Milliarden für die Bundeswehr: Doch der Klimawandel setzt auch dem Militär zu

Geldsegen für die Verteidiung: Der Klimawandel und dessen Auswirkungen bedrohen die internationale Sicherheit am stärksten. (Foto: Joerg Huettenhoelscher / Shutterstock)
Unbegrenzte Milliarden für das Militär jenseits der Schuldenbremse: Das beschloss der alte Bundestag Mitte März 2024 im Rahmen einer Grundgesetzänderung. Dazu gehört auch ein 500-Milliarden-Paket für die Reparatur der Infrastruktur. 100 Milliarden davon sollen für Maßnahmen abgezweigt werden, mit denen Deutschland bis 2045 Klimaneutralität erreichen will. Die Aufrüstung der Bundeswehr dürfte es jetzt aber schwieriger machen, das Klimaziel zu erreichen.
„Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein“, forderte Verteidigungsminister Boris Pistorius in der Regierungsbefragung im Bundestag am 5. Juni 2024. Der wahrscheinliche neue Bundeskanzler Friedrich Merz dürfte die Aufrüstungspolitik mit seinem geplanten Nationalen Sicherheitsrat weiter unterstützen, genauso wie die „Strategie Verteidigung und Klimawandel“ des alten Verteidigungsministeriums.
Risiken für Sicherheit durch den Klimawandel
Doch die Konzentration auf militärische Stärke könnte sich als kurzsichtig erweisen. Mit den gradlinigen Handlungsplänen des Strategiepapiers lassen sich keine komplexen Probleme lösen. Im Gegensatz dazu erinnert die „Nationale interdisziplinäre Klima-Risikoeinschätzung (NIKE)“ eindrücklich an die vielfach miteinander verflochtenen Risiken für die Sicherheit, die der Klimawandel mit sich bringt. Das sind Gefahren, die das Militär nicht nur mit verursacht, sondern die auch seine Einsatzfähigkeit beeinträchtigen.
In der NIKE-Bewertung stellen die Forscher und Forscherinnen die Risiken des Klimawandels für die nationale Sicherheit Deutschlands bis ins Jahr 2040 zusammen. Auf den übersichtlichen 28 Textseiten werden die komplexen Wechselwirkungen und komplizierten Abhängigkeiten von Klima, Wetter, Ökologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Innen- und Außenpolitik und Entwicklungen im globalen Süden ganz besonders plastisch zusammengefasst. Eine gute Nachhilfe für Politiker:innen aller Ressorts.
Die Klimarisiko-Einschätzung ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit des Metis-Instituts für Strategie und Vorausschau der Universität der Bundeswehr München, des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, des Bundesnachrichtendiensts und von Adelphi Research, einem unabhängigen Think-Tank für umwelt- und entwicklungspolitische Analyse.
Dilemma der Klimapolitik
Die Klimapolitik steht in einem Dilemma zwischen enormem Zeitdruck und dem gesellschaftlichen Rückhalt, den sie für mitunter radikale Klimaschutz- und Resilienzmaßnahmen braucht. Aber gründliche demokratische Diskurse dauern, während sich das Klima immer schneller wandelt.
Die Risiko-Einschätzung zählt auf: Hitze, Wassermangel und Waldbrände, die wegen Trockenheit leicht um sich greifen, nehmen immer mehr zu. Auch die Zahl der Starkregenereignisse steigt weltweit. All das bedroht schon heute Ernten und die Ernährungssicherheit in zahlreichen Ländern. Klimabedingt nahmen die durchschnittlichen Felderträge bei Mais, Weizen und Sojabohnen zwischen 1981 und 2010 bereits ab. Dabei müsste die globale Lebensmittelproduktion bis 2050 eigentlich um 50 Prozent steigen, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.
Extremwetterlagen bedrohen aber auch Lieferketten und Infrastrukturen der Industrieländer, wie Straßen, Bahnen, Strom- und Internetkabel. Auf Produktionsstörungen und Lieferausfälle wird die Wirtschaft sich einstellen müssen.
Hitze sorgt mitunter für innenpolitische Konflikte
Besonders gefährlich: In immer mehr Gegenden wird die sogenannte Kühlgrenztemperatur erreicht. Das ist eine Kombination aus Hitze und Luftfeuchtigkeit, die lebensgefährlich wird, wenn sie sich bei hoher Luftfeuchte der Körpertemperatur annähert. Weniger heiße Weltregionen werden dann attraktive Zufluchtsorte für Migranten, wozu auch Deutschland und die EU zählen. Deshalb gilt es, darüber nachzudenken, wie man innenpolitische Konflikte vermeidet, die durch die Aufnahme dieser Migrant:innen aufkommen können. Aussperren ist langfristig keine Option.
Bereits jetzt ist der Kampf um mineralische Ressourcen entbrannt, wie der Griff der USA nach Grönland und die Erschließung Alaskas zeigen. Denn die weltweite Energiewende braucht Seltene Erden, Kupfer, Lithium und andere Stoffe für Elektromotoren, Generatoren, Solarzellen und Batterien. Selbst der unabdingbare Abschied von Öl und Gas wird nicht ohne gesellschaftliche Auseinandersetzungen passieren. Bereits heute streuen die Industrien, die davon abhängig sind, Zweifel am Gelingen der Energiewende.
Schwierigkeiten für die Bundeswehr bei Hitze
Ob jetzt ausgerechnet die Bundeswehr gewaltsamen Klimakonflikten gewachsen sein kann, ist nicht ausgemacht. 2017 kam das Bundeswehrkontingent in Mali bei Temperaturen zwischen 45 und 50 Grad in arge Bedrängnis, wie die Deutsche Welle berichtete. Nicht nur die Soldaten litten unter der Hitze, auch Hubschrauber und Fahrzeuge kamen an ihre Grenzen. So war der dort eingesetzte Kampfhubschrauber Tiger nur für eine Betriebsgrenze von 43 Grad freigegeben und musste am Boden bleiben.
Woanders fegen bereits jetzt Stürme Dutzende von Hubschraubern hinweg. Starkwind, Regen, Schnee, hohe und tiefe Temperaturen stören Drohnen. Schweres Wetter beeinträchtigt die Genauigkeit von Navigationssystemen. Auch ist es schwieriger geworden, Kampfeinsätze zu planen, weil Wettermuster unbeständiger und schwieriger vorherzusagen sind.
Militärische Treibhausgas-Emissionen unklar
Bei all dem darf nicht vergessen werden, dass das Militär selbst ganz erheblich zum Klimawandel beiträgt. Gemäß dem Pariser Klimavertrag steht es den Staaten frei, ihre militärischen Treibhausgas-Emissionen mitzuteilen. Das tun nur wenige. So können Experten nur schätzen. Die bisher beste Kalkulation legte die Beobachtungsstelle für Konflikte und Umwelt 2022 vor. Danach ist der Verteidigungssektor weltweit für 5,5 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, mehr als die Emissionen Russlands.
Mit den gerade jetzt steigenden Ausgaben für Kriegsgeräte, Soldaten, Manöver und Kampfeinsätze werden auch die Emissionen der Armeen zunehmen. Fraglich, ob die 100 Milliarden Euro für Klimamaßnahmen dazu beitragen können, diese Emissionen zu kompensieren.