Die Idee des Personal Brandings klingt sehr überzeugend: Menschen kaufen von Menschen. Der Glaube an Marken hielt nur kurz, heute sind wir alle gefragt. Daran ist erst einmal nichts Falsches. Wenn ich ein Produkt habe oder mit meiner Expertise Geld verdiene, dann muss ich mich darum kümmern, dass ich wahrgenommen werde. Wenn du diesen Text liest, dann besteht eine Chance, dass du das tust, weil du weißt, wer ich bin. Falls nicht: Hi, ich bin Isabell Prophet und ich schreibe Texte über Produktivität. Sie sind sehr gut, du solltest sie lesen.
Personal Branding hat trotzdem ein Problem. Seine Relevanz wird so überbetont, dass es viele Menschen weit über die Grenze zur Fake Work hinausgetrieben hat. Sie schreiben. Sie gliedern. Sie provozieren, überarbeiten, provozieren härter. Schließlich formatieren sie ihre markigsten Sätze in Unicode und posten. Und dann beantworten sie die Kommentare, die andere nur schreiben, um ihre eigene Reichweite zu vergrößern. (Lies den Satz noch einmal.) In all dieser Zeit haben sie nichts erschaffen und nichts verdient.
Die Maschine des Personal Branding füttert sich selbst
Menschen glauben, was sie sehen. Und sehen sie besonders viel von einer Sache, dann glauben sie noch stärker daran. Diesen Mechanismus nutzen die selbst ernannten Expert:innen des Personal Brandings.
Das funktioniert ganz einfach:
- Schick viele Kontaktanfragen an viele Menschen, idealerweise mit einer gewissen Grundreichweite.
- Poste über die Relevanz von Personal Branding.
- Kommentiere regelmäßig, wie schade ™ es sei, dass das Anliegen einer Person angeblich so wenig Aufmerksamkeit bekomme.
Zack – du hast einen Bedarf geschaffen. Die Maschine des Personal Brandings erzeugt einen Hunger und füttert sich dann selbst.
Endgültig absurd – also Fake Work
Ich mag den Begriff des „Bespielens“, den viele Social-Expert:innen benutzen, wenn sie über ihre Arbeit sprechen. Er passt. Sie spielen ein Spiel gegen die Maschine, den Algorithmus und gegen die Masse an Beiträgen anderer. Nur werden alle anderen auch immer besser im Spiel. Der Highscore – Reichweite – wird damit schwerer zu knacken.
Es lohnt sich deshalb, kräftig Werbung für ein Netzwerk zu machen. Doch auch wenn mehr Menschen auf einer Plattform sind, um Beiträge zu sehen, zu liken, zu kommentieren, ist auch ihre Zahl endlich. So investieren immer mehr Menschen immer mehr Zeit und Kreativität, um sichtbar zu sein, und kämpfen dabei um Aufmerksamkeit. Doch diese Aufmerksamkeit ist eine Ressource, die immer langsamer wächst. Und kommt das Netzwerk aus der Mode, dann ist deine Investition dahin. Personal Branding in Social Media ist die Kreuzfahrt-Aktie der Arbeitswelt.
Das wird endgültig absurd, wenn Expert:innen des Personal Brandings erfolgreich damit werben, dass sie wissen, was die Menschen posten sollen. Themenpläne werden verkauft, Botschaften identifiziert, Journeys gestaltet. Menschen, die nichts zu sagen haben, werden für viel Geld dabei beraten, was sie sagen könnten. Hier ist mein Expertinnen-Rat: Tu lieber etwas, von dem du später gern erzählst!
Was bist du dir wert?
Nun lautet der logische Einwand: Ja, aber Sichtbarkeit muss halt sein. Weiß ich. Ich bin, wie gesagt, Autorin. Das bedeutet, dass eine Menge Leute meine Kompetenz daran messen, wie viel Reichweite aka Influence ich habe. Weil ich aber Autorin bin und keine Influencerin, halten wirklich wichtige Menschen mich für weniger fähig, als ich bin. Weißt du, wie frustrierend das ist? Es ist sehr frustrierend.
Aber das ist die Entscheidung, die wir treffen müssen. Sind Ressourcen endlich, dann können wir jede Einheit von Zeit und Energie in unsere Arbeit stecken oder in unsere Sichtbarkeit.
Wir brauchen einen klugen Mittelweg. Immer mehr und immer flacher und immer lauter ist kein Mittelweg. Personal Branding ins Extreme getrieben ist die Abkehr von Kreativität und Produktivität. Dann haben wir sehr intensiv gearbeitet und sehr wenig erschaffen. Wir sollten uns selbst mehr wert sein.