Mehr wie Tesla werden. Dieses Ziel haben derzeit viele Autohersteller. Nachdem VW sich dazu entschlossen hat, Milliarden in die Softwarentwicklung zu pumpen, zieht Daimler nach: Der Stuttgarter Premium-Autobauer will mit MB.OS eine Art Windows fürs Auto bauen.
MB.OS wichtig für die Zukunft: Daimler muss eigene Softwareplattform entwickeln
Der Daimler-Chef hält es im „Rennen um die Mobilität der Zukunft“ für unabdingbar, eine eigene Softwareplattform zu entwickeln. Nur auf diesem Wege behalte man die Hoheit über „das Hirn und das zentrale Nervensystem der Fahrzeuge der Zukunft“, wie Källenius im Interview mit dem Handelsblatt erklärt.
Laut Handelsblatt stellt der Daimler-Boss sich eine Art „Windows fürs Auto“ vor. Ein vollkommen geschlossenes System werde das Betriebssystem MB.OS nicht. Er könne sich auch Kooperationen mit Apple und Google vorstellen, die Kontrollhoheit über die Kundenschnittstellen und die in den Autos der Zukunft gesammelten Daten bleibe aber Daimler vorbehalten. „Wir übergeben anderen doch kein mechanisches Gerät, das sie dann digital ausschlachten können,“ so Källenius.
MB.OS: Digitaldienste als neuer Umsatztreiber
Das eigene Betriebssystem soll dabei ein neuer Umsatztreiber sein: Statt den Kunden nur alle paar Jahre ein neues Auto zu verkaufen, stellt Källenius sich vor, zusätzlich Geld mit Software-Updates zu verdienen. Daimler-Fahrer könnten gegen einen womöglich einmaligen oder monatlichen Betrag etwa verbesserte Fahrassistenzsysteme oder zusätzliche Reichweite für ihre Elektroautos hinzukaufen. Das Potenzial sei riesig: Källenius geht davon aus „relativ schnell ein Volumen von mehreren Hundert Millionen Euro“ mit den neuen Digitaldiensten zu erreichen.
Durch den verstärkten Fokus auf digitale Dienste und eigene Software werde es größere Umbrüche in den Beziehungen mit Zulieferern geben, so Källenius. Daimler wolle die Hard- von der Software loslösen und etwa die Software für Steuergeräte selbst entwickeln – bislang sei es üblich, beides zusammen zu kaufen. Zudem wolle man die Anzahl über einhundert Steuergeräte im Fahrzeug, die jeweils eine Funktion abgebildet haben, drastisch reduzieren. Stattdessen werde es wenige zentrale Recheneinheiten geben. Eigene Chips wie Tesla plane Daimler nicht zu entwickeln – hier setze man auf Partner wie Nvidia. Die beiden hatten zur CES 2019 angekündigt, einen Supercomputer zu entwickeln.
MB.OS, VW.OS, BMW-OS: Nicht nur Daimler setzt verstärkt auf eine eigene Plattform
Eine ähnliche Entwicklung vollzieht auch der Wolfsburger Autokonzern VW mit dem Aufbruch ins vollvernetzte Elektroauto der ID-Familie. Volkswagen hatte schon 2016 angekündigt, ein eigenes Ökosystem zu bauen, das sich an Apple orientiere und nun mit der Übernahme von Diconium realisiert werden soll. Auch ein eigenes Betriebssystem, das VW.OS getauft wurde, ist in Arbeit. Es soll nicht nur in der ID-Familie zum Einsatz kommen, sondern auch bei Fahrzeugen der gesamten Volkswagengruppe.
Der bayerische Autobauer BMW ist derweil schon auf Version 7 seiner eigenen Plattform und kann wie Tesla auch Software-Updates Over-the-Air verteilen. Auch das Freischalten von Funktionen per Software-Update ist teilweise schon seit längerem über die Connected-Drive-Dienste möglich. Wie Daimler sieht auch BMW in digitalen Diensten eine weitere relevante Umsatzquelle.
Andere Unternehmen wie Volvo oder das Tochterunternehmen Polestar bauen derweil auf Google als Plattformpartner. Der Polestar 2 und der vollelektrische XC 4o haben kein eigens entwickeltes Betriebssystem an Bord, sondern vertrauen auf Googles Android Automotive.
MB.OS wohl erst 2024 oder 2025 fertig
Bis Daimler seine neue Software-Plattform vollständig entwickelt hat, sollen noch ein paar Jahre ins Land streichen. Laut Daimler-Chef wolle man den „kompletten Paradigmenwechsel“ respektive den vollständigen Umzug auf die neue Plattform bis 2024 oder 2025 vollzogen haben.
Ein erster größerer Schritt hin zu einer eigenen Plattform soll mit dem Start der neuen S-Klasse präsentiert werden. Die Luxuslimousine soll gegen Ende des Jahres mit einem großen Update der Entertainment-Plattform MBUX vorgestellt werden. Mit dem rein elektrischen Modell der S-Klasse, dem EQS, wird Daimler nicht nur ein großes Update seines Infotainment-Systems liefern, sondern auch das erste Elektroauto, das auf einer eigens entwickelten Elektroplattform basiert.
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Am eigenen Betriebssystem sind schon ganz andere gescheitert. Aus Sicht des Nutzers (-> Akzeptanz) wären offene Schnittstellen, die eine Vernetzung erlauben, die bessere Wahl.
Aus Sicht der Datenvermeidung ist am wichtigsten dass GAFM ausgesperrt bleiben
Und genau das kommt heraus wenn ein Firmenchef mit vermutlich begrenzter technischer Expertise Pläne für die digitale Zukunft macht. „Windows fürs Auto.“ Leistung der Autos begrenzen und dann per Software Update verkaufen.
Allein die Nennung im Zusammenhang mit Apple und Google ist komplett vermessen. Klar wird MB mehr und mehr Software entwickeln (müssen). Aber das mit dem MB.OS ist für meine Ohren eher unfreiwillig komisch.
Vieleicht gibt’s dann auch schicke Blue Screens…
Unfreiwillig komisch ist der richtige Ausdruck…
Die großen „klassischen“ Automobilhersteller orientieren sich an den (angeblichen) Technologieführern: Google, Apple, Tesla, & Co – Microsoft zähle ich schon gar nicht mehr dazu. Sie denken mit Ihrer geballten Ingenieurskunst (die sie dann noch zusammenlegen) sind sie in der Lage die automobile Software-Welt zu verbessern. Falsch gedacht, wenn ich mehrere Ozeandampfer zusammenschraube bekomme ich kein Rennboot! Schaut man sich die Erfolge der Technologieführer an, wird man recht schnell merken, dass die eigentliche Technologie meist von kleinen Startups im Hinterhof, der Garage oder im Keller entwickelt wurde.
Keines der heute noch am Markt befindlichen Betriebssystem wurde von einer großen Firma entwickelt, alle gehen zurück auf die Garage, den Hinterhof, eventuell noch auf die Hochschule!
Ein weiterer Punkt für das scheitern eines Automobil-OS, ist die Arbeitsweise und die Unternehmenskultur. Apple, Google, Facebook, Tesla, habe eine „agile“ Vorgehensweise, diese ermöglicht es ihnen schnell auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Gegen agile Arbeitsmodelle der Software-Industrie sieht der aktuelle automobile Entwicklungsprozess aus wie der 5-Jahres-Plan in der ehemaligen DDR. Leider lässt sich diese Arbeitsweise nicht per Dekret überstülpen, es ist eine Sache der Unternehmenskultur und braucht Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte.
Die Denkweise des Managements macht es noch zusätzlich schwer: Man meint, mit mehr Ingenieuren lassen sich die Probleme schneller lösen, die Ressource „Mensch“ wird als Schüttgut betrachtet. Das Gegenteil ist der Fall: 50000 Ingenieure werden es nicht schaffen, 50 könnten es, wenn es die Richtigen sind.
Ein kluger Mann, Frederic P. Brooks, hat in den 70’ern das mit einem Satz beschrieben: „putting more manpower to a late project, makes it later“
sehr schön kommentiert.
Da paaren sich Größenwahnsinn, fehlende Erfahrung und Egomanie zu einer lächerlichen Mischung.