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Interview

Panikattacke im Büro: So kannst du Betroffene unterstützen

Wie verhält man sich, wenn ein:e Kolleg:in eine Panikattacke hat? Es ist gar nicht so kompliziert, die betroffene Person zu unterstützen. Worauf Kolleg:innen und Führungskräfte achten müssen.

7 Min.
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Wenn ein:e Kolleg:in eine Panikattacke hat, hilft es, die Person direkt anzusprechen und zu fragen, was sie braucht. (Foto: Dragon Images / Shutterstock)

Plötzlich wird ein:e Kolleg:in ganz blass und rennt hektisch vor die Tür: Was mache ich als Kolleg:in, wenn es jemandem in meinem Arbeitsumfeld plötzlich offensichtlich schlecht geht?

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Ein solches Verhalten kann auf eine Panikattacke hindeuten. Die Symptome sind dabei individuell, wie Dorthe Hodemacher weiß. Als auf Psychotherapie spezialisierte Heilpraktikerin arbeitet sie unter anderem mit Menschen, die unter Panikattacken leiden. Sie weiß, was Kolleg:innen für Betroffene tun sollten und worauf es bei akuten Angstanfällen ankommt.

t3n: Was ist überhaupt eine Panikattacke?
Dorthe Hodemacher: Eine Panikattacke ist ein akuter Angstzustand. Dabei will uns unsere innere Alarmanlage darauf hinweisen, dass etwas gerade nicht stimmt. Im Gehirn laufen die Prozesse ab, die bei einer realen Bedrohung aktiviert werden, die Muskeln werden aktiviert, die Atmung verändert sich. Das nehmen wir deutlich wahr: Wir spüren den beschleunigten Puls, bekommen vielleicht Schweißausbrüche. Eine Panikattacke fühlt sich aber auch für jeden unterschiedlich an, es gibt einen Strauß an Symptomen.

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t3n: Als Kolleg:in bekomme ich davon möglicherweise gar nichts mit. Zumal Menschen, die wiederholt Panikattacken haben, geübt darin sind, diese nicht nach außen zu tragen. Wie kann ich dann erkennen, dass es jemandem in meinem Büroumfeld gerade so geht?
Die erste Panikattacke ist für Menschen sehr einschneidend. Dabei weiß allerdings in der Regel weder die Person, die sie hat, noch die Person um sie herum, dass das jetzt eine Panikattacke ist. In so einem Fall, etwa wenn die Person das Gefühl hat, einen Herzanfall zu bekommen, ist es wichtig, einen Krankenwagen zu rufen. Die Symptome können auch auf andere akute Erkrankungen, wie etwa einen anaphylaktischen Schock, hindeuten. Niemand muss in der Lage sein, eine Panikattacke zu erkennen – weder bei sich noch bei anderen. Gleichzeitig ist es gut, wenn dafür ein Bewusstsein herrscht.

Dorthe Hodemacher sitzt auf einer Bank, die sich um einen Baum zieht.

Dorthe Hodemacher ist als Heilpraktikerin auf Psychotherapie spezialisiert. (Foto: Merve Aglamaz)

t3n: Gehen wir davon aus, ich erlebe die Symptome wie Atemnot und Zittern bei einem:einer Kolleg:in, der:die damit noch nie zu tun hatte. Dann rufe ich einen Krankenwagen, das ist logisch. Aber was ist, wenn ich merke, jemand ist zittrig, geht raus. Was sollte ich da machen?
Ich bin immer eine große Freundin davon, die Situation direkt anzusprechen. Das, was da passiert, ist normal – niemand sucht sich das aus. Viele Menschen laufen mit Panikattacken herum, ohne es zu wissen. Wichtig ist in erster Linie, selbst zu wissen, dass man damit umgehen kann. Bei jeder Panikattacke, jedem Ausnahmezustand, den man bei Kollegen mitbekommt, ist immer das Wichtigste, sich zuerst selbst zu beruhigen und wahrzunehmen. Frag dich: Was passiert hier gerade? Und mach dir bewusst: Wir kommen da durch. Es ist wie den inneren Flugbegleiter einzuschalten. Dabei prüfen wir auch, wo die Notausgänge sind, und setzen die eigene Sauerstoffmaske zuerst auf. Atme also tief durch und geh möglichst ruhig in das Gespräch. Bring dich selbst runter und geh dann auf die Person zu.

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t3n: Das heißt: Wenn ich selbst unruhig bin, bin ich in dem Moment die falsche Person, um sich um meinen Kollegen zu kümmern, richtig?
Ja, genau. Das setzt voraus, dass du das bei dir selbst wahrnimmst. Wenn das der Fall ist, halte lieber nach weiteren Personen Ausschau, die du dazuholen kannst. Du musst auch im Notfall nicht alleine bleiben als Unterstützer:in. Du bist dann vielleicht nicht die beste Person, aber das wird dir in der Situation gar nicht bewusst sein.

t3n: Wie wähle ich denn in so einer Situation die passende Ansprache?
Grundsätzlich spricht nichts dagegen, einfach zu fragen, ob gerade alles in Ordnung ist und ob die Person Unterstützung braucht. Aber: Auch wenn ich glaube, zu wissen, was bei der Person los ist, spreche ich es nicht aus. Damit laufe ich Gefahr, sie zu überfordern oder sie bloßzustellen. Eine offene Frage wie „Kann ich dich gerade irgendwie unterstützen?“ ist da viel hilfreicher.

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t3n: Mit welchen Reaktionen muss ich dann rechnen?
Es geht gar nicht darum, womit du dann rechnen musst. Das ist an dem Punkt nicht wichtig. Es ist ja gar nicht vorhersehbar, welche Geschichte die Person mit den Panikattacken hat. Es ist möglich, dass die Person nicht schlüssig zusammenhängend reagiert; ihre Antwort ergibt dann keinen Sinn oder sie gibt gar keine. Allein, indem du sie ansprichst, hilfst du ihr schon, aus diesem verwirrenden Zustand herauszukommen.

t3n: Was sollte ich dann tun?
Ich würde der Person, die möglicherweise die Panikattacke hat, sagen: „Atme mal tief ein, atme mal tief aus. Lass uns mal zusammen bewusst einen tiefen Atemzug nehmen.“ Gerade das Ausatmen hilft, wenn die Person in einer Hyperventilation ist. Das Wichtigste ist immer, sich auch selbst zu erinnern: Das hier geht vorbei. In einem kurzen Moment erlebt der Betroffene da ein verdrehtes Zeitempfinden, das ist sehr intensiv und kann sogar ansteckend wirken – du bekommst selbst Stress und wirst fahrig. Lass dich davon möglichst nicht anstecken. Macht dir klar, dass Angst nur ein Gefühl ist.

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t3n: Brauche ich da bestimmte Atemtechniken?
Diese Atemtechniken sind super. Sie sind Techniken für Personen im Selbst-Coaching, mit denen sie Panikattacken verhindern oder sich in einem intensiven Angstzustand herunterregulieren können. Für eine Notfallsituation ist das allerdings zu verkopft, das braucht man da nicht.

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t3n: Was kann ich denn im Umfeld machen? Auch wenn die Person mir gerade nicht antwortet, kann ich ja vielleicht die Umgebung angenehmer gestalten.
Das ist mit das Beste, was du für die Person tun kannst. Du gehst in eine Beschützerrolle und schirmst sie ab. Nicht jeder sitzt im Zweier-Büro, so etwas kann auch im Großraumbüro oder auf einer Messe oder anderen Veranstaltungen passieren. Biete da der Person an, die Situation kurz zusammen zu verlassen, nach draußen zu gehen. Auch da sollte wieder gefragt werden, wo die Person gerade hingehen möchte. Dabei kann die betroffene Person auch sanft am Unterarm angefasst werden oder man legt zwei Finger auf die Schulter. So signalisiert man, dass man in dem Moment da ist und gemeinsam mit ihr geht. Das würde ich allerdings nicht tun, wenn ich ein Mann wäre und die Person mit der Panikattacke eine Frau ist. Die Anzahl der Frauen, die in der Vergangenheit Gewalt durch Männer erlebt haben, ist leider viel höher, als uns klar ist. In dieser Konstellation sollte also der körperliche Abstand gewahrt werden. Allein die innere Haltung einzunehmen, als würde man die Person abschirmen, sollte schon helfen.

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t3n: Und wenn die Person alleine sein möchte? Kann ich das zulassen oder habe ich da eine Verantwortung, sie nicht alleine zu lassen?
Menschen, die wiederholt Panikattacken haben, wissen sehr gut, was sie in dieser Hinsicht benötigen. Wenn sie dir sagen, dass sie alleine sein wollen, dann ist das in Ordnung und sollte geachtet werden. Du kannst allerdings klar sagen, dass du in zehn Minuten noch einmal kommst und nach ihr schaust – nicht nur der anderen Person wegen, sondern auch für deine eigene Selbstfürsorge.

t3n: Gibt es eigentlich auch etwas, das ich auf keinen Fall machen sollte?
Gib der Person nicht das Gefühl, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Aussagen wie „Spiel dich nicht so auf“, „Komm mal runter“, „Krieg dich ein“ sind also eigentlich unpassend. Paradoxerweise können sie dennoch hilfreich sein, weil die Person damit wieder in die Realität zurückgeholt wird. Allerdings kann das die Beziehungsebene zwischen dir und der Person nachhaltig beschädigen. Du solltest außerdem nicht verhindern, dass die Person zum Arzt geht. So etwas wie „Das kenne ich selbst, das ist nichts“ zu sagen, ist wirklich gefährlich – denn die Panikattacke kann auch eine körperliche Ursache haben. Du bist kein Arzt und weißt nicht, ob es wirklich „nur“ eine Panikattacke ist. Generell kannst du eine Panikattacke aber kaum noch schlimmer machen.

t3n: Sollte ich jemandem raten, dann nach Hause zu gehen und sich krankzumelden?
Wenn du nicht weisungsbefugt bist, würde ich da nicht unbedingt dazu raten. Bist du weisungsbefugt, wäre es sehr gut und wichtig, die Person auf fürsorgliche Art und Weise zu entlasten und nach Hause zu schicken. Viele Berufsanfänger, die zu mir kommen, fragen immer wieder, wann sie sich arbeitsunfähig melden sollten. Das muss jeder für sich selbst herausfinden, das ist eine persönliche Wachstumsaufgabe.

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t3n: Nach der akuten Situation gibt es auch das Danach. Wie weit sollte ich als jemand, der so eine Situation miterlebt hat, gehen?
Nachfragen nach ärztlicher oder therapeutischer Behandlung würde ich nur stellen, wenn zu der Person ein enges, persönliches Verhältnis besteht. Sonst kann es dem Betroffenen schnell ein schlechtes Gefühl geben. Auch an der Stelle sollte wieder Gesprächsbereitschaft signalisiert werden: „Wenn du darüber reden willst, bin ich da.“ Sehr hilfreich ist auch, sofern du selbst in deinem Umfeld Erfahrungen mit Panikattacken gemacht hast – es reicht schon, wenn du dich mal mit dem Thema beschäftigt hast –, darauf hinzuweisen. Damit normalisiert du es, indem du darauf verweist, dass du die Situation von anderen kennst.

t3n: Wie sollte ich als Führungskraft damit umgehen, wenn ich denke, dass jemand Panikattacken hat?
Es wird von Generation zu Generation immer normaler, über solche Themen zu sprechen. Gerade Führungskräfte in einem bestimmten Alter haben damit aber ein Generationenproblem: Sie haben mitunter nicht erlernt, damit umzugehen und erleben solche Gespräche als grenzüberschreitend. Für sie hat das im beruflichen Kontext vielleicht auch nicht verloren. Ich vertrete generell die Meinung: Es geht die Führungskraft nichts an, weshalb jemand arbeitsunfähig ist. Sie darf das Verhalten natürlich wahrnehmen und ansprechen, aber keine Interpretation für das Verhalten mitliefern. Jeder, der eine psychische Erkrankung hat, hat das Recht, sich selbst darum zu kümmern oder eben nicht. Panikattacken, selbst wenn sie sich häufig wiederholen sollten, bedeuten nicht, dass jemand seine Arbeit nicht machen kann. Das Eine hat mit dem Anderen absolut nichts zu tun.

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