Persönlichkeitstests im Recruiting: Was steckt dahinter?
Mit Persönlichkeitstests wie MBTI und Big Five erhoffen Personalverantwortliche sich, dass Fragen wie „Wie würden Sie sich selbst beschreiben?“ künftig der Vergangenheit angehören und von wissenschaftlichen Ergebnissen abgelöst werden.
Was sind Persönlichkeitstests?
Persönlichkeitstests sind teilweise Jahrzehnte alte Testverfahren aus der Psychologie, die im Kontext des Recruitings zur Ermittlung der Persönlichkeit und Eigenschaften von Bewerbenden eingesetzt werden. Unternehmen erhoffen sich dadurch ein unabhängiges und objektives Urteil darüber, ob eine Person zum Unternehmen und seiner Kultur passt oder nicht.
Die meisten Tests führen Bewerbende selbst mittels eines Fragebogens online oder offline durch. Das kann in einem Vorauswahlprozess, im Rahmen eines Assessment-Centers oder beim persönlichen Bewerbungsgespräch sein.
Wie bei vielen vergleichbaren Verfahren sorgen auch Persönlichkeitstests für große Diskussionen im Personalmanagement. Sind die Tests wissenschaftlich? Können sie nicht leicht manipuliert werden? Und überhaupt: Ist nicht der Eindruck im persönlichen Gespräch viel wichtiger als ein nüchternes, schwarz auf weiß zusammengefasstes Testergebnis?
Pro und Contra geben sich die Klinke in die Hand
Grundsätzlich können beide Parteien bei diesem Diskurs Argumente auf ihre Meinung vereinen. Es gibt weder nur schwarz, noch nur weiß. Aus neutraler Perspektive sind Persönlichkeitstests im ersten Moment ein weiterer Schritt im Recruiting-Prozess. Bedeutet: Die Time-to-Hire steigt, was gerade bei schnell zu besetzenden Stellen problematisch ist.
Ist eine ausgeschriebene Stelle hingegen von elementarer Wichtigkeit – beispielsweise mittleres und höheres Management –, können die Tests eine gute Ergänzung zu den klassischen Methoden im Recruiting sein. Das gilt grundsätzlich für jede Form von Persönlichkeitstest: Sie ersetzen keine persönlichen Gespräche oder Eindrücke, sondern wirken ergänzend zu klassischen Methoden.
Ein weiteres Argument, das von Gegnern solcher Tests ins Feld geführt wird: Sie sind leicht zu manipulieren. Das gilt für Persönlichkeitstests, die „die gute Antwort“ in ihrer Fragestellung oder den Antwortmöglichkeiten bereits suggerieren. Bei der Auswahl der Art des Persönlichkeitstests gilt es also darauf zu achten, dass solche verwendet werden, die nicht oder nur sehr schwer manipulierbar sind.
Typologisch versus dimensional
Die Theorie unterscheidet zwei Arten von Persönlichkeitstests. Dimensionale Modelle sind weniger auf theoretischen Grundlagen basierend und messen verschiedene Eigenschaften auf einer Skala. Beispielsweise wird eine Aussage getroffen, die der oder die Teilnehmende irgendwo zwischen „volle Zustimmung“ und „volle Ablehnung“ einordnet.
Dem gegenüber stehen typologische Modelle und Tests. Diese meist älteren Modelle, die auf Arbeiten bekannter Psychologen wie Carl Gustav Jung zurückgehen, sind etwas ungenauer – dafür aber auch leichter verständlich.
MBTI, DISG und Co: Welche Persönlichkeitstests werden in der Praxis eingesetzt?
Persönlichkeitstests gibt es wie Sand am Meer. Bisher hat sich keiner der Tests so durchgesetzt, dass er als alleiniger immer und überall zur Anwendung kommt – was es Personalverantwortlichen in der Vergleichbarkeit leicht machen würde. Dennoch haben sich in den vergangenen Jahren einige wenige stärker etabliert und tauchen in den Diskussionen immer wieder auf.
Zu den bekanntesten seiner Art zählt der Big-Five-Test, der auch unter dem Akronym Ocean (Openness, Conscientiousness, Extraversion, Agreeableness, Neuroticism) bekannt ist. Das Grundprinzip des Modells stammt aus den 1930er-Jahren und beschäftigt sich mit den fünf primären Dimensionen der menschlichen Persönlichkeit, die die Abkürzung bilden – auf Deutsch: Offenheit/Aufgeschlossenheit, Gewissenhaftigkeit, Geselligkeit, Verträglichkeit/Rücksichtnahme, Neurotizismus.
Ebenfalls bekannt ist der Myers-Briggs-Typenindikator, meist nur MBTI abgekürzt. Im Vergleich zu Ocean ist das typologische Modell jedoch wissenschaftlich umstritten. Der Test unterscheidet vier Persönlichkeitsdimensionen in gegensätzlichen Ausprägungen: Extraversion/Introversion, Sensing/Intuition, Thinking/Feeling, Judging/Perceiving. Je nach Dimension ergeben sich so 16 mögliche Persönlichkeitstypen.
Weitere renommierte Tests sind DISG (Akronym für Dominanz, Initiative, Stetigkeit, Gewissenhaftigkeit), 16PF (16 Personality Factor Questionnaire) und BIP (Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung).
Die Wissenschaft zweifelt
In der Wissenschaft sind viele der regelmäßig zum Einsatz kommenden Tests – laut einer Studie der Universität Bochum aus dem Jahr 2015 sind das vor allem MBTI, DISG und BIP – umstritten. Sie seien nicht fundiert und können zu leicht manipuliert werden.
Um dies zumindest etwas einzudämmen, wurde im Jahr 2002 die DIN 33400 als Norm für die „Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik“ etabliert. Sie stellt 2016 überarbeitet sicher, dass nicht willkürliche Persönlichkeitstests angeboten, verkauft und für den Einsatz herangezogen werden.
Ein Blick auf verschiedene psychologische und wissenschaftliche Meinungen zeigt: Gerade den oft zum Einsatz kommenden typologischen Tests MBTI und DISG mangelt es an theoretischer Grundlage. Das dimensionale Ocean-Modell (Big Five) hingegen steht auf einer wissenschaftlich fundierten Basis.
Fluch oder Segen?
Wer Persönlichkeitstests im Recruiting einsetzt, sollte sich im Klaren sein, dass sie niemals als einzige Betrachtungsmethode der Persönlichkeit eines Menschen eingesetzt werden sollten. Vielmehr dienen sie als Ergänzung zu den klassischen Methoden, die im Recruiting Anwendung finden.
Wenn ein Test zum Einsatz kommt, sollte er wissenschaftlich fundiert sein – was nützt es schließlich, wenn die Ergebnisse nicht aussagekräftig sind oder Bewerbende den Persönlichkeitstest einfach manipulieren können? Der Big-Five-Test (Ocean-Modell) gilt als wissenschaftlich anerkannt und kann ohne Bedenken eingesetzt werden.
Jobinteressierte sollten im Zuge des Recruitings außerdem darauf hingewiesen werden, dass die Tests nicht ausschlaggebendes Einstellungs- oder Absagekriterium sind. Auch ein Hinweis, dass ehrlich geantwortet werden soll, verstärkt nochmals die Wirkung. Niemandem ist mit falschen Antworten geholfen.
Zudem wichtig: Wenn Eignungstests durchgeführt werden, ist aus Sicht der Bewerbenden und im Sinne einer von Anfang an transparenten Kommunikation ein kurzes Reporting der Ergebnisse an alle Teilnehmer wichtig. Wie sind die Ergebnisse ausgefallen? Wie werden sie interpretiert? Das schafft Transparenz – und verringert die Chance, dass gerade Bewerbende, die es nicht ins Unternehmen geschafft haben, zu negativen Multiplikatoren werden.
Wer nur daran denkt solche Tests durchzuführen, soll pleite gehen. Und an die Bewerber muss man die Frage richten was man für ein Bückling sein muss da überhaupt mitzumachen?