In Zukunft könnte schon bald unser Auto Bezahlvorgänge vornehmen – das Kramen nach Kleingeld für den Parkscheinautomat, der Bezahlvorgang an der Tankstelle und das Anstehen an der Kasse könnten dann der Vergangenheit angehören. „In-Car-Payment“ oder „In-Car-Commerce“ nennt sich die neue Technologie, die vor allem Autohersteller und Technologieunternehmen aus der Payment-Szene voranbringen wollen.
Werden wir damit zum gläsernen Autofahrer? Ja und nein, denn einerseits wäre natürlich das Zuordnen zu Bezahlvorgängen und dem dazugehörigen Ort möglich, andererseits hat die Payment-Szene gezeigt, dass eine Zahlungsauslösung auch ohne Datenweitergabe erfolgen kann. Möglich werden so völlig neue Services und Geschäftsmodelle.
Auch das Interesse der Autofahrer:innen nimmt zu. Wie eine Studie des Marktforschungsunternehmens GfK im Auftrag von Mastercard zeigt, können sich in Deutschland bereits 46 Prozent der Autofahrer:innen vorstellen, direkt über das Display im Fahrzeug einzukaufen und zu bezahlen. Im vergangenen Jahr zeigten erst 18 Prozent der Deutschen Interesse an In-Vehicle-Commerce.
Männer stehen der neuen Technologie deutlich aufgeschlossener gegenüber als Frauen (53 zu 40 Prozent). Im Vergleich der Altersgruppen zeigt sich, dass In-Vehicle-Commerce vor allem bei der jüngeren Zielgruppe gut ankommt. Shopping im Auto stößt bei den 18- bis 29-Jährigen mit 60 Prozent sowie bei den 30- bis 39-Jährigen mit 69 Prozent auf besonders großes Interesse.
Vereinfachung und Mehrwert durch In-Car-Payment offensichtlich
Anders als bei vielen anderen Commerce-Anwendungen ergibt sich hier der Mehwert durchaus mal relativ einfach: Angefangen beim Bezahlen von Parkgebühren im Parkhaus über Mautlösungen auf Autobahnen bis hin zum Tanken oder Laden und zur Autowäsche – Szenarien lassen sich hier schnell finden. Die Befürworter von In-Vehicle-Commerce möchten vor allem alltägliche Auto-nahe Services über ihr Fahrzeug nutzen und bezahlen.
Bei der Mehrheit stehen Parkgebühren (74 Prozent) sowie das Tanken von Autos beziehungsweise das Laden von Elektrofahrzeugen (72 Prozent) an oberster Stelle. Viele können sich vorstellen, die Waschanlage (61 Prozent) oder Mautgebühren (58 Prozent) per Auto zu bezahlen. 44 Prozent interessieren sich für Drive-in-Services: So ließen sich beispielsweise morgens der Kaffee und das Frühstück im Auto per Sprachassistent ordern und auch direkt bezahlen. Ohne Aussteigen und Wartezeit könnte die bereits bezahlte und fertige Bestellung direkt am Schalter abgeholt werden. 24 Prozent der Befragten würden direkt über das Display im Auto die Autowerkstatt und 17 Prozent ein Hotelzimmer buchen und bezahlen.
Analysten der belgischen Ptolemus Group glauben an einen Umsatz von 537 Milliarden Euro pro Jahr bis zum Ende des Jahrzehnts – bei etwa 600 Millionen Fahrzeugen weltweit. Das setzt freilich flächendeckende Netzanbindung voraus, was mit 5G sicherlich bis dahin realistisch ist, selbst in Deutschland. Dabei geht es übrigens gar nicht mal um die 5G-typisch hohen Geschwindigkeiten, sondern eher um das zuverlässige Auslösen und Erkennen von Devices. Wichtiger werden hier, sobald verfügbar, intelligente automatisierte M2M-Paymentprozesse zwischen Maschinen, namentlich dem Auto und Smart-City-Einheiten.
Serviceanbieter und Autohersteller könnten an der Preisschraube drehen
Feuchte Augen bekommen die Autohersteller angesichts der Tatsache, dass in Zukunft auch einzelne Funktionen des Autos, die softwareseitig freigeschaltet werden, nicht mehr permanent vorhanden sind, sondern dem Kunden „per Use“ oder via Abo-Modell in Rechnung gestellt werden könnten. Hier zeigt sich bei den Jüngeren ebenfalls ein deutlich höheres Interesse. Bei den 18- bis 29-Jährigen ist es schon fast jeder Zweite (48 Prozent) und bei den 30- bis 39-Jährigen sogar 54 Prozent der Autofahrer:innen, die solch einem Nutzungsmodell aufgeschlossen gegenüberstehen.
Billiger wird das allerdings wohl nicht werden – denn anders als bei anderen Anwendungen sind die Features ja stets fest verbaut und fallen kostenmäßig ohnehin an. Ob davon also der Kunde oder die Kundin finanziell etwas hat, bleibt abzuwarten. Besonders attraktiv und wahrscheinlich wären optional zubuchbare Geo-basierte Services wie ein Karten-Upgrade (39 Prozent), die GPS-Fahrzeugortung (36 Prozent), die Nutzung des Navigationssystems (35 Prozent) oder die GPS-Fahrtenaufzeichnung (29 Prozent). Aber auch Komfortfunktionen wie eine Sitzheizung (34 Prozent), ein beheiztes Lenkrad (30 Prozent) oder Infotainmentsysteme (23 Prozent) würden die Befragten freischalten lassen.
Auf die Zuverlässigkeit und Sicherheit kommt es an
Der Punkt, mit dem all das steht und fällt, sind Zahlungssicherheit und der Schutz von Verbraucherdaten, um Bezahlvorgänge im Auto zu ermöglichen. Das bestätigt übrigens auch die GfK-Umfrage: 36 Prozent derer, die In-Vehicle-Commerce ablehnen, haben Bedenken bezüglich des Datenschutzes und 37 Prozent sorgen sich um die Sicherheit der Bezahlprozesse. Dabei lassen sich die Zahlungssysteme mit Techniken und Ansätzen ähnlich wie bei mobilen Sicherheitssystemen schützen, beispielsweise mit Multi-Faktor-Authentifizierungsverfahren, Verschlüsselung der Daten durch Tokenisierung oder Warnsysteme, die eine frühzeitige Betrugserkennung und -vermeidung ermöglichen.
Wann wir solche nahtlosen und integrierten Bezahlvorgänge sehen werden, hängt von jedem einzelnen Nutzer ab. Doch gerade in diesem Kontext könnte die Convenience, ähnlich wie wir das von E-Commerce-Anwendungen kennen, zur Akzeptanz beitragen. Wenn also viele erst einmal sehen, wie einfach die Handhabung ist, könnte das die Bedenken zerstreuen und den für die Anbieter solcher Services attraktiven Abo-Modellen Vorschub leisten. Realisieren lässt sich sowas schließlich mit jeder hinterlegten Karte oder Bezahllösung – und so dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis Player wie Visa, Mastercard, Paypal, aber auch Apple, Amazon und Google um die Zahlungshoheit in den Fahrzeugen kämpfen.