Es gibt, so werden Arbeitswissenschaftler:innen und Anbieter:innen entsprechender Beratungsleistungen und Tools nicht müde zu beteuern, vor allem zwei Dinge, die unsere tägliche Arbeitswelt am Schreibtisch belasten: E‑Mails und Meetings. Sie füllen, so erklärt etwa Dave King, der Marketingchef von Asana, knapp zwei Drittel unserer Arbeitszeit aus. Und sie bremsen und demotivieren viele Mitarbeitende in ihrem Tagesgeschäft.
Doch ist es eine Lösung, auf die regelmäßige Besprechung im Team zu verzichten und alles nur noch über digitale Tools auf asynchroner Basis zu erledigen? Nein, sicher nicht. Richtig ist allerdings, dass das Tagesgeschäft durch schlecht geführte Teammeetings aufgehalten wird – und hier lohnt es sich, anzusetzen. Da sitzen dann, sagen wir, acht Menschen einer Abteilung für eine Stunde zusammen und jede:r erzählt, woran er:sie arbeitet – und alle verbrennen dabei einen wertvollen Personentag.
So sollte es natürlich nicht sein – denn Collaboration Tools von Monday bis Asana, von Confluence bis Trello können dafür sorgen, dass sich jede:r selbst über jene Projekte informiert, die ihn:sie betreffen, sodass dieser Teil des Tagesgeschäfts nicht in der gesamten Abteilung erfolgen muss. Und ganz nebenbei sorgt das auch dafür, dass diejenigen, die das Projekt verantworten, regelmäßig den Stand dokumentieren (und sich so selbst darüber bewusst werden, welche nächsten Schritte gegebenenfalls zu tun sind).
Auf das Zusammentreffen kommt es an – digital wie analog
Doch das Zusammentreffen von Menschen wird dadurch nicht überflüssig. Denn es dient zum einen dazu, miteinander zu interagieren und die Meinung von Kolleg:innen zu erfahren, einen für alle wertvollen Austausch zu pflegen – und unterm Strich zu besseren Arbeitsergebnissen zu kommen. Dass das für kreative Prozesse unabdingbar ist, bezweifeln übrigens auch die hartnäckigsten Meeting-Gegner:innen meist nicht.
Klar ist dennoch, dass viele Konferenzen, egal ob im Videoformat oder persönlich abgehalten, unglaublich ineffizient sind. Das hat meist mit fehlender Koordination zu tun, mit unzureichenden Führungsqualitäten – und damit, dass man sich nicht immer etwas zu sagen hat, wenn beispielsweise nichts Neues zu einem Projekt zu sagen ist. Dann sollte man aber auch bitte die Sache nicht unnötig aufblähen, denn „getretner Quark wird breit, nicht stark“.
Jour fixe reloaded: Regeln entwickeln und einhalten
Was es für solche reformierten Formen der Jour-fixe-Kultur aber braucht, sind passende Regeln (und bestenfalls eine andere Person als den Meeting-Initiator, der im Dialog hinter verschlossener Tür im Nachhinein darauf aufmerksam macht, wenn’s mal wieder nicht geklappt hat). Wichtig ist aber auch die Regel, dass gerade in digitaler Form zu einem Meeting eine konkrete Tagesordnung gehört (die mehr als Copy-and-paste aus der Vorwoche ist), dass kein Punkt länger ausgedehnt wird als nötig.
Hilfreich ist auch, dass Kommunikationssituationen, in denen zwei Kolleg:innen im Meeting die Vorarbeit machen, die sie im Eins-zu-eins hätten erledigen müssen, souverän abgebrochen und vertagt werden. Hinzu kommt, dass sichergestellt ist, dass in hybriden Meetings, in denen ein Teil im Büro sitzt und ein Teil im Homeoffice, entsprechend dafür Sorge getragen wird, dass alle etwas davon haben (und die Remote Workers nicht nur unbeteiligt zuschauen).
All das braucht Leitende, die ihr Handwerk verstehen, mit der nötigen Souveränität ohne übermäßige Härte das Meeting führen und die es gleichermaßen schaffen, die Stilleren aus der Reserve zu locken. Eine Fähigkeit, die in Zukunft auch gelernt werden muss, wenn aus Mitarbeitenden Leitende werden.
Ein Widerspruch zu einer komplett autarken Kultur des New Work, in der jede:r irgendwann sein:ihr Tagwerk verrichtet, ist all das übrigens ebenfalls nicht. Denn selbst bei maximaler Freiheit in der Wahl von Arbeitszeit und Arbeitsort gibt es in nahezu jedem Team eine Art Kernzeit, zu der man in aller Regel verlässlich erreichbar ist. Und selbst wenn das einmal nicht klappt, ist das kein ernsthaftes Problem. Es möge bitte niemand so tun, als seien Menschen nicht auch in der alten Arbeitswelt mal krank, bei einem Termin oder im Urlaub gewesen.
Meetings schaffen Stallgeruch und gegenseitiges Verständnis
Deswegen aber den Jour fixe komplett abzuschaffen und sämtliche arbeitsbezogenen Dinge auf dem asynchronen Weg zu regeln führt nicht weiter. Denn synchrone Formate, egal ob digital oder persönlich abgehalten, sind auch Zeiten, in denen Kolleg:innen miteinander in Kontakt kommen, ihr Gegenüber besser kennenlernen und einen gemeinsamen Rhythmus, eine gemeinsame Form des Miteinanders finden.
Wer in den letzten Monaten einen neuen Job mit (teilweise durch die Corona-Situation erzwungen) vielen dezentralen New-Work-Ansätzen begonnen hat, kann nachvollziehen, dass es ungleich schwieriger ist, die Unternehmenskultur im neuen Unternehmen zu verinnerlichen, den „Stallgeruch“ zu bekommen und die Kolleg:innen kennenzulernen, wenn man mit ihnen kaum etwas zu tun hat.
Und auch wer schon länger mit vielen verschiedenen Teamkonstellationen bei Kundenunternehmen oder Dienstleistern zu tun hat, bemerkt die Reibungsverluste, die sich aus der (an sich vernünftigen) größeren Flexibilität der Teamstrukturen ergeben. Das schafft Unsicherheiten, was in bestimmten Fragen gilt, geringere Loyalität und nicht zuletzt auch eine geringere Bindung.
Insofern ist das Festhalten an mehr oder weniger reformierten festen Meetingstrukturen – egal, ob man es für sich als Jour fixe oder anders betitelt – entscheidend für viele Unternehmen und die gute Zusammenarbeit. Denn Meetings sind mehr als das reine Besprechen von Fakten und das Heben eines Mehrwertes durch das Zusammenbringen des Know-hows der gesamten Abteilung.