Viele Frauen haben keinen Spaß am Sex — Kann eine App dagegen helfen?
Viele Frauen leiden unter Schmerzen beim Sex. Studien zufolge etwa jede Fünfte. Expert:innen gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus, da sich Betroffene oft noch immer schämen, über Probleme „da unten“ zu sprechen. Die Schmerzen sind auf eine Verkrampfung der Vaginalmuskulatur zurückzuführen, durch die das Einführen eines Penis, Tampons oder eine gynäkologische Untersuchung für Betroffene schmerzhaft bis unmöglich werden. Schnell entsteht ein Teufelskreis: Die Schmerzerfahrung verursacht Ängste, die wiederum zu weiterer Anspannung oder Verkrampfung führen, sodass sexuelle Situationen in der Folge vermieden und keine neuen positiven Erfahrungen gemacht werden. Bislang gab es kaum Therapieangebote gegen diese als Vaginismus bezeichnete Symptomatik. Eine neue App will das ändern.
Das Startup Hellobetter.de hat ein digitales Therapieprogramm namens „Hellobetter Vaginismus Plus“ entwickelt, das Menschen mit Vaginismus (Verkrampfung der Vaginalmuskulatur) oder Dyspareunie (Schmerzen beim Einführen zum Beispiel beim Geschlechtsverkehr) schnelle und einfach zugängliche Hilfe bietet. Der zwölfwöchige Kurs basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie und wurde zusammen mit Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen entwickelt.
Der Leidensdruck der Betroffenen ist groß
„Vaginismus bringt nicht nur körperliche Schmerzen mit sich, sondern kann auch die Psyche enorm belasten“, sagt die Psychologin und Mitgründerin von Hellobetter.de, Dr. Elena Heber. „Wenn Betroffene das Gefühl haben, dass etwas mit ihrem Intimbereich nicht stimmt, dann führt das in der Regel zu starken Selbstzweifeln, Problemen in der Partnerschaft und zu Verzweiflung. Oft verhindert Scham eine Behandlung und selbst wenn Betroffene Hilfe suchen, gibt es kaum entsprechend ausgebildete Spezialist:innen, sodass der Leidensdruck mit der Zeit immer größer wird.“
Indem die betroffenen Frauen Wissen über ihre Symptome erlangen sowie Coping-Strategien für einen besseren Umgang mit den Beschwerden entwickeln, sollen Ängste und Penetrationsschmerzen gelindert werden können, sodass positive sexuelle Erfahrungen wieder möglich werden. Die Übungen können alleine oder gemeinsam mit dem oder der Partner:in absolviert werden und sind flexibel abrufbar.
Diga-Zulassung ermöglicht Verschreibung auf Rezept
Seit heute ist das Therapieprogramm auch als Diga zugelassen und im Diga-Verzeichnis gelistet. Dadurch kann die App betroffenen Frauen von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen ohne Zuzahlung auf Rezept verschrieben werden. Für die Zulassung musste Hellobetter.de die Wirksamkeit und medizinische Relevanz seiner Applikation in einer klinischen Studie nachweisen.
Bei der klinischen Studie, die an zwei Universitäten in Nürnberg und München durchgeführt wurde, konnten bei Nutzerinnen der „Hellobetter Vaginismus Plus“-App die Schmerzen bei und Ängste vor sexuellen Aktivitäten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe drastisch reduziert werden. Vielen Teilnehmerinnen war es vor dem Durchlaufen des Therapieprogramms entweder gar nicht möglich Sex zu haben, oder nur mit Schmerzen – nach dem Abschluss des Programms war das für die meisten Probandinnen der Studie (wieder) möglich.
Um als offizielle digitale Gesundheitsanwendung (Diga) gelistet zu werden, müssen Anwendungen zunächst das Zulassungsverfahren des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bestehen. Erfüllen die Produkte die Anforderungen, so können sie von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden und werden im sogenannten Diga-Verzeichnis gelistet. Inzwischen gibt es darin 29 dieser „Apps auf Rezept“. Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen können sich hier über die für ihre Patient:innen passenden Produkte informieren und diese dann verschreiben, sodass gesetzlich Versicherte diese kostenfrei nutzen können.
Hellobetter als Serial Diga-Preneur
Die App gegen Vaginismus ist bereits die vierte Diga, die das 2015 gegründete E-Health-Unternehmen Hellobetter.de auf den Markt gebracht hat. Neben „Hellobetter Vaginismus Plus“ gibt es zudem die Apps „Hellobetter Diabetes und Depression“, „Hellobetter Stress und Burnout“ und „Hellobetter ratiopharm chronischer Schmerz“. Neben den vier Digas hat Hellobetter.de auch sechs weitere Therapieprogramme in petto. Die Themen umfassen sowohl die Prävention als auch die Behandlung psychischer Erkrankungen wie Depression, Angst- oder Panikstörungen sowie Vaginismus oder chronische Schmerzen. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Berlin und Hamburg und beschäftigt mehr als 100 Mitarbeiter:innen.