
Für wen erklingt 2024 die Börsenglocke? (Foto: Mozco Mateusz Szymanski / Shutterstock)
Es muss auch ein gutes Zeitfenster für das IPO geben, in dem die politischen und makroökonomischen Bedingungen stimmen. Im Jahr 2023 war das definitiv nicht der Fall. Mit dem andauernden Konflikt in der Ukraine, wirtschaftlichen Unsicherheiten und historisch hohen Zinsen ist vielen Börsenaspiranten im vergangenen Jahr die Lust auf den Börsengang vergangen.
IPOs 2023: Extreme Flaute
Beim Blick in den Rückspiegel enttäuscht das IPO-Jahr 2023. Die schwächelnde Gesamtwirtschaft, kombiniert mit großen geopolitischen Risiken, anhaltender Inflation und hohen Zinsen, hat 2023 dafür gesorgt, dass das IPO-Fenster für viele geschlossen blieb. Und Tech-Unternehmen wie Instacart oder Klaviyo, die sich 2023 trauten, haben mit ihren Börsengängen eher enttäuscht.
Und das, obwohl sich die Aktienmärkte 2023 als überraschend robust erwiesen haben. Vor allem im letzten Quartal gab es Höchststände – doch die kamen zu spät, um die Börsenpläne der Tech-Firmen zu beflügeln.
In Deutschland war der Einbruch im IPO-Markt massiv: Laut der Strategieberatung Kirchhoff Consult sank das Gesamtemissionsvolumen auf 1,9 Milliarden Euro (2022: 9,1 Milliarden Euro). Auch europaweit schrumpfte das Volumen der Börsengänge 2023 um mehr als ein Drittel. Gleichzeitig hat sich der US-Markt im Vergleich zu 2022 sogar noch verbessert: auf 132 Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 22 Milliarden US-Dollar.
Das zeigt: Die Impulse im IPO-Markt kommen eher aus den USA – einige der potenziellen Börsenkandidaten für 2024 planen ihr Börsendebüt daher auch als US-Listing.
Warum Börsengänge wieder attraktiver werden
„Der Markt hat sich erholt, die Bewertungen sind wieder gestiegen, die Talsohle ist durchschritten“, sagt Julian Riedlbauer, Partner bei der Tech-Investmentbank Drake Star. Das liegt daran, dass die Zinsen zu fallen beginnen – und auch das allgemeine Marktumfeld hat sich im Vergleich zu 2023 verbessert.
Es gebe auch wieder mehr Wettbewerb im Markt. „Wenn es also kein IPO sein muss, können Tech-Startups auch wieder einen Teilverkauf oder eine Kapitalerhöhung mit einem Private-Equity- oder Growth-Equity-Investor realisieren und haben damit Alternativen zu einem IPO“, sagt Riedlbauer. Solche Investoren bleiben typischerweise drei bis fünf Jahre investiert, bevor der nächste Verkauf oder ein Börsengang angestrebt wird.
Im Private-Capital-Markt gibt es laut Riedlbauer zurzeit viel ungenutztes Kapital, sogenanntes Dry Powder, das investiert werden muss. Der Vermögensverwalter Blackrock schätzt, dass über vier Milliarden Dollar bereitstehen, um 2024 investiert zu werden.
Außerdem profitieren gerade die Tech-Firmen von sinkenden Zinsen, und die Zentralbanken haben bereits signalisiert, dass sich ihre Zinspolitik 2024 ändern werde. Zudem könnten Tech-IPOs auch davon profitieren, dass die steigenden Börsenkurse der Big-Tech-Konzerne gerade zu Euphorie im Markt führen.
„Das Beispiel OpenAI und Microsoft zeigt zudem, wie die großen, etablierten Firmen als Käufer oder Investoren den Markt beleben können. Aber auch insgesamt dürfte sich ihre aktuelle Stärke positiv auf das Gesamtklima bei Tech-Firmen auswirken – auch bei den mittleren Unternehmen“, sagt Riedlbauer. So ist Microsoft gerade zum wertvollsten börsennotierten Unternehmen der Welt aufgestiegen – auch dank seiner KI-Investitionen in ChatGPT-Erfinder OpenAI.
Das spricht gegen einen IPO-Boom 2024
Allerdings sprechen auch einige Punkte gegen ein starkes IPO-Jahr 2024. „Wir haben es in der Welt leider noch immer mit sehr vielen ungelösten Konflikten und Risikofaktoren zu tun – und ein IPO ist nun mal dann am erfolgreichsten, wenn er in einer stabilen Phase platziert wird, in der es wenig Schwankungen gibt“, sagt Riedlbauer.
Der ungelöste Konflikt im Gazastreifen und auch die anstehende US-Präsidentschaftswahl werden aller Voraussicht nach ein eher unruhiges Umfeld für Börsengänge schaffen. Außerdem ist noch keineswegs sicher, dass die Notenbanken ihre Zinsen wirklich so stark senken, wie es Marktbeobachter derzeit erwarten.
„Meine persönliche Einschätzung: 2024 wird es bei IPOs eher ruhig bleiben. Ein großer Schwung kann eher ab 2025 kommen, wenn hoffentlich viele der geopolitischen Risiken und Konflikte ausgeräumt sind“, sagt Riedlbauer.
Diese IPOs sind 2024 in der Pipeline
Discord
Die Social-Messaging-Plattform für Gamer ist seit 2021 ein Dauergast auf der Liste möglicher IPO-Kandidaten. Damals lehnte das Unternehmen ein Übernahmeangebot von Microsoft in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar ab. In einer Finanzierungsrunde wurde Discord im Jahr 2021 mit 15 Milliarden Dollar (13,5 Milliarden Euro) bewertet.
Das Social-Media-Unternehmen soll sich schon seit über drei Jahren auf den Börsengang vorbereiten, hat seine Pläne dann aber auch im vergangenen Jahr aufgrund des schlechten Marktumfelds wieder verschoben. Nun soll der IPO laut Informationen von Reuters bereits im März dieses Jahres kommen. Zuletzt wurde Reddit bei einer Finanzierungsrunde im Jahr 2021 mit zehn Milliarden Dollar bewertet.
Klarna
Laut Aussagen von Klarna-Chef Sebastian Siemiatkowski ist das Fintech bereit für den Börsengang. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass es bald passieren wird, aber es gibt keinen offiziellen Termin“, sagte er in einem Interview mit BNN Bloomberg. Dabei seien die USA als umsatzstärkster Markt des Unternehmens die natürliche Wahl für den IPO.
Das Buy-now-pay-later-Unternehmen strebt dabei eine Bewertung von mehr als 15 Milliarden Dollar an. Zuletzt war Klarna im Jahr 2022 mit 6,7 Milliarden Dollar bewertet worden – und damit deutlich schlechter als 2021, als das Fintech noch knapp 46 Milliarden Dollar wert war.
Stripe
Kommt dieser IPO, könnte er spektakulär werden. Schließlich sammelte die Paypal-Konkurrentin im vergangenen Jahr 6,5 Milliarden Dollar ein und erreichte dabei eine Bewertung von 50 Milliarden Dollar. Auch das war allerdings eine deutliche Abwertung gegenüber den 90 Milliarden Dollar, auf die der Zahlungsanbieter noch im Jahr 2021 taxiert wurde.
Databricks
Über einen konkreten Zeitplan ist hierzu noch nichts bekannt. Der KI-Datenspezialist brachte es in der letzten Finanzierungsrunde 2023 immerhin auf eine Bewertung von 43 Milliarden Dollar und hat mit Nvidia bereits einen prominenten Investor an Bord.