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Analyse

Pokémon und Nintendo Switch: Das Problem hinter den Bäumen

Es ist fast schon ein Ritual: Ein neuer Pokémon-Trailer sorgt für eine Diskussion um Bäume und deren Grafik. Aber was steckt eigentlich dahinter?

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Wieder sind es die Bäume, die Pokémon-Fans stören. (Screenshot: Nintendo)

Zunächst eine kurze Zusammenfassung der Debatte um das Anfang 2022 erscheinende „Pokémon Legends: Arceus“, das verblüffend an die Debatte um das Ende 2019 erschienene „Pokémon: Schwert und Schild“ erinnert: Die Bäume sind hässlich. Freilich ist das eine etwas lapidare Zusammenfassung, aber sie trifft den Kern der Kritik, die vor allem in den sozialen Medien geäußert wird. Die Pokémon-Spiele für die Nintendo Switch seien nicht hübsch genug, könnten selbst mit Launch-Spielen wie „Zelda: Breath of the Wild“ nicht mithalten. So wie die Grafik-Diskussion oberflächlich klingen mag, ist diese Kritik aber auch nur die Oberfläche der zugrundeliegenden Frage: Wie kann es sein, dass eine der bekanntesten und gewinnbringendsten Franchises der Welt nicht hochwertigere Spiele hervorbringt? Versuchen wir uns dieser Frage anzunähern.

Pokémon ist Merchandise

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Blickt man auf den Veröffentlichungsrythmus der großen Pokémon-Spiele, also nicht Spin-offs wie „New Pokémon Snap“ oder das Free-2-Play-Spiel „Pokémon Unite“, zeigt sich, dass nahezu jedes Jahr ein solches Spiel erscheint. 2020 war das erste Jahr seit 2011, in dem kein neues oder überarbeitetes Pokémon-Abenteuer auf den Markt kam. Das hat auch einen Grund: Einen großen Teil der Franchise-Einnahmen werden im Merchandise generiert. Plüschtiere, Sammelkarte, Figuren oder Kleidung – diese Produkte machen Milliarden. Um jedoch immer weitere Waren anbieten zu können, müssen auch neue Pokémon kreiert werden. Da kommen die Games ins Spiel. Mit der jährlichen Veröffentlichung, meist zu Weihnachten, kommt neues Merchandise auf den Markt. Das ist ein Zusammenspiel, das kaum Release-Verschiebungen zulässt.

Anders als ein „Call of Duty“ aber, werden die Pokémon-Rollenspiele von einem Studio entwickelt: Game Freak. Unter Activision ist jedes Jahr ein anderes Studio für die Shooter-Reihe verantwortlich. Das am 5. November erscheinende etwa „Call of Duty: Vanguard“ wird von Sledgehammer Games entwickelt. Das letztjährige „Call of Duty: Cold War“ wiederum von Treyarch. Sledgehammer Games hat 225 Mitarbeiter, Treyarch 250. Game Freak hat um die 150.

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Das Problem der vielen Pokémon

Jedes neue Pokémon-Rollenspiel braucht vor allem eines: neue Pokémon. Die müssen designed, mit verschiedenen Animationen bestückt und in das Spiel eingebaut werden. Sicherlich, für die Umgebung und andere Charaktermodelle kann Game Freak auf bereits vorhandene Assets zurückgreifen. Für die Pokémon aber muss das meiste von Grund auf erstellt werden. Das ist wohl ein Grund dafür, warum der Pokédex in den Spielen inzwischen stark eingeschränkt ist – auch das hat in der Vergangenheit für viel Kritik gesorgt.

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Da also ein großer Teil der Entwicklungszeit in die Kreation und Implementierung der Pokémon gesteckt wird, scheint kaum Zeit zu sein, neue Features etwa für Online-Modi zu opfern. Oder eben die Verbesserung der Grafik anzugehen. Präziser: Der Fokus liegt nicht auf diesen Aspekten des Spiels. Und auch dafür gibt es einen Grund.

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Wer ist die Zielgruppe?

Es mag einige Spieler:innen geben, die seit dem ersten Pokémon-Teil dabei sind, die also die Spielreihe seit 1998, als „Pokémon Blau und Rot“ in Europa erschienen sind, verfolgen. Der viel größere Teil aber ist ein jüngeres Publikum. Die Philosophie von Game Freak ist, jeden Teil so zu entwickeln, als sei es jemandes erster Teil. Bedeutet: oft ausladende Tutorials, Erklärungen von Spielmechaniken an jeder Ecke, Dungeons und Gegner, die keine übergroße Herausforderung bieten.

Diese Zielgruppe kümmert sich eher weniger darum, dass die Bäume ziemlich hässlich sind – während sie gerade versuchen, ein Pummeluff mit einem Pokéball zu fangen. Davon zeugen auch die Verkaufszahlen der Reihe, jeder neue Teil der Rollenspiel-Reihe verkauft sich über zehn Millionen Mal weltweit. „Pokémon Schwert und Schild“ hat sich bisher über 21 Millionen Mal verkauft. Da ist der Anreiz für Game Freak, und schlussendlich auch für Nintendo, wohl eher gering, das Budget der Spiele drastisch zu erhöhen, um an Grafik und mangelnden Features zu schrauben. Denn darauf liefe es hinaus: Hübschere Bäume brauchen mehr Zeit. Mehr Zeit kostet mehr Geld.

Wo ist der Ausweg?

Freilich bedeutet das alles nicht, dass Nintendo, Game Freak und die Pokémon Company nicht zu kritisieren seien dafür, dass sie Jahr um Jahr neue Spiele veröffentlichen, die nach der Devise „das Nötigste reicht“ entwickelt zu sein scheinen. Nur ist die Frage, wo angesetzt werden kann, damit die berechtigte Kritik auch angegangen wird.

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Der größte Hebel wäre wohl, die Pokémon-Rollenspiele nicht mehr jedes Jahr zu veröffentlichen. Das hat etwa bei „Assassin’s Creed“ auch schon geholfen. Doch ist nicht davon auszugehen, dass die Pokémon Company auf die jährlichen Merchandise-Verkäufe verzichten wird. Das ist eine fein verzahnte Verkaufsmaschine, die so schnell nicht gestoppt werden wird. Realistischer wäre es, dass Game Freak neues Talent ins Studio holt, mehr Mitarbeiter einstellt, um mehr Ressourcen für ein besseres Spielerlebnis zu haben.

Aber auch dafür bräuchte es zunächst einen Grund – mangelnde Verkaufszahlen der Spiele sind es nicht. Wieso also etwas an einer bewährten Formel ändern? Es zeigt sich, dass das Druckmittel, mal wieder, bei den Konsument:innen liegt. Da sich die Firmen wohl leider nicht von alleine der Kritik annehmen werden, solange sie keine großen Verluste befürchten, bedürfte es also dem Fernbleiben von Käufer:innen, um die Pokémon-Spiele zu verändern.

Die Diskussion um vermeintlich hässliche Bäume deutet also auf mehrere Probleme hin. Die Komplexität der Videospiel-Industrie einerseits, in der immer wieder Entwickler:innen im Crunch über ihre Grenzen hinaus arbeiten müssen, um ein Spiel bis zum Release fertigzustellen. Andererseits aber auch die so ausgeprägte kommerzielle Ausrichtung dieses Mediums, in der es nur selten um künstlerischen Ausdruck zu gehen scheint. Vielleicht sind die Bäume ja also doch gar nicht so hässlich.

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