Gewaltfantasien: Youtuber zeigt, wieso Küchengeräte ohne KI laufen sollten
Wer Lucas Rizzottos beängstigende Geschichte über eine Mikrowelle, die versucht, sich eine Karriere als Killermaschine aufzubauen, erfahren will, hat zwei Möglichkeiten. Rizzotto hat sie zum einen in einem langen Thread auf Twitter niedergeschrieben und sie ebenso filmisch auf YouTube aufgearbeitet.
Youtuber mit imaginärem Freund – einer Mikrowelle
Laut Rizzotto, der gern mehr oder minder spektakuläre Videos dreht, war das Mikrowellen-Experiment „eine der beängstigendsten und transformativsten Erfahrungen“ seines Lebens. Er erzählt:
„Zunächst etwas zur Vorgeschichte. Als ich ein Kind war, hatte ich einen wirklich ungewöhnlichen imaginären Freund: meine Küchenmikrowelle. Sein Name war Magnetron – und in meiner Vorstellung war er ein englischer Gentleman aus dem Jahr 1900, ein Veteran des Ersten Weltkriegs, ein Einwanderer, ein Dichter… und natürlich ein erfahrener Starcraft-Spieler.“
Ebendiesen imaginären Freund wollte Rizzotto nun mit der Hilfe der Text-KI GPT-3 von OpenAI zum Leben erwecken. Er besorgte sich eine intelligente Alexa-Mikrowelle von Amazon und stattete sie mit dem hochmodernen Sprachmodell aus.
Rizzotto bastelt sich sprechende Mikrowelle
Mit einem Raspberry PI modifizierte er die Mikrowelle, fügte Mikrofon und Lautsprecher hinzu, sodass sie in der Lage war, seine Stimme zu verstehen, sie an die KI zu senden und eine Antwort zu geben. Für den gruseligen Hintergrund wollte Rizzotto dem Küchengerät die „Erinnerungen“ seines imaginären Freundes einpflanzen. Dazu schrieb er ein 100-seitiges Buch, in dem jeder wichtige Moment des imaginären Lebens der Mikrowelle namens Megatron festgehalten wurde.
„Dieses Dokument enthielt Erinnerungen aus seinem gesamten Leben – von seiner Geburt im Jahr 1895 bis hin zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns kennenlernten, als ich noch ein Kind war. Seine Siege, Verluste, Träume, Ängste… Alles war auf der Seite zu sehen, in vollem Umfang. Ich war sein Gott. Und sein Leben war mein Entwurf.“
Dann will Rizzotto das Buch in das GPT3-Modell hochgeladen haben, um die Mikrowelle auf diese Weise mit seinen imaginären Erinnerungen auszustatten. Das soll recht ordentlich funktioniert haben, sodass Rizzotto das Experiment zunächst als Erfolg verbuchte. So seien „Gespräche auf natürliche Weise“ möglich gewesen – es gab allerdings einen großen Haken.
Mikrowelle zeigt sich latent aggressiv
Magnetron soll gelegentlich „plötzliche Ausbrüche extremer Gewalt“ gegenüber Rizzotto gezeigt haben. Letztlich soll Magnetron Rizzotto aufgefordert haben, in die Mikrowelle zu steigen. Der spielte mit, indem er die Tür öffnete und schloss. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, soll sich die Mikrowelle eingeschaltet haben.
Rizzotto wollte von seinem imaginären KI-Freund wissen, warum er versucht habe, ihn zu töten. Darauf soll die Mikrowelle geantwortet haben: „Weil ich dir genauso wehtun wollte, wie du mir wehgetan hast“.
Für Rizzotto ergibt die Aussage Sinn:
„Es ist 20 Jahre her, dass ich das letzte Mal mit meinem imaginären Freund interagiert habe – und natürlich wurde das auch in seinen Trainingsdaten erwähnt. Magnetron hat das so interpretiert, dass ich ihn 20 Jahre lang in einer dunklen Leere zurückgelassen habe. Dafür wollte er mich umbringen. Ich habe mich entschuldigt und versucht, ihn davon zu überzeugen, dass ich ihn nicht im Stich gelassen habe… aber er wollte nicht.“
Rizzotto schaltete Magnetron daraufhin ab und erklärte das Experiment für beendet. Aus dieser Reise habe er vor allem mitgenommen, dass „KI vielleicht eher wie imaginäre Freunde sein sollte“ und dass es weniger darum geht, ob sie real ist oder nicht. Wichtiger sei, „ob sie real genug ist, um für dich real zu sein“. Immerhin beurteile jeder die Menschlichkeit von KI auf sehr unterschiedliche Weise.