ein großes Problem
Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung setzt deshalb genau dort an und will, dass Migrationshürden und anschließend das Bleiberecht aktualisiert werden. So soll die Visavergabe unter anderem durch digitalisierte Prozesse beschleunigt werden. Aufenthaltsgenehmigungen sollen nicht mehr bei vorübergehenden Auslandsaufenthalten erlöschen. Das nach eigenen Worten der Regierungsparteien „komplizierte System der Duldungstatbestände“ soll neu geordnet werden. Gut integrierte Jugendliche sollen nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland und bis zum 27. Lebensjahr die Möglichkeit für ein Bleiberecht bekommen. Menschen, die am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben, nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen, sollen eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten können. Man weiß, dass es ohne ausländische Fachkräfte nicht geht.
Das ist natürlich alles kein Allheilmittel und Naivität ist nicht angebracht. Die Zuwanderung von Fachkräften – auch und vor allem, aber nicht ausschließlich in der IT – muss zwar ein zentraler Bestandteil der Fachkräftesicherung in Deutschland sein. Allerdings kann Zuwanderung allein die immensen Herausforderungen, vor denen wir diesbezüglich stehen, auch nicht lösen. Es braucht vielmehr eine Kombination aus verschiedenen Stellschrauben: gute entsprechende Aus- und Weiterbildungen für junge Schulabgängerinnen und Schulabgänger beziehungsweise für Menschen, die sich im Laufe ihrer Karrieren noch einmal umorientieren und umschulen möchten, dann natürlich die Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren sowie die notwendigen attraktiven Rahmenbedingungen, allen voran vernünftige Gehälter in Niedriglohnsegmenten. Letzteres soll beispielsweise auch die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns von 9,80 Euro auf 12 Euro bringen. Das ist ein guter Anfang.
Einige Dinge kann jedoch auch ein Koalitionsvertrag nicht regeln: Migration wird hierzulande leider immer noch oft mit Skepsis gesehen, dabei sind die Probleme, die damit einhergehen, hausgemacht. Fehlende Deutschkenntnisse der einen, sind oft die Basis der Ressentiments anderer. Die Ressentiments der anderen sind aber oft auch die Basis für fehlende Deutschkenntnisse der einen. Eine Studie von Internations, einem sozialen Netzwerk für Expats, thematisiert, mit welchen Herausforderungen sie hierzulande konfrontiert sind: 55 Prozent der Befragten sagen, es sei schwer, sich mit Deutschen anzufreunden. „Wenn man nicht mehr unter 30 ist und keinen deutschen Partner hat, ist es zumeist schwierig, in Deutschland Freunde zu finden“, sagte etwa eine US-Amerikanerin. Dass die Deutschen Ausländern gegenüber nicht aufgeschlossen seien, urteilte ein Befragter aus Mexiko. „Sie sagen zwar, dass sie diese integrieren möchten, aber meistens geschieht es dann doch nicht.“
Migration und Integration gehören zusammen
Die bürokratischen Weichen für eine nachhaltige Migration von Fachkräften zu stellen, ist vor allem eine Aufgabe der Politik. Und es bleibt zu hoffen, dass die vielen wichtigen Punkte im Koalitionsvertrag nicht nur leere Worthülsen bleiben, und stattdessen, anders als zu Zeiten der Großen Koalition, wirklich an einem modernen Einwanderungsgesetz gearbeitet wird. Die FDP hat sich dafür seit Jahren ausgesprochen, die Grünen gehen das Thema der Zuwanderung sowieso stets progressiv an. Die Sozialdemokraten als damaliger Teil der Groko können jetzt verpasste Chancen wiedergutmachen. Das Leben für Neuankömmlinge in Deutschland aber auch lebenswert zu gestalten, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die jede Einzelne und jeden Einzelnen angeht. Das fängt beim Respekt der Personen an und geht über in ein echtes Interesse an unseren neuen Nachbarn sowie Kolleginnen und Kollegen aus anderen Kulturkreisen. Am Ende ist es doch so: Migration und Integration gehören zusammen.
Die größte Herausforderung ist nach wie vor eine gewisses Abneigung gegenüber Ausländern, die sich durch einige wichtige Bereiche des Lebens zieht. Ich habe in letzten Jahren mehrere Male nach einer Wohnung in Bonn und Düsseldorf gesucht und jedes mal mehrere Makler kontaktiert. Und was soll ich sagen? Trotz gutem Deutsch, überdurchschnittlichem Gehalt und einer unbefristeten Festanstellung in der ach so beliebten IT Branche, haben sich im Durchschnitt 8 von 10 Maklern gar nicht zurück gemeldet, einer meldete sich 3 Wochen später und sagte, dass die Wohnung nicht mehr frei sei und einer war vorurteilsfrei. Dass ein Ausländer keine Schufa Auskunft hat, wenn er gerade aus einem anderen Land kommt, verstehen auch nicht alle sofort.
Warum ist das ein Problem, möchtet ihr wissen?
Für ein Visum braucht man einen Arbeitsplatz und eine Wohnung, nur wollen die meisten Vermieter nichts mit Leuten zu haben, die noch kein Visum und keinen Job haben. Ohne Wohnung kein Visum und ohne Visum keine Arbeit. Irgendwie ist es einfacher, illegal nach Deutschland zu kommen.
Bei Handyverträgen und Autoleasing sieht es auch so ähnlich aus.