Dein Mitarbeiter sitzt an einem anderen Standort? So führst du erfolgreich auf Distanz
Der Chef steckt den Kopf zur Tür rein: „Wie geht es voran mit dem Softwareprojekt für unseren Kunden in Bremen?“. Wenig später steht er neben deinem Schreibtisch: „Müller, können Sie mal eben die Präsentation fertigmachen?“. Arbeiten Chef und Mitarbeiter an einem Ort zusammen, können sie ständig kommunizieren. Ob das immer so gut ist?
Nähe kaschiert
„Örtliche Nähe kann dazu führen, dass der Chef das Gefühl hat, er habe alles und jeden unter Kontrolle“, so Geschäftsführer-Coach Bernd Geropp. Dadurch sei die Gefahr groß, dass der Chef mikromanagt. „Er kontrolliert ständig, redet überall rein, weiß alles besser und lässt seinen Mitarbeitern keinen Freiraum.“ Vorgesetzte in räumlicher Nähe seien oft derart mit operativem Überwachen beschäftigt, dass sie sich nicht um die langfristigen, strategischen Dinge kümmern können. Laut Geropp eine klare Führungsschwäche, die sich in räumlicher Nähe nicht so stark bemerkbar mache, da das Tagesgeschäft in der Regel funktioniere.
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Du brauchst einen Plan
Beim Führen auf Distanz gibt es keine Spontanität und keinen Auftrag „auf Zuruf“. „Die eigene Führungsschwäche zeigt sich klarer und härter, sobald ein Chef gezwungen ist, auf Distanz zu führen“, weiß Geropp. „Wer da nicht richtig delegiert, keine klaren Ziele kommuniziert und nicht mit Vertrauen führt, der wird scheitern.“ Nun sei es zwar ein Unterschied, ob sich der Mitarbeiter nur in einem anderen Stockwerk befinde oder ob er an einem ganz anderen Standort, im Homeoffice oder sogar in einem anderen Land arbeite. Die grundsätzlichen Herausforderungen in der Führungsarbeit seien jedoch gleich. „Wenn du auf Distanz führst, musst du dir im Klaren sein, dass persönliche Treffen und Gespräche die Ausnahme sind“, so der Coach. Der persönliche Kontakt sei stark reduziert. „Deswegen musst du gut planen und lernen, effektiv zu kommunizieren.“
Medienkompetenz entscheidend
Wer auf Distanz führt, ist von technologiegestützter Kommunikation abhängig. „Wenn du keine persönlichen Meetings abhalten kannst, ist fast alles durch E-Mails, Telefon, Webinare oder Videokonferenzen abzuklären“, weiß Geropp. Dafür müssten beide Seiten, Vorgesetzte und Mitarbeiter, Medienkompetenz entwickeln. Dabei gehe es um mehr als um die technische Funktionsfähigkeit der Videokonferenz-Anlage oder die Schnelligkeit der Internetverbindung. „Bei einem persönlichen Gespräch kannst du die Emotionen deines Gesprächspartners in dessen Gesicht oder in dessen Haltung ablesen“, so Geropp. „Das funktioniert aber nicht bei Telefonkonferenzen.“ Bei derartigen Formaten ist es besonders wichtig, klar zu kommunizieren und sich regelmäßig bei allen Teilnehmern zu versichern, dass Aussagen und Vereinbarungen, wie gewünscht, angekommen sind. Insbesondere dann, wenn durch ein internationales Team kulturelle Unterschiede ins Spiel kommen.
Konkurrenz in der Matrix
Bei Führung auf Distanz lässt sich Qualität und Projekterfolg erst anhand von Resultaten beurteilen. Denn mangels Informationen ist es schwer, im Projektverlauf einzuschätzen, ob der Mitarbeiter gut arbeitet oder nicht. „Besonders problematisch kann es werden, wenn dein Mitarbeiter dir fachlich für ein Projekt zugeordnet ist, sich jedoch an einem anderen Standort befindet“, beschreibt Geropp die Situation in vielen großen Unternehmen. „An diesem Standort hat er in der Regel einen direkten Vorgesetzten.“ Die lokalen Anforderungen seien vorrangig und der lokale Vorgesetzte hätte letztendlich immer das Sagen. Um die Priorisierung der Aufgaben, die der Mitarbeiter für dich aus der Ferne erledigen soll, zu sichern, sei es wichtig, sich mit dem lokalen Vorgesetzten besonders gut abzustimmen. „Wenn du ein vertrauensvolles Verhältnis zu dem Mitarbeiter aufgebaut hast, dann wird er dir ein eventuelles Prioritätenproblem zu verstehen geben“, erklärt Geropp. „Wenn das Vertrauensverhältnis allerdings gestört ist, dann kommt das Problem erst zum Vorschein, wenn das Projekt in die Hose geht.“ Vorgesetzte, die auf Distanz führen, müssten insbesondere einen zeitlichen und mentalen Koordinierungsaufwand einplanen. Sie müssten herausfinden, ob sie sich tatsächlich auf den Mitarbeiter verlassen können. „So etwas geht via Telefon oder über Videokonferenzen nur bis zu einem gewissen Grad“, ist Geropp überzeugt. Das Vertrauen zu Mitarbeitern sowie auch das Vertrauen der Mitarbeiter untereinander baue man vielmehr in ungezwungenen, persönlichen Gesprächen auf.
Präsenz ist wichtig
Deswegen seien Kick-off-Meetings zu Beginn eines Projekts entscheidend. Dabei gehe es nicht nur darum, das Projekt vorzustellen. „Mindestens genauso wichtig ist es, dass sich die Teilnehmer persönlich kennenlernen – am besten bei einem gemeinsamen Essen gehen oder einem Bierchen an der Bar“, empfiehlt Geropp. Es gehe darum, den anderen außerhalb der fachlichen Tätigkeit kennen zu lernen und so Vertrauen aufzubauen. „Menschen arbeiten mit Menschen. Und Menschen vertrauen Menschen, die sie kennen“, weiß Geropp. Sei dieses Vertrauen einmal aufgebaut, funktioniere auch die Kommunikation via E-Mail, Telefon oder Videokonferenzen. Missverständnisse ließen sich einfacher aufklären, wenn man die andere Person kenne und schätze. Im Zweifelsfall gehe man bei einem Konflikt von einem Missverständnis aus – und nicht von böser Absicht.
Kosteneinsparungen? Kein Argument
„Eine große Gefahr besteht darin, dass die oberste Managementebene in Großunternehmen und Konzernen glaubt, durch virtuelle Teams könne man signifikant Reisekosten einsparen“, erlebt Geropp immer wieder. Warum sollten Mitarbeiter durch die Gegend reisen und andere Standorte besuchen, wo man doch den Informationsaustausch durch E-Mails, die neue intranet-gestützte Kollaborationsplattform oder Telefonkonferenzen realisieren könne. Einsparung der Reisekosten – klinge erstmal gut, zahle sich jedoch im Firmenalltag nicht aus. Für Führen auf Distanz sei Vertrauen wichtig. Um zu vertrauen, müsse man den anderen als Person kennen lernen. „Regelmäßige Präsenzveranstaltungen, seien es Kick-off-Meetings oder Weihnachtsfeiern oder was auch immer, sind eine gute Investition in die Zusammenarbeit und sehr wichtig für das Führen auf Distanz“, ist Geropp überzeugt. Für ihn sind bei räumlicher Entfernung vor allem sieben Führungsregeln wichtig:
7 Tipps für erfolgreiches Führen auf Distanz
- Sorge dafür, dass die Infrastruktur auf allen Seiten stimmt: Schnelle Internetverbindung, Laptop und Smartphone für jeden Mitarbeiter sollten selbstverständlich sein. Sorge gleichzeitig dafür, dass du und deine Mitarbeiter ausreichend Reise- und Zeitbudget zur Verfügung habt, um euch regelmäßig zu treffen.
- Führe mit Vertrauen, Zielen und Sinn: Es ist deine Aufgabe, dass dein Team ein gemeinsames Verständnis über die Zusammenarbeit hat. Unterstütze das Wir-Gefühl.
- Gib deinen Remote-Mitarbeitern regelmäßig konstruktives Feedback, wenn möglich persönlich oder zumindest im Zweier-Telefonat.
- Unterstütze Selbstverantwortung und Eigeninitiative: Achte darauf, dass du deine Mitarbeiter nicht durch unnötiges Reporting demotivierst.
- Kommuniziere regelmäßig und häufig mit allen Beteiligten: Bewährt haben sich Jours fixes, beispielsweise monatliche Telefonkonferenzen. Achte auf einen großzügigen Informationsfluss. Du kannst schließlich nicht darauf bauen, dass sich Fakten irgendwie zu deinen Mitarbeitern herumgesprochen haben.
- Persönliche Treffen sind entscheidend: Veranstalte möglichst ein Kick-off-Meeting zu Beginn des Projektes und unterstütze den ungezwungenen persönlichen Kontakt zwischen den Teammitgliedern. Wenn du andere Standorte besuchst, nutze die Zeit vor Ort für möglichst viele Gespräche. Deine E-Mails kannst du auch auf dem Rückweg lesen und der Bericht lässt sich möglicherweise noch im Flieger anfertigen.
- Würdige die Erfolge deiner Mitarbeiter: Feiere die Erfolge deines Teams mit deinem Team gemeinsam – notfalls auch per Telefon oder Videokonferenz.
Mehr zum Thema: Tür zu! Warum du als Führungskraft nicht immer ansprechbar sein musst
Führung auf Distanz ist eine echte Herausforderung für disloziierte Unternehmen. Trotz der technischen Möglichkeiten wie Webinare & Co. sollten regelmäßig persönliche Kontaktpunkte institutionalisiert werde: bspw. das jahrliche Mitarbeitergespräch und Personalentwicklungsgespräche. Diese Themen erfordern geradezu die persönliche Interaktion – auch im Sinne von Wertschätzung.