Wie Digiday in Kooperation mit drei ungenannten Developern herausgefunden hat, hindert Amazon Googles neuen Tracking-System Floc (Federated Learning of Cohorts) gezielt daran, Daten darüber zu erheben, nach welchen Produkten die Menschen in Amazons E-Commerce-Universum suchen. Die Blockade spielt sich auf Code-Ebene, also zunächst völlig unauffällig ab.
Experten zufolge geht es Amazon dabei aber nicht um den Schutz seiner Nutzerinnen und Nutzer. Vielmehr könnte es so sein, dass Amazon schlicht selbst die Hoheit behalten will, Werbung über das zu verkaufen, was vom offenen Web übrig ist. Googles neuer Ansatz wäre damit nicht im Interesse des E-Commerce-Riesen.
„Dieser Schritt steht in direktem Zusammenhang mit Googles Versuch, eine Alternative zum Drittanbieter-Cookie zu bieten“, meint etwa Amanda Martin, Vizepräsidentin für Unternehmenspartnerschaften bei der Digitalagentur Goodway Group. Sie hält Amazons Floc-Blockade für einen ganz klar strategisch motivierten Schritt. Es gehe um die Vorherrschaft über die Technologie, die der Zerstörung des Drittanbieter-Cookies folgen werde.
Floc-Blockade auf Amazon ist ein neues Phänomen
Die Vorgehensweise Amazons scheint neu zu sein. Wie Digiday beobachten konnte, wurden Code-Blockaden erst im Laufe der vergangenen Woche gesetzt. Die weisen Googles System an, die Aktivitäten der Besucher nicht zu erfassen, um Kohorten zu informieren oder IDs zuzuordnen. Für die Vermutung, dass es sich um eine ganz neue Strategie handelt, spricht auch, dass der erforderliche Code sich noch im Rollout über die Server weltweit befindet. Je nachdem, wo die Digiday-Experten schauten, fanden sie die Blockaden oder eben auch nicht.
Dabei verwendet Amazon nur zum Teil die von Google offiziell empfohlene Methode, Flocs per HTML-Head zu blockieren. Auf Wholefoods.com beispielsweise soll der E-Commerce-Riese eine Taktik einsetzen, bei der ein Opt-out-Header von Amazon-Analytics-Anfragen gesendet wird. Darin vermuten Experten eine Art Test. Amazon könnte sich hier eine eigene Blockade-Technik bauen, für den Fall, dass die bisher empfohlene und „als 100 Prozent effektiv“ bekannte Methode geändert oder dysfunktional wird.
Google betont, dass Floc die Privatsphäre der Nutzer schützt, weil es maschinelles Lernen verwendet, um sie auf der Grundlage der von ihnen besuchten Websites zu gruppieren, anstatt sie individuell zu tracken. Derzeit befindet sich das System in einer Pilotphase, in der Daten gesammelt werden, die zeigen, für welche Websites, Inhalte und Produkte sich Menschen interessieren.
Amazon will Shopper-Daten nicht an Dritte geben – auch nicht per Floc
Schon daran könne Amazon kein Interesse haben. Dass die Blockaden jetzt gesetzt wurden, sehen Fachleute nicht als zeitlichen Zufall, stattdessen bringen sie es mit dem anstehenden Prime-Day am 21. und 22. Juni in Verbindung. Allein in diesen zwei Tagen entstünde eine Datenernte erheblichen Ausmaßes. Die will der E-Commerce-Riese offenbar für sich selbst behalten.
Ohne Amazon-Daten in den Flocs würden diese weit weniger passgenau als bislang behauptet zuzuschneiden sein, ist aus Agenturen zu hören. Schon jetzt würden Googles Behauptungen über die Leistungsfähigkeit der Methode infrage gestellt.
Nicht unbeachtlich dürfte auch sein, dass Amazon selbst im Werbegeschäft tätig ist und daran arbeitet, dieses über die Grenzen des Amazon-Universums hinaus auszuweiten. Dabei hat die Blockade auch für den Shop-Giganten Nachteile. So ist Amazon nicht mehr in der Lage, die Hinweise abzufangen, die Floc-IDs liefern und die einen Einblick in das Verhalten der Nutzer außerhalb des eigenen Kosmos geben. Wahrscheinlich ist dieser Verlust an Informationen allerdings in Anbetracht der Datenfülle, die Amazon über seine Kunden bereits besitzt, schlicht zu vernachlässigen.