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MIT Technology Review Kommentar
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KI zum Klimaschutz: Gute Idee, doch es löst ein Dilemma nicht auf

Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Eine neue Studie legt nahe, dass KI dabei helfen könnte, CO₂-Emissionen in Zukunft zu reduzieren. Aber das hohle Versprechen erinnert an den CO₂-Emissionshandel, meint unser Autor.

Von MIT Technology Review Online
6 Min.
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Rechenzentren brauchen viel Energie, um zu funktionieren. (Bild: Shutterstock/Gorodenkoff)

Die Internationale Energieagentur stellt in einem Report kürzlich fest, dass Künstliche Intelligenz auf lange Sicht die weltweiten Treibhausgasemissionen reduzieren könnte – möglicherweise um weit mehr, als der Boom der dafür notwendigen energieintensiven Rechenzentren sie in die Höhe treibt. Das Problem: Es wird dauern.

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Die grundlegende Feststellung entspricht einem der Argumente, die auch von prominenten Vertretern der KI-Branche vorgebracht werden, um – zumindest implizit – den Strombedarf im Gigawattbereich zu rechtfertigen, den KI-Datacenter in den regionalen Stromnetzen auf der halben Welt verursachen könnten. So schrieb der CEO von OpenAI, Sam Altman, im vergangenen Jahr in einem blumigen Essay, dass die Technik uns „erstaunliche Erfolge“ im Bereich der Wissenschaft bringen werde – von der „Reparatur des Klimas“ bis zu „nahezu grenzenloser Intelligenz und Energie im Überfluss“.

Aussichten zum Energiebedarf von KI-Rechenzentren

Es gibt durchaus sinnhafte Argumente, die darauf hindeuten, dass neue KI-Werkzeuge auf Dauer zur Reduzierung der Emissionen beitragen könnten, wie der IEA-Bericht unterstreicht. Was wir jedoch mit Sicherheit wissen, ist, dass sie zunächst den Energiebedarf und die Emissionen in die Höhe treiben – vor allem in den Regionen, in denen sich die meisten Rechenzentren befinden.

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Bislang werden diese Einrichtungen, die in der Regel rund um die Uhr laufen, im Wesentlichen – wenn es nicht noch schmutzigere Kohle ist – aus Erdgaskraftwerken gespeist, die beträchtliche Mengen an Treibhausgasen erzeugen. Der Strombedarf steigt so schnell, dass die Entwickler den Bau neuer Gaskraftwerke und gar die Umrüstung stillgelegter Kohlekraftwerke vorschlagen, um die boomende Industrie zu versorgen.

Wir wissen aber auch, dass es bereits bessere und sauberere Verfahren gibt, diese Anlagen mit Strom zu versorgen, zum Beispiel Geothermie, Wasserkraftwerke sowie Wind- und Solarprojekte in Verbindung mit einer großen Anzahl von Batteriespeichern. Und auch die Kernkraft wird in KI-Kreisen hochgehandelt, wenn auch nicht in Deutschland. Der Nachteil bleibt, dass Bau und Betrieb neuer Anlagen für grünen Strom teuer werden – oder dass es (zu) lange dauert, sie in Betrieb zu nehmen.

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AI-Offsets sind wie Klimazertifikate

Die Behauptung, dass es in Ordnung ist, Rechenzentren zu bauen, die zunächst mit fossilen Energieträgern betrieben werden, weil KI-Tools der Welt ja später helfen werden, Emissionen zu reduzieren, kommt Expert:innen bekannt vor. Denn sie erinnern an die unerfüllten Versprechen der Klimazertifikate: Es sei in Ordnung, wenn ein Unternehmen an seinem Hauptsitz oder in seinen Werken weiterhin die Umwelt verschmutze, solange es parallel beispielsweise die Anpflanzung von Bäumen finanziert, die eine entsprechende Menge Kohlendioxid aufnehmen.

Leider haben wir immer wieder gesehen, dass solche Programme ihren Nutzen für das Klima oft übertreiben und nur wenig an der Bilanz dessen ändern, was an CO₂ in die Atmosphäre gelangt und was nicht. Im Fall der sogenannten AI-Offsets ist das Potenzial, ihre Vorteile zu übertreiben, möglicherweise noch größer, da die Versprechen erst nach Jahren oder gar Jahrzehnten spürbar werden. Außerdem gibt es keine Markt- oder Regulierungsmechanismen, die die Branche zur Verantwortung ziehen könnten, wenn sie am Ende riesige Rechenzentren baut, die die Emissionen in die Höhe treiben, aber die Klimaversprechen nicht einhalten.

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Der IEA-Bericht erwähnt zwar Beispiele, in denen die Industrie KI bereits in einer Weise einsetzt, die zur Begrenzung der Emissionen beitragen könnte. Dazu gehören das Aufspüren von Methanlecks in der Öl- und Gasinfrastruktur, die Steigerung der Effizienz von Kraftwerken und Produktionsanlagen sowie die Senkung des Energieverbrauchs in Gebäuden.

Hinweis: Dieser Podcast wird durch Sponsorings unterstützt. Alle Infos zu unseren Werbepartnern findest du hier.

Auch in der Materialforschung habe die KI bereits erste Erfolge erzielt und dazu beigetragen, die Entwicklung neuer Batterieelektrolyte zu beschleunigen. Optimisten hoffen zudem, dass die Technologie zu Fortschritten bei Solarmaterialien, Kernkraft oder anderen klimaneutralen Energietechnologien führen und die Klimawissenschaft bei der Vorhersage extremer Wetterbedingungen und die Katastrophenhilfe verbessern könnte, wie ältere Studien behaupten.

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1,4 Milliarden Tonnen weniger Treibhausgase?

Selbst ohne „bahnbrechende Entdeckungen“, so schätzt die IEA, könnte die breite Einführung von KI-Anwendungen die Emissionen bis 2035 um 1,4 Milliarden Tonnen senken. Diese Reduktionen, „wenn sie realisiert werden“, würden bis zu diesem Zeitpunkt die Emissionen von Rechenzentren um das Dreifache überschreiten, wenn man das optimistischste Entwicklungsszenario der IEA zugrunde legt.

Doch da gibt es ein sehr großes „Aber“. Es erfordert viel Vertrauen in den technischen Fortschritt, den großflächigen Einsatz und die positiven Auswirkungen von Änderungen in der allgemeinen technologischen Praxis in den nächsten zehn Jahren. Und es klafft eine große Lücke zwischen der Art und Weise, wie KI eingesetzt werden könnte, und der Art und Weise, wie sie eingesetzt werden wird – ein Unterschied, der in hohem Maße von wirtschaftlichen und regulatorischen Anreizen abhängt.

KI-Einsatz für Öl- und Gasindustrie oder zur Senkung der Emissionen?

Unter der Trump-Administration gibt es wenig Grund zu der Annahme, dass zumindest die US-Unternehmen von der Regierung stark unter Druck gesetzt werden, KI-Instrumente speziell zur Senkung der Emissionen einzusetzen. In Ermangelung der notwendigen Kombination aus politischem Zuckerbrot und Peitsche ist es wohl wahrscheinlicher, dass die Öl- und Gasindustrie KI sogar dafür einsetzen wird, um neue Vorkommen fossiler Energieträger zu ermitteln, als Methanlecks zu lokalisieren.

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Bei den Zahlen der IEA handelt es sich zudem um ein Szenario, nicht um eine Vorhersage. Die Autoren räumen bereitwillig ein, dass es in dieser Frage große Unsicherheiten gibt, und erklärten: „Es ist uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass es derzeit keine Dynamik gibt, die eine breite Einführung dieser KI-Anwendungen gewährleisten könnte.“ Daher könnten die Gesamtauswirkungen selbst im Jahr 2035 marginal sein, wenn die notwendigen Voraussetzungen nicht geschaffen wurden. Mit anderen Worten: Wir können uns nicht darauf verlassen, dass KI die Emissionen stärker senkt als erhöht, vor allem nicht innerhalb des Zeitrahmens, den die Sorgen vor dem Klimawandel jetzt erfordern.

Realitätsabgleich: Planet erhitzt sich, Gesamtemissionen steigen

Zur Erinnerung: Wir schreiben bereits das Jahr 2025. Die steigenden Emissionen haben dazu geführt, dass der Planet gefährlich nahe an die 1,5 Grad Celsius Erwärmung heranrückt, die das Risiko von Hitzewellen, Dürren, dem Anstieg des Meeresspiegels und anderer Naturkatastrophen wie Waldbränden steigert. Gleichzeitig erhöhen sich die Gesamtemissionen weiter, etwa in China und Indien.

Wir bewegen uns auf die Jahrhundertmitte zu. Wir haben nur noch 25 Jahre vor dem Zeitpunkt, zu dem Klimamodelle vorhersagen, dass alle Industrien in allen Ländern so gut wie keine Emissionen mehr ausstoßen müssten, um zu verhindern, dass die Erwärmung zwei Grad Celsius übersteigt. Dennoch könnten neue Erdgasanlagen, die heute gebaut werden, sei es für Rechenzentren oder für andere Zwecke, noch in 40 Jahren in Betrieb sein.

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Wie die KI-Rechenzentren mit Strom versorgt werden sollen

CO₂ verbleibt Hunderte von Jahren in der Atmosphäre. Auch wenn die KI-Industrie also eines Tages Wege findet, mehr Emissionen zu reduzieren, als sie in einem bestimmten Jahr produziert, werden diese zukünftigen Reduzierungen die Emissionen, die der Sektor auf seinem Weg dorthin ausstößt, nicht ausgleichen. Gleiches gilt für die Erwärmung, die sie verursacht. Das Gefahrenpotenzial müssten wir nicht eingehen, wenn KI-Unternehmen, Energieversorger und Regulierungsbehörden klügere Entscheidungen darüber treffen, wie sie die Rechenzentren, die wir heute bauen und betreiben, mit Strom versorgen.

Einige Technologie- und Energieversorgungsunternehmen unternehmen Schritte in diese Richtung, indem sie die Entwicklung von Solarparks in der Nähe ihrer Anlagen vorantreiben oder Verträge für den Bau neuer geothermischer Anlagen unterzeichnen. Solche Bemühungen müssen jedoch die Regel als die Ausnahme sein. Es gibt weder ausreichend Zeit noch das Klimagasbudget, um Emissionen mit dem Versprechen, dass wir uns später darum kümmern, in die Höhe zu treiben.

Dieser Artikel stammt von James Temple. Er ist Senior Editor bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und schreibt über Energie und Klimawandel.
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