„Wir müssen erst einmal etwas verdienen, bevor wir etwas ausgeben können.“ Diesen Satz hörte eine Freundin von mir neulich in einem Projektteam. Es geht um diese Art von Nebenbei-Projekt, die Menschen starten, um neben ihren Brotjobs noch etwas glücklicher zu werden. Meine Freundin wollte einen hochwertigen Newsletter für das Team aufsetzen, um mehr Menschen zu erreichen. Dafür wollte sie in ein kostenpflichtiges Tool investieren. Einer ihrer Mitstreiter wollte das nicht.
Sie stehen damit vor dem klassischen Henne-Ei-Problem: Soll man zuerst investieren, um etwas größer zu starten, oder ist es klüger, erst einmal mit geringstmöglichen Investitionen den Markt zu testen?
Es gibt keine allgemeingültige Lösung für dieses Problem, es gibt nur Haltungen: Wer selbstständig arbeitet oder aus einem eher aufgabenfreundlichen Umfeld stammt, wird eher geneigt sein, ein gewisses Risiko einzugehen. Wer dagegen zurückhaltender wirtschaftet, der wird das nicht tun. So steht es zumindest um die Fronten zwischen Schwarz und Weiß, Ja und Nein, Mut oder Vorsicht.
Die Illusion von Gewinn und Verlust
Doch die Aussichten einer Geschäftsidee liegen nicht nur im Investitionswillen der Macherinnen und Macher. Investitionen bestehen nicht nur aus Geld. Und die Befriedigung eines Projekts liegt nicht nur in der Bilanzsumme. Anders gesagt: Wer in ein Sportstudio geht, der verdient damit auch nichts. Die Workation ist in der Regel ein Minusgeschäft. Und wer beruflichen Ruhm auf Instagram anstrebt, der wird sehr viel Zeit investieren müssen und sollte in den ersten Monaten bei der Berechnung des Stundenlohns lieber nicht zu genau hinsehen. Das alles ist ärgerlich – Totschlagargumente sehen wir hier aber nicht.
Gewinne und Verluste im Berufsleben werden zunehmend zu einer Illusion. Früher war die Bilanz übersichtlich: Aktentasche packen, alle zwei Jahre neue Lederschuhe und ab ins Büro, Arbeitszeit ist Geld, Überstunden sind Geld, Weiterbildung wird angeordnet und Feierabend ist Feierabend. Strich drunter.
Heute investieren Menschen Zeit und Einsatz in ihre Karriere. Sie erhoffen sich davon Aufstiegsmöglichkeiten und eine Absicherung gegen Stagnation und Abstieg. Innerhalb eines Systems von Angestellten und Firmen mögen die Erfolgsaussichten dieser Idee noch überschaubar sein. Wer aus diesem System herausdenkt, der tut gut daran, den Wert von Investitionen etwas offener zu betrachten.
Der Lohn der Investition
Investitionen sollen sich lohnen, da sind wir uns wohl alle einig. Wann aber hat sich eine Investition gelohnt? Da können in selbstständigen Arbeiten andere Faktoren relevant werden als in reinen Konzern-Jobs. Wer in seine abhängige Erwerbstätigkeit investiert, der will einen Lohn dafür. Alles darüber hinaus ist Teil der Persönlichkeitsstruktur. Bei Nebenprojekten lohnen sich andere Fragen. Einige von ihnen:
- Wird dieses Projekt mir Spaß machen? Ja, wir dürfen uns trauen, diese Frage einmal zu stellen – und der Freude an der Arbeit einen Wert beimessen. Und dieses Spaß-Projekt, das gerade nur etwas glücklicher machen soll, das könnte später mal ein richtiger Job werden.
- Wird dieses Projekt meiner Personenmarke dienen? Diese Frage könnte für langfristige Ziele relevant sein, zum Beispiel, um einen Status als Expertin oder Experte zu erreichen.
- Muss ich investieren, um meinem Anspruch gerecht zu werden? Klein zu starten, ist natürlich immer möglich – aber wenn der Auftritt dann nicht dem Niveau entspricht, das man selbst zeigen möchte, dann könnte das Projekt sogar schaden.
- Macht die Investition das Projekt bequemer? Vielleicht sorgt schon eine kleine Ausgabe dafür, dass der Zeiteinsatz geringer wird. Das lohnt sich also auch in der Bilanz.
Wir Erwerbstätigen der Gegenwart sind auf Effizienz getrimmte Generationen: Was wir tun, das soll sich lohnen. An dieser Haltung ist nichts Falsches, aber es lohnt sich, den Blick zu öffnen. „Lohnen“ darf auf alle möglichen Arten definiert sein. Unsere Eltern oder Großeltern bauten Eisenbahn-Modelle oder Windmühlen, sie sammelten seltene Briefmarken oder züchteten Tauben. Hat sich das gelohnt? Natürlich! Sie hatten eine ganz andere Idee davon, was sich lohnt und wie sich dieser Lohn anfühlt. Vielleicht hätten sie uns das auch mal beibringen sollen. Aber lernen können wir es immer noch.
Ich habe auch mit einem Kumpel seit 7 Jahren ein kleines Musiklabel mit Online-Shop. Wird gründeten damals, weil wir einfach Bock drauf hatten. Summa summarum habe wir zusammen schon fast 5000€ reingesteckt. Wir haben vor einiger Zeit unsere anderen Selbstständigkeiten dort mal zusammengefasst. Inzwischen sind wir beim Labelabschnitt bei +-0 und die anderen beiden Geschäftsfelder machen sogar einen kleinen Gewinn.
Ich persönlich nutze die Zeit dort um neue Techniken auszuprobieren und meine Skills zu erweitern, die bei meiner täglichen Arbeit zu kurz kommen. Auch Weiterbildungen finanziere ich mir mit dem kleinen Zubrot. Zudem macht es auch ziemlich Spaß mit den Künstler:innen zu arbeiten und deren Musik bekannter zu machen.