Jobinterview-Taktik: Warum ein Ex-Recruiter Lügen empfiehlt – und welche Risiken du kennen solltest
Es gibt Fragen, die dürfen Hiring-Manager im Bewerbungsgespräch nicht stellen – in Deutschland betrifft das zum Beispiel Auskünfte zu Schwangerschaft oder Gesundheitszustand. Andere Fragen dagegen sind durchaus berechtigt und trotzdem tun sich Bewerberinnen und Bewerber einen Gefallen, wenn sie flunkern. Wann das der Fall ist und welche Antwort sinnvoll sind, verrät Joel Lalgee in einem kürzlich veröffentlichen Video auf der Social-Media-Plattform Tiktok. Unter dem Namen TheRealistRecruiter gibt der 36-jährige, der selbst viele Jahre als Recruiter gearbeitet hat, Tipps zu den Themen Arbeitsmarkt und Jobsuche.
Motivation, Zukunftspläne und frühere Arbeitgeber
„Alle wissen, dass ihr Geld verdienen wollt“, räumt Lalgee gleich am Anfang des Videos ein. Das sollten Jobsuchende aber auf keinen Fall so sagen. Wer im Bewerbungsgespräche gefragt wird, warum er oder sie in der Firma arbeiten möchte, sei es besser, zu betonen, dass man die Kultur und Mission des Unternehmens toll finde oder einen die Projekte interessieren. Daraus würden Recruiting-Verantwortliche schließen, dass man engagiert arbeiten wird. Personen, die hier das hohe Gehalt nennen, erwecken möglicherweise den Eindruck, dass sie Job-Hopping für mehr Geld betreiben und bald wieder weg sind
Ähnlich argumentiert Lalgee bezüglich der Frage nach Zukunftsplänen: Auch hier sollten Bewerberinnen und Bewerber immer sagen, dass sie sich in fünf oder zehn Jahren immer noch im angestrebten Unternehmen sehen – ganz egal, ob sie eigentlich planen, eine Familie zu gründen oder nochmal zu studieren. Davon müsse der potenzielle Arbeitgeber nichts wissen.
Etwas knifflig wird es, wenn Hiring Manager von der Person im Interview wissen wollen, warum sie ihren letzten Job verlassen hat beziehungsweise warum sie wechseln möchte. Kandidatinnen und Kandidaten, die hier anfangen, über ihren Arbeitgeber herzuziehen, seien für Recruiting-Verantwortliche eine „Red Flag“: „Sie werden davon ausgehen, dass du das Problem warst“, erklärt Lalgee. Besser sei es demnach, zu sagen, dass man nach einer neuen Herausforderung suche und positiv vom aktuellen oder letzten Job zu sprechen, selbst wenn in Realität das Gegenteil der Fall ist oder war. Wer das partout nicht wolle, könne sagen, dass es nicht so gut gepasst habe und das angestrebte Unternehmen besser zu den eigenen Zielen und Werten passe, erläutert Lalgee seinen Punkt gegenüber Business Insider.
Die Frage nach Gehalt
Sehr eindeutig ist Lalgees Tipps zu der Frage, ob man sich gerade auch bei anderen Unternehmen bewirbt: Hier sollte die Antwort immer „Ja“ lauten. Sonst schwäche man die eigenen Verhandlungsposition. Diese ist vor allem wichtig, wenn es um das künftige Gehalt geht. Hierfür ist etwas Recherche vor dem Bewerbungsgespräch erforderlich – vor allem, falls Recruiting-Verantwortliche das Gehalt aus dem letzten oder aktuellen Job erfragen wollen. „Recruiter sollten diese Frage nicht stellen“, sagt Lalgee. Deshalb sollten Kandidatinnen und Kandidaten sie auch nicht beantworten. Er empfiehlt, stattdessen nach dem Budget zu fragen. Alternativ könne man eine marktübliche Gehaltsspanne für den angestrebten Job nennen. Und diese sollte sorgfältig recherchiert sein.
Wann Lügen erlaubt sind
Lalgees Tipps beziehen sich hauptsächlich auf den US-amerikanischen Raum. Betrachtet man die Rechtslage in Deutschland, kann es zumindest in der Theorie zu einer späteren Anfechtung des Arbeitsvertrags kommen, wenn ein Kandidat oder eine Kandidatin bezüglich des letzten Gehalts gelogen hat – so berichtet es das Handelsblatt. Wer die anderen in Lalgees Video erwähnten Fragen unehrlich beantwortet, muss weder in den USA noch in Deutschland rechtliche Konsequenzen fürchten; schon allein, weil es im Nachhinein kaum nachweisbar ist, wie zum Beispiel die tatsächlichen Zukunftspläne aussehen oder die eigentliche Meinung über die letzte Führungskraft lautet.
Offiziell erlaubt sind Lügen im Bewerbungsgespräch in Deutschland übrigens bei allen Fragen, die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verletzen und damit nicht zulässig sind. Dazu gehören vor allem Nachfragen zu Herkunft, Familienstand, Schwangerschaft, Krankheit, Behinderung, Religion und Alter.