Wie sicher ist eine Blockchain, die immer wieder für mehrere Stunden angehalten wird? Wie dezentral kann ein Netzwerk sein, wenn einzelne Nutzer ausgeschlossen werden können? Das Smart-Contract-Netzwerk Solana wirft viele Fragen auf.
Solana hat schon für einige Schlagzeilen gesorgt, trotzdem wird es als einer der größten Konkurrenten für Ethereum gehandelt. Auch der netzwerkeigene SOL-Token rankt unter den zehn größten Kryptowährungen nach Marktkapitalisierung.
Welches Potential hat Solana also und welches Risiko steckt dahinter? Das haben wir den Blockchain-Experten Matthias Hirtschulz gefragt. Er ist Physiker und Partner bei der Frankfurter Unternehmensberatung d-fine, wo er die Blockchain und Digital Asset Aktivitäten leitet. Hirtschulz hat bereits über 50 Blockchain bezogene Projekte in verschiedenen Industrien begleitet und dabei zu verschiedenen Use Cases beraten, wie internen Chains, Infrastruktur für digitale Assets oder Tokenisierungen.
t3n: Was ist Solana?
Matthias Hirtschulz: Eine öffentliche, also permissionless, Blockchain. Solana gehört zu den größten Smart-Contract-Chains und hat heute eine Marktkapitalisierung von etwa 12 Milliarden US-Dollar. Damit ist Solana ein Konkurrent für andere Smart-Contract-Plattformen wie Ethereum und Cardano.
t3n: Wer steckt hinter dem Netzwerk?
Matthias Hirtschulz: Solana wurde von Solana Labs entwickelt, ein Team aus Softwareingenieuren, das sich 2018 in San Francisco gegründete. Anatoly Yakovenko veröffentlichte das Whitepaper zu Solana ebenfalls 2017. Finanziert wurde das Projekt insbesondere durch mehrere initiale private Tokenverkäufe und bekam Kapital von bekannten Venture-Capital-Firmen.
t3n: Das klingt nach einer sehr zentralen Finanzierung.
Die breite Masse konnte später schon in einem Crowdsale in das Projekt investieren. Aber das machte nur einen kleinen Teil der verfügbaren Tokenmenge aus. Das ist einer der Kritikpunkte an Solana.
t3n: Bevor wir zu weiterer Kritik kommen: Welches Ziel hat Solana?
Ziel von Solana Labs war es, eine Blockchain zu schaffen, die auf der einen Seite die hohe Nachfrage befriedigen kann – also deutlich mehr Transaktionen abwickeln kann als andere Projekte. Neben der Skalierbarkeit sind aber auch zwei andere Punkte wichtig: Sicherheit und Dezentralität. Diese drei Aspekte bilden das Blockchain-Trilemma, denn sie werden als gegensätzlich angesehen.
Bis jetzt wurden einige hundert Projekte auf der Solana Blockchain entwickelt.
t3n: Solana ist eine Smart-Contract-Chain. Was bedeutet das?
Dass Solana viele verschiedene Anwendungen bietet: Non-Fungible Token oder Decentralized Finance wie Dezentrale Börsen (DEXs) und eine Vielzahl weiterer dezentraler Anwendungen. Bis jetzt wurden einige hundert Projekte auf der Solana Blockchain entwickelt.
t3n: Das können andere Smart-Contract-Netzwerke wie Ethereum auch. Was macht Solana anders?
Solana zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es den Proof-of-Stake-Konsensmechanismus mit einem eigens entwickelten Zeitstempelsystem „Proof-of-History“ kombiniert. Unter anderem dadurch kann Solana aktuell mehrere tausende Transaktionen pro Sekunde abwickeln. Solana bleibt dabei relativ kostengünstig und schnell, mit einer durchschnittlichen Transaktionsgebühr von etwa 0,00025 USD und einer Blockvalidierungszeit von deutlich unter einer Sekunde.
Ethereum hat den First Mover Advantage.
t3n: Wenn Solana schneller und skalierbarer ist als Ethereum, warum Ethereum dann trotzdem das größere Netzwerk?
Ethereum hat als erste Smart Contract Plattform den First Mover Advantage. Ethereum konnte bereits ein deutlich größeres Ökosystem aufbauen und Netzwerkeffekte spielen nun eine wichtige Rolle. Viele Ansätze im Bereich Smart Contracts und Digital Assets basieren ja gerade darauf, dass die verschiedenen Projekte miteinander kombiniert werden können beziehungsweise auf einer Plattform verfügbar sind.
Zudem stellt Ethereum – nach aktueller Planung – im September ebenfalls auf einen Proof-of-Stake basierten Konsensmechanismus um. Damit holt die Chain in Sachen Energieverbrauch auf. Die Umstellung auf Proof-of-Stake fungiert auch als Vorläufer für kommende Upgrades, womit die Skalierbarkeit von Ethereum deutlich verbessert werden soll.
t3n: Dann ist Solana kein ernsthafter Konkurrent für Ethereum?
Ethereum ist weiterhin der Platzhirsch mit dem größten Ökosystem und sehr vielen Entwicklern. Solana gehört aber sicherlich zu den vielversprechendsten Konkurrenten, wenn die Probleme aus der Vergangenheit gelöst werden können.
t3n: Kommen wir nochmal zurück auf die Kritikpunkte an Solana. Eben haben Sie schon Zweifel an der Dezentralität geäußert. Welche gibt es noch?
Genau, Fragen gibt es insbesondere in Bezug auf die Dezentralität, Sicherheit sowie die Tokenverteilung von Solana. Dabei ist Dezentralität ein sehr komplexer Begriff, der nicht so einfach in wenigen Sätzen zu erklären ist. Ein dezentrales System besteht grundsätzlich aus sogenannten Subsystemen, wobei jedes Subsystem einzeln betrachtet werden muss und dezentralisiert sein sollte. Subsysteme können das Mining oder Staking sein. Weitere sind zum Beispiel die weltweite Verteilung der Validierungsknoten, die Programmierer oder die Verteilung der Token.
t3n: Solana macht auch häufig Schlagzeilen mit Hackerangriffen. Wir erinnern uns an DDoS-Attacken und gehackte Wallets. Was sagt das über die Dezentralität und Sicherheit von Solana aus?
Solana hat tatsächlich für viele Nutzer ein angeknackstes Vertrauen, weil mittlerweile diverse Fälle zusammengekommen sind, die Zweifel an der Sicherheit und Dezentralität wecken. Infrastrukturseitig gabe es bei Solana eine Reihe von Netzproblemen, von denen einige zu kompletten Netzausfällen führten. Das hat zu viel Kritik am Projekt geführt. Ein solcher Fall ereignete sich im September letzten Jahres, als das Netzwerk etwa 17 Stunden lang offline war. Ende April kam es zum siebten Ausfall der Solana Blockchain innerhalb weniger Monate.
Solana hat noch einige Hausaufgaben zu erledigen.
t3n: Aber auch einige Solana-Anwendungen haben schon für Aufregung gesorgt.
Ja, mehrere sogar. Beispielsweise wurde der Account eines Nutzers übernommen, der auf der eigentlich dezentralen Lending Plattform Solend über 100 Millionen USDC geliehen hatte. Beschlossen wurde das von der Solend gehörigen DAO. Die Community befürchtete durch den Nutzer systemische Risiken. Später stellte sich heraus, dass 90% der Stimmen von einem einzigen Nutzer abgegeben wurden.
Der Gesamtprozess war noch etwas komplexer – das gesamte Vorgehen unterstreicht aber einmal mehr die Bedenken bezüglich Dezentralisierung im Solana Ökosystem. All diese Beispiele zeigen, dass Solana noch einige Hausaufgaben zu erledigen hat, um mehr Nutzer und Use Cases anzuziehen und verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen.