Russland treibt Wechsel von Windows auf Linux voran – das ist aber nicht so einfach

Linux statt Windows und mehr: Russland will unabhängiger von westlicher Technoologie werden. (Bild: Shutterstock/Photocreo Michal Bednarek)
Als „Legende“ mit „sehr anständiger Leistung“ bewarb das russische Unternehmen Bitblaze kürzlich ein selbst entwickeltes Notebook. Das Titan genannte Gerät wirkt allerdings eher klobig und schwach auf der Brust, was die Leistung der verbauten Hardware angeht.
Während die Notebook-Entwicklung als direkte Reaktion auf die nach dem Überfall auf die Ukraine noch einmal verschärften Sanktionen von Tech-Gütern gewertet werden darf, will Russland sich im Softwarebereich schon länger unabhängig von Windows machen.
Stattdessen setzt das Land auf Linux – allerdings vorrangig in Behörden. Die Nutzer:innen selbst ziehen nicht mit. 95 Prozent der Computer und Laptops in der Hand von privaten Nutzer:innen sollen noch mit Windows laufen, wie die russische Wirtschaftszeitung Kommersant schreibt.
Vielleicht auch unter dem Eindruck des Ukrainekriegs zieht Russland in diesem Bereich jetzt dennoch die Zügel an. Das russische Ministerium für digitale Entwicklung scheint die Regeln für die Vergabe von öffentlichen IT-Aufträgen zu verschärfen.
Wer in ein entsprechendes Register aufgenommen werden oder in diesem für die IT-Auftragsvergabe entscheidenden Register bleiben will, muss künftig seine Lösungen auch für Linux-Systeme bereitstellen.
Das Register bietet übrigens nicht nur die Chance, einen öffentlichen IT-Auftrag zu erhalten, sondern bringt auch massive steuerliche Erleichterungen mit sich. Die Umsatzsteuer entfällt etwa völlig. In dem Register sind aktuell 4.400 Firmen oder selbstständige Softwareentwickler:innen und 13.900 Produkte verzeichnet.
Der Anteil der Linux-Geräte sei durch die Lieferungen an staatliche Institutionen und Unternehmen sowie den öffentlichen Sektor zwar gewachsen, Entwickler:innen von Anwendungssoftware schreiben Software im Unternehmensbereich dennoch immer noch vorrangig für Windows und Oracle.
Trotz der Sanktionen und Einschränkungen würden Kund:innen, ob privat oder im Unternehmensbereich, eher weiter auf eine neue Windowsversion warten, als auf Linux umzuschwenken, schreibt Kommersant unter Berufung auf nicht näher genannte Insider:innen.
IT-Firmen, die öffentliche IT-Aufträge ergattern wollen, müssten also zweigleisig fahren und ein zusätzliches Linux-Team beschäftigen. Weil die breite Nachfrage fehle, müsste dies vom Staat subventioniert werden, heißt es. Außerdem gebe es zu wenig Linux-Entwickler:innen auf dem Markt.
Russland leidet spätestens seit dem Ukrainekrieg unter einem massiven IT-Fachkräftemangel. Firmen sahen sich zwischenzeitlich sogar dazu gezwungen, Gefängnisinsass:innen mit IT-Kenntnissen zu rekrutieren.
Nicht alle sehen das Ganze aber so negativ. Michail Lebedew vom Bürosoftwareentwickler Almi Partner geht davon aus, dass die Anpassung von 90 Prozent der im Register befindlichen Software kein Problem darstelle. Subventionen seien nicht notwendig, so Lebedew, dem zufolge die aktuellen Maßnahmen zur Unterstützung ausreichten.
Dennoch stellt ein komplettes Ersetzen von Windows und anderer westlicher Software einen riesigen Kraftakt dar, der sicher mehrere Jahre dauern dürfte.
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