Die finnische Regierung plant ein neues Gesetz, das es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglicht, zu überprüfen, was ihre Kollegen verdienen, sobald sie vermuten, dass sie diskriminiert werden. Das Ziel sei, das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen zu schließen. Der konkrete Gesetzentwurf wurde einerseits von Arbeitnehmerverbänden, die ebenfalls mehr Transparenz wollen, befürwortet, andererseits von der größten Arbeitgeberorganisation scharf kritisiert. Der Vorstoß würde in dieser Form mehr Konflikte am Arbeitsplatz schaffen als Probleme lösen. Die Koalition von Premierministerin Sanna Marin treibt die Gesetzgebung dennoch voran, um die Lohnunterschiede zu verringern.
„Im Mittelpunkt des Regierungsprogramms steht die Beseitigung ungerechtfertigter Lohnunterschiede“, sagte Gleichstellungsminister Thomas Blomqvist gegenüber Reuters. „Sie werden jetzt rigoroser angegangen.“ Er sagte, er erwarte, dass das Gesetz vor den Wahlen im April 2023 im Parlament verabschiedet werde.
Laut einem Ranking der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verdienten finnische Frauen im Jahr 2020 satte 17,2 Prozent weniger als Männer. Die Umfrage platzierte Finnland auf Platz 37, deutlich hinter Norwegen (Platz 8), Dänemark (Platz 9) und Schweden (Platz 12) – und das obwohl die Geschlechtergerechtigkeit in Finnland seit Jahrzehnten auf der politischen Agenda steht.
Transparente Gehälter: Verbände sind sich uneinig
Ein Bericht des finnischen Ombudsmanns für Gleichstellung aus dem Jahr 2018 zeigte, dass die Gründe oft denen anderer westeuropäischer Länder ähneln: Dazu zählt die Trennung des Arbeitsmarktes in von Männern und Frauen dominierte Berufe, Väter nehmen zudem weniger Elternzeit als Mütter, und Frauen werden weniger häufig befördert als Männer, da sie nach der Geburt des Nachwuchses länger aus dem Job raus sind und dadurch an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt haben. Auch in Deutschland wirken diese Faktoren ganz ähnlich. Dem Statistischen Bundesamt nach verdienten Frauen 2020 hierzulande 18 Prozent weniger als Männer. Bereinigt um strukturelle Umstände lag der Gender-Pay-Gap zuletzt bei sechs Prozent.
Im Hinblick auf den bevorstehenden Regierungsvorschlag verließ der größte Arbeitgeberverband, der Verband der Finnischen Industrie (EK), im vergangenen November die Arbeitsgruppe für Lohntransparenz des Parlaments aus Protest gegen die schnelle Gesetzesänderung. Die leitende Rechtsberaterin der Gruppe, Katja Leppanen, sagte gegenüber Reuters, dass die EK gerne mehr Forschung zum Lohngefälle betrieben hätte und die Angabe von Lohninformationen freiwillig sein sollte. „Eine verpflichtende Veröffentlichung detaillierter Angaben zu den einzelnen Gehältern würde zu allgemeiner Neugier und einer Verschlechterung des Arbeitsklimas führen“, ließ sie Medien gegenüber wissen.
Die Arbeitnehmergewerkschaften und der Gleichstellungsbeauftragte Jukka Maarianvaara konterten. Sie seien der Meinung, dass in den letzten drei Regierungsperioden genügend Forschung betrieben worden und es nun an der Zeit ist, zu handeln. „Die Lücke zu schließen erfordert eine Änderung der Einstellung und daher ist es notwendig, das Gesetz zu modernisieren, um die Kultur zu ändern“, fügte Katarina Murto, Direktorin von Akava, dem Verband der Gewerkschaften für Fach- und Führungskräfte, hinzu. Die Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs, der Teil des gemeinsamen politischen Programms der Fünf-Parteien-Koalition ist, war schwierig und die Veröffentlichung verzögerte sich. Aber es geht voran.