Für die Vertriebsrechte an seinem Indie-Game „Scrabdackle“ wollte ein Spiele-Publisher dem Entwickler Jakefriend eine halbe Million US-Dollar zahlen. Kein schlechtes Angebot, wenn man bedenkt, dass er die Spielentwicklung bis dato über eine Crowdfunding-Kampagne finanziert hatte, über die er umgerechnet knapp 30.000 Euro eingenommen hat. Mit den Vertragsbedingungen konnte sich der Solo-Spieleentwickler allerdings nicht anfreunden. „Jeder weiß, dass ein Unternehmen seine eigenen Interessen schützen wird, und das ist auch gut so. Ich würde nicht erwarten, dass jemand einen sechsstelligen Betrag in mich investiert, ohne das Risiko stark zu mindern. Aber der Grad der Kontrolle ging weit darüber hinaus, mit irrsinnigen Strafen bei Vertragsbrüchen für mich – und keine für sie“, so der Indie-Entwickler auf Twitter.
Jakefriends größtes Problem an dem vorgelegten Vertrag: Sollte er auf irgendeine Art vertragsbrüchig werden, gingen die Rechte an seinem Spiel vollständig an den Publisher. Gleichzeitig müsste er in dem Fall auch sämtliche Kosten für die Beendigung des Spiels tragen – ohne dass im Vertrag eine Obergrenze dafür angegeben wäre. „Hier bin ich also, ein 30-jähriger Solo-Entwickler, der, wenn ihm sein Spiel weggenommen wird, auch noch Schulden hat“, erklärt der Spieleentwickler die Problematik. Da das Geld des Publishers für seine Lebenshaltungskosten draufgehen würde, wäre der Entwickler nach eigener Einschätzung im schlimmsten Fall lebenslang verschuldet. Dem Indie-Spielemacher zufolge könnte auch schnell ein Vertragsbruch herbeigeführt werden, wenn der Publisher das wirklich wollte. Immerhin hätte das für das Unternehmen dann den Vorteil, dass sie das Spiel umsonst bekämen und auch kein Geld an dessen ursprünglichen Entwickler zahlen müssten.
Aber auch ohne die Gefahr einer lebenslangen Verschuldung sieht der Entwickler gewisse Probleme mit dem Vertrag. Zwar wäre die vorgeschlagene Teilung des Gewinns zu gleichen Teilen theoretisch durchaus profitabel, allerdings müsste er erst eine Viertelmillion zurückzahlen. Und selbst danach sollte er laut Vertragsentwurf erst 30 Tage nach Ende des Quartals bezahlt werden. Er müsste im Zweifel demnach vier Monate auf sein Geld warten. Auch wenn der Publisher etwaige Änderungen am Spiel wünscht, kann sich der Entwickler laut Vertrag nicht dagegen wehren. Theoretisch könnte das Vertriebsunternehmen einfach einen anderen Entwickler dafür anheuern, die gewünschten Änderungen durchzuführen. Die Kosten dafür wiederum würden ebenfalls bei ihm hängenbleiben.
Indie-Game-Szene kennt das Problem
Jakefriends Twitter-Thread über den Vertrag hat unter Spiele-Entwickler:innen zu viel Aufmerksamkeit geführt. Aus den Kommentaren lässt sich herauslesen, dass mehrere andere Indie-Game-Entwickler:innen in der Vergangenheit ähnliche Verträge erhalten haben. „Es handelt sich nicht um ein einzelnes räuberisches Unternehmen, sondern um eine Branche, die uns ausnutzt, indem sie die Mentalität des ‚einen faulen Apfels‘ übernimmt. Das IST die Norm“, fasst Jakefriends zusammen, der den Namen des Publishers nicht nennen möchte, denn am Ende wäre es die gesamte Branche, die Entwickler:innen im Stich lasse, und nicht nur die eine Firma.
Grundsätzlich gibt es nur wenige öffentlich zugängliche Informationen über die Verträge zwischen Publishern und Spieleentwickler:innen. Schon weil diese Verträge meist eine Klausel enthalten, die öffentliche Äußerungen dazu unter Strafe stellen. Eine lobenswerte Ausnahme machte im letzten Jahr der schwedische Indie-Game-Publisher Raw Fury, als er den Standardvertrag des Unternehmens ins Internet stellte. Auch bei diesem Vertrag gab es aber durchaus Diskussionen darüber, wie fair er am Ende wirklich für die Spieleentwickler:innen ist. Aber immerhin haben die dadurch etwas an der Hand, um ihre Verträge mit dem von Raw Fury zu vergleichen.
Warum soll es in der Spieleszene anders sein, als in anderen Kreativ- und Kunst-/Medienbranchen. Überall wird der Künstler, der Kreative vom Publishing und Vertrieb ausgenommen.