„Als Führungskräfte demontiert”: Die Schattenseiten des Mitarbeiter-Enabling
Alle Mitarbeiter:innen sind gegangen. Eine andere Möglichkeit gab es zum Schluss nicht mehr, so sehr hatte sich ein Projekt verselbstständigt. Was war passiert? Durch das Enablen mehrerer Mitarbeiter:innen in einem Team sahen die Angestellten die Führungskraft nicht mehr als weisungsbefugte Vorgesetzte an.
Projekt zum Homeoffice-Tagen brachten den Bruch
Passiert ist das im vergangenen Jahr im Unternehmen von Julia Wohlfeld. Sie leitet den Personalvermittler Tina Voß und bezeichnet sich als New-Work-Fan. So war es für sie selbstverständlich, im Unternehmen eine Kultur zu schaffen, in der Mitarbeiter:innen befähigt werden.
Nachdem die Mitarbeiter:innen – laut Wohlfeld „Highperformer“ – bei mehreren Projekten von ihrer Führungskraft zur Mitarbeit angeregt wurden. Eskaliert sei die Lage beim Thema Homeoffice-Tage. Dabei sollten die Angestellten untereinander einen Vorschlag für eine Lösung erarbeiten. Jedoch schafften sie es nicht, sich zu einigen. Als Folge gab die Führungskraft eine Regelung vor, die wiederum von den Teammitgliedern nicht akzeptiert wurde.
Folge: (Freiwillige) Kündigungen
Die Lage spitzte sich daraufhin zu, eine Führung der Mitarbeiter:innen war nicht mehr möglich. „Wir sind als Führungskräfte demontiert worden“, erinnert sich Wohlfeld. Denn die negative Haltung griff vom Team auf das gesamte, durch Eigenverantwortung und Mitbestimmung geprägte, Unternehmen über.
Das Team sei ihr „komplett um die Ohren geflogen“, fasst die Geschäftsführerin zusammen. Sie zog die Reißleine, insgesamt verließen die involvierten Angestellten das Unternehmen. Teilweise kündigt Wohlfeld, andere gingen in der Folge aus eigenem Antrieb. Wie es zu der Eskalation gekommen ist, hat Wohlfeld mit ihrem Coach reflektiert. „Du hast mit deiner New-Work-DNA deine Organisation überfrachtet“, soll sie zu Wohlfeld gesagt haben.
Podcast: Bei welchen Projekten ist das Enablen unpassend?
Die vielen Gesprächsangebote sowie das Anregen zur Mitarbeit über den eigenen Verantwortungsbereich haben die Mitarbeiter:innen überfordert. Dazu hat Wohlfeld auch aus der Situation gelernt, dass nicht jedes Projekt zum enablen geeignet ist. „Es ist manchmal das Setting, das nicht passt und das ist okay“, summiert sie. Als Grundlage gilt für sie jetzt stets: „Wie viel Energie geben wir in welches Thema?“.
Dennoch bleibt sie bei ihrer New-Work-Begeisterung. „Grundsätzlich ist es das Beste, was wir machen können, miteinander hierarchieübergreifend zu arbeiten“, findet Wohlfeld. Was sie aus der Eskalation noch gelernt hat und bei welchen Entscheidungen das Befähigen nicht angebracht ist, teilt Wohlfeld in dieser t3n-Interview-Folge:
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Ein spannendes Thema, wie man es von t3n kennt! Allerdings überrascht die wenig kritische Betrachtung der Schlussfolgerungen, die Julia Wohlfeld in ihrem Beitrag zieht. Der Artikel hinterlässt bei mir den Eindruck eines subtilen, kritischen Kommentars zu den Themen New Work und Home Office. ;) Eine andere Perspektive hätte dem Artikel sicher geholfen.
Auch den Podcast habe ich mir angehört, und das Gespräch hat meinen Eindruck bestärkt, dass das Problem weniger in einer ‚New Work-Überladung‘ oder ‚zu viel Enablement‘ liegt, sondern vielmehr in einer suboptimalen Moderation der Transformation innerhalb des Unternehmens.
Aus meiner Erfahrung zeigt sich häufig, dass Führungskräfte auf High-Level-Ebene Schwierigkeiten haben, den Interessenskonflikt ihrer eigenen Rolle aufzulösen, wenn es darum geht, Mitarbeitende stärker einzubinden. Gleichzeitig mangelt es oft an methodischem Wissen und den notwendigen Werkzeugen, um die Komplexität der neuen Realität nachhaltig zu managen. Dies erklärt möglicherweise auch die Freude über die Kollegin, die in einem nicht optimal zusammengestellten Projektteam für die Rettung gesorgt hat.
Der Einschätzung der Coachin würde ich nur bedingt zustimmen: Dass Julia Wohlfeld die Organisation mit ihrer New-Work-DNA überfrachtet hat, erscheint mir nicht als Hauptursache. Vielmehr könnte hier etwas Selbstreflexion angebracht sein, denn es wirkt, als sei Julia Wohlfeld selbst von diesem Thema überfrachtet. Enthusiasmus allein reicht selten, um ein Expertenniveau zu erreichen.