Geopolitik vs. Wirtschaft: Intel soll trotz Chipknappheit Produktion in China nicht steigern

Die Halbleiterproduktion wird immer mehr zum Politikum. (Foto: Quardia/ Shutterstock)
Rückschlag für Intel – der Vorschlag des weltgrößten Chipherstellers, eine Fabrik im chinesischen Chengdu für die Herstellung von Siliziumwafern zu nutzen, trifft auf die Ablehnung des Weißen Hauses. Das berichtet Bloomberg unter Berufung auf mit dem Prozess vertraute Personen.
Vorschlag hätte schnelle Linderung versprochen
Der besondere Charme dieses Vorschlags hatte darin bestanden, dass die zusätzliche Produktion relativ kurzfristig hätte aufgenommen werden können. So hätten sich die weltweite Versorgungsknappheit schnell lindern lassen. Den Vorschlag hatte Intel ergänzend zu dem Bemühen um staatliche Unterstützung für die Steigerung der Produktion in den USA gemacht. Auch in Europa sollen neue Werke entstehen. Die Vorlaufzeiten bis zur Produktion sind indes zu lang, um kurzfristige Lieferverbesserungen zu zeitigen.
Aus dem Weißen Hauses sollen dem Vorhaben schwere Sicherheitsbedenken entgegengehalten worden sein. Es heißt, die Biden-Administration habe „nachdrücklich von diesem Vorhaben abgeraten“. Ein Vertreter des Weißen Hauses bestätigte zwischenzeitlich, die Regierung sei „sehr darauf bedacht, China daran zu hindern, US-Technologien, Know-how und Investitionen zur Entwicklung modernster Fähigkeiten zu nutzen“, die zu Menschenrechtsverletzungen oder Aktivitäten beitragen könnten, die die nationale Sicherheit der USA bedrohen.
Spannungsfeld zwischen Interessen der Wirtschaft und Geopolitik
Die Ablehnung der Biden-Administration zeigt deutlich, in welchem Spannungsfeld sich die globale Industrie bewegen muss. Der Chipmangel behindert am deutlichsten die Technologie- und Autoindustrie, die auf Umsatzeinbußen reagieren muss und das häufig auch mit Personalabbau tut. Die US-Industrie hat sich an die US-Regierung gewendet und deutlich gemacht, dass es regulatorische Eingriffe und stärkerer Unterstützung bedürfe, um die Situation zu entspannen. Die wiederum sieht sich zwar einerseits in der Pflicht, will aber andererseits die Produktion lebenswichtiger Komponenten zurück in die USA bringen.
Intel reagiert diplomatisch und erklärt, es sei weiterhin offen für „andere Lösungen, die uns helfen, die hohe Nachfrage nach Halbleitern zu befriedigen, die für Innovation und Wirtschaft unerlässlich sind“. Man werde sich jetzt auf „den erheblichen Ausbau unserer bestehenden Halbleiterfertigung und auf unsere Pläne, zweistellige Milliardenbeträge in neue Waferfertigungsanlagen in den USA und Europa zu investieren,“ konzentrieren.
52-Milliarden-Förderung in den USA kommt nicht in Gang
Große Hoffnungen setzen die US-Hersteller in eine bevorstehende Förderung. Der Kongress debattiert über die Freigabe von 52 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung der inländischen Forschung und Fertigung. Dieses sogenannte Chips-Gesetz ist indes seit Monaten umstritten und wird von den republikanischen Vertretern im Repräsentantenhaus blockiert. Joe Biden und die Handelsministerin Gina Raimondo sehen in der Förderung eine maßgebliche Möglichkeit, mit China zu konkurrieren und längerfristig Lieferengpässe zu vermeiden.
Der Zweck des Chips-Gesetzes sei es, „eine geringere Abhängigkeit von anfälligen Lieferketten zu gewährleisten, auch in Bezug auf Halbleiter“, so die Erklärung des Weißen Hauses. Der einzige Hinderungsgrund für die Umsetzung bestehe derzeit darin, dass der Kongress die Mittel noch nicht bewilligt habe.
Industrie verliert Milliarden, weil Komponenten fehlen
Viel Zeit ist nicht mehr. Während sich die politischen Lager streiten, verlieren allein die US-Autobauer mehr als 200 Milliarden Dollar an Einnahmen. Belegschaften aus stillgelegten Werken erwarten politische Unterstützung und fordern diese lautstark ein. Auch im Technologiebereich gibt es Einbußen. So rechnet selbst Apple, das als Unternehmen mit perfekt abgestimmten Lieferketten gilt, allein im vierten Quartal 2021 mit Umsatzeinbußen von mehr als sechs Milliarden Dollar, weil das Unternehmen nicht genügend Komponenten bekommt.
Intel-Chef Pat Gelsinger versucht sich unterdessen als Lobbyist. Er argumentiert, dass eine zu starke Abhängigkeit von der nach Asien ausgelagerten Produktion in Asien ein Risiko für die Lieferkette darstellt und setzt sich dafür ein, dass weltweit öffentliche Gelder zur Verfügung gestellt werden, um die Verbreitung von Chipfertigungskapazitäten in verschiedenen Regionen zu unterstützen.
Intel selbst wird zwei neue Werke in der Nähe eines bestehenden Standorts im US-Bundesstaat Arizona eröffnen und hat zudem die Errichtung großer Fertigungsanlagen in Europa angekündigt.