Coronazeiten sind schwierige Zeiten für den Handel – doch die Situation gestaltet sich für die Geschäfte vor Ort sehr unterschiedlich. Während Handelsunternehmen in Branchen wie Bekleidung – der deutsche Präsenzhandel hat hier im letzten halben Jahr rund ein Drittel seines Geschäfts verloren – Schuhe, Schmuck oder Spielwaren starke Einbußen hatten, profitieren etwa Outdoor- und Fahrradbereich überdurchschnittlich. Wie sich das Geschäft zu Weihnachten verändern wird, bleibt abzuwarten, aber als sicher gilt bereits heute, dass der Anteil des Handels, der in die digitalen Kanäle abgewandert ist, auch danach nicht wieder ins Präsenzgeschäft zurückkehren wird. Zahlen aus China belegen dies – und es steht zu befürchten, dass das auch in Deutschland nicht anders sein wird.
Google hat jetzt in Kooperation mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) die Initiative Zukunft Handel vorgestellt. Man wolle in diesem Rahmen (zusammen mit weiteren Partnern) die Kräfte bündeln und ein Digitalisierungsprogramm für den Einzelhandel anbieten. Ein Paket aus Instrumenten und Trainings, das die teilnehmenden Unternehmen Schritt für Schritt vom klassischen Ladengeschäft (offline) hin zu einem hybriden Betrieb (offline und online) begleiten soll, steht ab sofort zur Verfügung. Ziel ist es, das stationäre Geschäft mithilfe von Online-Tools zu stärken und zukunftsfähig zu machen. Der HDE verschickt dazu übrigens tatsächlich physische Informationspakete an Händler, zu dem auch ein telefonischer Support in den nächsten Monaten gehören wird.
Zielgruppe: Kleinere und mittlere Händler vor Ort
Im Fokus der Initiative stehen kleine Handelsbetriebe und Ladenbesitzer. Bei diesen stehen einer eigenen Website oder einem (selbst einfachen) E-Commerce Angebot oft fehlende Zeit oder mangelndes Know-how im Weg. Der HDE geht davon aus, dass rund jeder zweite Händler in Deutschland noch keine eigene Website hat – es bestehe also ein großer Nachholbedarf für die digitale Sichtbarkeit.
Hier will Zukunft Handel mit einem niederschwelligen Angebot Abhilfe schaffen, das ohne größere finanzielle Aufwendungen die Händler in die Lage versetzt, zumindest eine einfache Onlinepräsenz zu schaffen. Eine Kooperation mit Ionos und Jimdo ermöglicht es Händlern zudem, für kleines Geld eine Website oder einen einfachen Webshop einzurichten. Gleichzeitig will Google die Händler an die My-Business-Einträge heranführen und bietet kostenlose Daten- und Diagnosetools, mit denen Händler vor Ort, die bereits eine Website haben, ihren Umsatz optimieren und auswerten und die Webpräsenz verbessern können. Neue Unternehmen erhalten darüber hinaus ein Werbebudget in Höhen von 120 Euro.
Zudem rufen die Partner HDE und Google einen neuen Zukunft-Handel-Award aus, der positive Beispiele hervorheben und inspirieren soll. Dazu werden in sechs Kategorien (Gründergeist, Netzwerker, Umweltretter, Onlinekönner, Marktplatzmacher, Durchstarter (Sonderpreis: Covid-19)) Handelsunternehmen ausgezeichnet, die in der Coronakrise mutige und/oder ungewöhnliche Lösungen im Onlinekontext gefunden haben. Die Preisverleihung findet im Rahmen des HDE-Handelskongresses am 18./19. November statt.
Es gehe bei den zu prämierenden Projekten nicht nur um den reinen Verkauf, sondern auch um die Kundenbindung – man wolle in unterschiedlichen Kategorien „Durchstarter“, erfolgreiche Händler und Plattform-Handelspartner auszeichnen. Die Preisträger erhalten neben dem eigentlichen Preis auch umfangreiches Coaching und Unterstützung.
Coronakrise beschleunigt den Wandel
„Corona ist nicht der Grund, sondern nur das Brennglas“, erklärt Stefan Tromp, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Deutschland (HDE). „Händler, die noch nicht digitalisiert sind, werden es in Zukunft noch schwerer haben, erfolgreich Handel zu betreiben.“ Insbesondere sei es sinnvoll, als Händler mit Ladengeschäft Nutzer von Mobilgeräten anzusprechen. „Das Smartphone ist der tägliche Begleiter, auch und gerade beim Einkaufen“, erklärt Tromp. Wer hier nicht präsent sei, könne seine Sichtbarkeit nicht in Conversion wandeln. Die digitale Sichtbarkeit zu stärken, bedeute also auch, die Innenstädte zu stärken.
Martina Tittel, die vor fünf Jahren in Berlin die Nikolaische Buchhandlung übernommen hat und Vorsitzende des Handelsausschusses Berlin ist, rechnet in den nächsten Monaten mit einer Vielzahl an Insolvenzen im Präsenzhandel. „Wir hatten als Buchhandlung in Berlin noch Glück, weil wir während des Lockdowns als systemrelevant angesehen wurden und daher weiter geöffnet hatten.“ Auffällig sei gewesen, dass insbesondere all jene Läden, die eine Onlinepräsenz vorweisen konnten, deutlich besser als die Mitbewerber dastanden. In ihrem Buchladen kommen inzwischen rund ein Drittel der Bestellungen online rein und Martina Tittel sieht kontinuierlich steigende Zahlen – „das zeigt mir, dass hier ein klarer Bedarf ist und die Kunden das zu schätzen wissen.“ Sie sieht übrigens durchaus eine klare Bereitschaft der Kunden, den Handel im eigenen Viertel und vor Ort zu unterstützen, wie sie erklärt.
Interessant auch ihre Beobachtung für den Berliner Präsenzhandel: Die beiden Oberzentren Berlins – rund um Kurfürstendamm und Charlottenburg sowie Mitte und Alexanderplatz – hätten aktuell aufgrund der teilweise noch verwaisten Büros und der ausbleibenden Touristen mehr zu kämpfen als andere Viertel, die in der Nähe zahlreicher Wohnungen liegen. Hier müsse man sich etwas einfallen lassen, um die städtischen Viertel wieder mehr zu beleben. „Wenn die Einzelhändler sich und ihr Angebot online präsentieren können, werden sie besser aufgestellt sein. Ich setze große Hoffnung in ein solches Projekt wie ZukunftHandel.“
Google hat Lieferdienste und Terminvereinbarung implementiert
Dabei knüpft Google mit Zukunft Handel an die Arbeit der Zukunftswerkstatt an. Bereits im Juli hatte das Unternehmen EMEA-weit ein Programm zur Förderung von KMUs und Handelsunternehmen eingeführt. „Da lag es für uns nahe, zusammen mit dem HDE ein entsprechendes Projekt ins Leben zu rufen, weil es für uns wichtig ist, dass der Handel vor Ort mit abgebildet wird und auffindbar ist“, erklärt Philipp Justus, Vice President Zentraleuropa Google. Auch in der Google-Suche und in Google Maps wurden in den letzten Monaten (weltweit) einige Verbesserungen vorgenommen, etwa zu Lieferdiensten und zu Onlinebuchungen von Terminen für Offline-Dienstleistungen (für Friseure, Beratungsgespräche oder Tischreservierung).
Im Rahmen des Projekts gibt es auch virtuelle Trainingsangebote – es wurden 27 Kurse zusammen mit dem HDE entwickelt, einige davon speziell für kleinere Geschäfte. Hinzu kommen 70 weitere unterstützende Kurse, etwa zu IT-Sicherheit oder Finanzplanung für kleine und mittelständische Unternehmen, die ohnehin im Rahmen der Zukunftswerkstatt bestehen.
Im ersten Schritt werden über 250.000 Einzelhandelsbetriebe postalisch über die Initiative und Teilnahmemöglichkeiten informiert. Es folgen dedizierte Trainings für Händler im Rahmen der Zukunftstage Handel. Zusätzlich wird die Initiative unter anderem im TV, auf Youtube und über das Netzwerk des HDE bekannt gemacht.
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Ob der Einzelhandel wirklich mithalten kann?
Es geht um die Grundsatzfrage was verkaufen ist. Eigentlich könnte das jeder selbst von Zuhause aus. Stichwort: Tupperpartys.
Es geht aber auch um das Angebot, die Nachfrage und den Preis. Ein Händler der im Zentrum ordentlich Miete zahlt, wird nur unter Verlust Produkte verkaufen wie der Laden vom Stadtrand – oder gar der nur ein Lager betreibt.
Lediglich die Sichtbarkeit wird online damit erhöht. Müssen also Services her, die trotzdem die Kundschaft zum Ort hin anlocken.
Was noch offen ist: Der Punkt Sicherheit bei einem Onlineangebot, was ein eigenes WordPress oder Prestashop mit sich bringt.
Deinen letzten Punkt kann ich nicht bestätigen. WordPress oder Prestashop bringen perse keine Sicherheit mit sich. Plugins, die einfach unbedarf installiert werden, machen das noch offener und und und. Ich bin Entwickler und weiß wo von ich rede. WordPress ist eine Seuche, die von Noobs ständig eingesetzt wird und diese Noobs machen ständig irgendwelche unbedarften Dinge. Sowas landet ständig bei mir und ich räume es auf. Das ist also wirklich kein Garant für Sicherheit.
Toll ….? Das Konzept ist gerade auf kleine Einzelhandelsbetriebe ausgerichtet. Wieso bekommt ein kleiner Einzelhändler dann nur aus dem Radio HEUTE mit, dass es so etwas gibt? Muss man zahlendes Mitglied im HDE sein? Weder HDE, noch IHK, Stadt oder Gewerbeverband haben die Händler vor Ort informiert. Passend zum deutschlandweiten Probealarm gestern, ist das ja wohl schief gelaufen. Schade. Danke für nichts.
Die gesamte Initiative ist ja gestern überhaupt erst gestartet. Die Händler werden somit in der nächsten Zeit informiert werden, Details stehen ja im Artikel. Geplant sind eine Viertelmillion physischer Informationspakete, die bundesweit an Geschäftsleute versandt werden (ein Großteil der Angebote ist aber ohnehin auch oder gerade online zu finden). Und nein, der HDE hat explizit klargemacht, dass es sich nicht nur um eine Geschichte für Mitglieder handelt.