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Fundstück

Kopf ab, Hirn denkt weiter: Wie lange das so ist, testet Wissenschaftler

Wie lange kann unser Gehirn nach dem Tod noch Informationen verarbeiten? Guillaume Thierry, Professor für kognitive Neurowissenschaften, befasst sich mit der Frage.

3 Min.
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Wie lange lebt das Hirn nach dem Tod weiter, bevor es im wahrsten Sinne des Wortes den Geist aufgibt? (Foto: Shutterstock / Orla)

Wie lange arbeitet das Gehirn noch weiter, nachdem es samt Kopf vom Körper abgetrennt wurde? Sehen wir kurz vor dem Tod unser Leben tatsächlich vor unseren Augen vorbeiziehen? Wie lange dauert es, bis wir nach einer massiven Verletzung wie dem Abtrennen des Kopfes tatsächlich das Bewusstsein verlieren?

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Wissenschaftler stellt sich krasse Frage

Über solche Fragen philosophiert der Neurowissenschaftler Guillaume Thierry von der Universität Bangor im US-Bundesstaat Maine in einem Debattenbeitrag für The Conversation. Danach lässt ihn die Frage nicht mehr los, seit er als Jugendlicher im Alter von 15 Jahren vom Einsatz der Guillotine während der Französischen Revolution erfuhr.

Hinweis: Dieser Artikel stammt aus unserem Archiv und hat besonders viele Leser:innen interessiert.

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„Soweit wir heute wissen, stirbt das Gehirn sechs Minuten, nachdem das Herz aufgehört hat zu schlagen“, schreibt Thierry. „Dann erreicht der Verfall einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, und das Kernbewusstsein – unsere Fähigkeit zu spüren, dass wir im Hier und Jetzt sind, und zu erkennen, dass unsere Gedanken unsere eigenen sind – geht verloren.“

In Laborexperimenten mit Mäusen konnte diese Hypothese bestätigt werden. Die neuronale Aktivität hatte dabei weniger als eine Minute nach dem Verlust des Bewusstseins aufgehört.

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Thierry will aus diesen Experimenten keine gesicherten Schlüsse für den Menschen ziehen. Immerhin gebe es viele Berichte von Nahtoderfahrungen, im Rahmen derer Betroffene erzählt hatten, dass ihr Leben vor ihren Augen abgelaufen war.

„Wenn Menschen in extremen Fällen nach sechs, sieben, acht oder sogar zehn Minuten wiederbelebt werden können, könnte es theoretisch Stunden dauern, bis ihr Gehirn vollständig abschaltet“, argumentiert Thierry.

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Zufallsstudie gibt Hinweise

Natürlich sei es äußerst schwierig und bioethisch problematisch, die Hirnaktivitäten Sterbender aufzuzeichnen und zu untersuchen. Anfang März war eine Studie veröffentlicht worden, in deren Rahmen es zufällig gelungen war, die Gehirnströme eines 87-jährigen Epilepsiepatienten beim Sterben aufzuzeichnen.

Die Studienergebnisse zeigen, dass einige Hirnströme ihre Muster auch dann noch ändern können, wenn der Patient gestorben ist und kein Blut mehr ins Gehirn fließt. Damit könnte etwas an der Theorie dran sein, dass wir tatsächlich in der Lage sind, unser Leben vor unseren Augen ablaufen zu sehen.

Wozu soll das letzte Aufblitzen der eigenen Biografie vor dem Tod gut sein?

Für Thierry sind die Studienergebnisse nicht aussagefähig genug. Immerhin hätten die Forschenden „nur über die Hirnaktivität berichtet, die über einen Zeitraum von etwa 15 Minuten aufgezeichnet wurde, einschließlich einiger Minuten nach dem Tod“. Das würde nichts dazu aussagen, was danach passiert.

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Und so bleibe es eine Frage der Interpretation. Die verfügbaren Theorien überzeugen Thierry allesamt nicht. Eine besteht in der Annahme, dass der Eindruck, das Leben würde an einem vorbeiziehen, ein „völlig künstlicher Effekt“ sein, der mit „dem plötzlichen Anstieg der neuronalen Aktivität einhergeht, wenn das Gehirn beginnt, sich abzuschalten“. Eine andere Theorie sieht es als eine Art „letzten Ausweg, ein Verteidigungsmechanismus des Körpers, der versucht, den drohenden Tod zu überwinden“. Wieder andere vermuten, dass es „ein tief verwurzelter, genetisch programmierter Reflex“ sei, der unseren Geist „beschäftigt, während sich das zweifellos erschütterndste Ereignis unseres gesamten Lebens“ abspiele.

Die große existenzielle Frage

Thierry präferiert eine weit philosophischere Antwort. Unter der Annahme, dass unser wichtigster existenzieller Antrieb darin besteht, den Sinn unserer eigenen Existenz zu verstehen, „könnte das Vorbeiziehen unseres Lebens unser letzter Versuch sein – wie verzweifelt auch immer -, eine Antwort zu finden, die notwendigerweise beschleunigt wird, weil uns die Zeit davonläuft“.

Thierry hofft nun, „dass künftige Forschungen auf diesem Gebiet mit längeren Messungen der neuronalen Aktivität nach dem Tod, vielleicht sogar mit bildgebenden Verfahren des Gehirns, die Idee unterstützen werden“, dass es den bisher nur gefühlten Effekt, das Leben eines Menschen liefe vor dem Tod ein letztes Mal vor seinen Augen ab, tatsächlich gibt. Den Grund dafür würden wir dadurch indes noch immer nicht erfahren.

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