
Jeremy Bailenson, Leiter des Virtual Human Interaction Lab an der Universität Stanford im US-Bundesstaat Kalifornien, ist im Grunde ein Fan der neuen Technologien. VR-Headsets nutzt er gern und oft. Das hindert ihn allerdings nicht daran, deutliche Kritik zu üben.
Die Risiken hinter Passthrough
Mit seinem Team hat er sich nun mit den Folgen exzessiver Headset-Nutzung beschäftigt und dabei ein Problem identifiziert. Das besteht im sogenannten Passthrough-Video, mit dem alle modernen Headsets wie die Apple Vision Pro oder die Quest 3 und Quest Pro von Meta arbeiten. Passthrough bedeutet, dass Kameras und andere Sensoren Bilder von der Außenwelt aufnehmen und im Gerät wiedergeben.
Nutzer:innen sehen also eine synthetische Umgebung, die der realen Umgebung nachempfunden, dabei aber etwa um Apps oder andere Elemente erweitert ist. Die Umgebung soll Menschen dazu bringen, in ihr mehr oder weniger leben zu wollen. Meta hat bereits eine virtuelle Büroumgebung an den Start gebracht, die einen vollen Arbeitstag lang genutzt werden könnte.
Und in dieser Dauernutzung erkennt das Stanford-Team gravierende Risiken. Die Forscher:innen gehen davon aus, dass ein zu langes Eintauchen in VR-Headsets die Art und Weise, wie wir die Welt und die Menschen um uns herum wahrnehmen, tatsächlich verändern könnte.
„Es gibt jetzt Unternehmen, die dafür plädieren, dass man viele Stunden am Tag in diesen Headsets verbringt“, wird Stanford-Professor Bailenson vom Business Insider zitiert. „Man hat viele, viele Menschen, die das Gerät viele, viele Stunden lang tragen. Und alles verstärkt sich in großem Maßstab.“
Kurzfristige Nebenwirkungen von Passthrough bekannt
Wenn Bailenson von Verstärken spricht, bezieht er sich auf die bereits bekannten Nebenwirkungen der virtuellen Realität. Darin neigen Menschen dazu, Entfernungen falsch einzuschätzen, was sich nicht nur auf die Wahrnehmung, sondern auch auf die Fähigkeit, die eigenen Körpergrenzen realistisch einzuschätzen, bezieht. So wird etwa das Treffen von Schaltern und Knöpfen unter Verwendung eines Headsets zur Herausforderung.
Objekte in einem Headset werden verzerrt angezeigt und ändern bei Kopfbewegung ihre Größe, Form oder Farbe. Kein Video kann mit der Verarbeitungsgeschwindigkeit und Wiedergabetreue der menschlichen Augen und des Gehirns mithalten. Kurzfristig getragen erzeugen die Headsets Augen- oder Kopfschmerzen und Schwindel und führen zu leichter Übelkeit. Das ist zu verschmerzen.
Wird eine solche Brille, die die Wahrnehmung verändert, allerdings tagelang getragen, werden die Probleme immer größer. Das hat Bailensons Forschungsteam gezeigt.
Das Team trug Apple Vision Pros und Quests einige Wochen lang im Alltag. Die Forscher:innen litten schnell unter der „Simulatorkrankheit“ und wurden mit allen bekannten Probleme konfrontiert. Dann, nach einer Weile, passten sie sich an – ihre Gehirne und Muskeln lernten, ihre neue Sicht auf die Welt zu kompensieren.
Passthrough sorgt für stark distanzierte Wahrnehmung
Genau darin besteht das eigentliche Problem. Passiert diese Anpassung, zieht sie den umgekehrten Weg zwangsläufig nach sich. Die Rückanpassung an die eigentliche Realität wird schwieriger. Bailensons Team fand eine Korrelation: Je länger man sich in dieser Scheinwelt aufhält, desto länger halten die seltsamen Wahrnehmungseffekte an, obwohl die Passthrough-Technologie als die am wenigsten schlechte Lösung gilt, wenn es um die Qualität der Erfahrung geht.
Da Passthrough die Realität einfange und dann wiedergebe, könne sich im Laufe der Zeit eine beunruhigende, distanzierende Wirkung einstellen, so Bailenson. Insbesondere Gespräche mit anderen Menschen würden zu einem unwirklichen Szenario verzerrt. Sämtliche nonverbalen Komponenten treten in den Hintergrund, Gesprächspartner sehen aus der Nähe wie Avatare aus und werden aus der Entfernung Teil des Hintergrunds. Das bezeichnet Bailenson als ein Gefühl der sozialen Abwesenheit. Andere Menschen seien einfach nicht ganz da.
Noch schlimmer seien allerdings die Effekte, die dafür sorgen, dass die Realität insgesamt infrage gestellt wird. Das habe zum Großteil damit zu tun, dass die persönliche Passthrough-Realität nach den individuellen Vorlieben konfiguriert sein wird. Was der eine in seinem Headset sieht, muss nur zum Teil damit übereinstimmen, was die andere in ihrem Headset sieht.
Maß und Mitte bei der Verwendung der Headsets nötig
Bailenson weist auf einen weiteren Effekt hin: „Diese Headsets können der realen Welt nicht nur Dinge hinzufügen, sie können sie auch löschen.“
„Was wir erleben werden, ist, dass bei der Verwendung dieser Headsets in der Öffentlichkeit die Gemeinsamkeiten verschwinden“, sagt Bailenson. „Die Menschen werden sich am selben Ort befinden und gleichzeitig visuell unterschiedliche Versionen der Welt erleben. Wir werden die gemeinsame Basis verlieren.“
Das Stanford-Team plädiert am Ende dafür, sich der Risiken sehr bewusst zu werden. Träumer sind sie indes nicht und dass sie den Fortschritt nicht aufhalten können, ist ihnen auch bewusst.
„Die Welt wird schon in Ordnung sein“, sagt Bailenson, „die Menschen passen sich den Medien an. Diese Headsets sind unglaublich. Aber philosophisch gesehen glaube ich nicht, dass wir diese Headsets jeden Tag stundenlang tragen müssen.“
Das Veränderungen eintreten liegt doch eigentlich auf der Hand.
Visuell-/Kognitiv: Nachweislich hatten in der Vergangenheit Ego-Shooter Spieler auch in der Realität bessere Wahrnehmung und Konzentration auf gewisse Dinge (Gefahren im Straßenverkehr) …
Psyche: Zum anderen, schaut Euch die unzähligen Berichte an, wie die männliche Bevölkerung beim Dating langsam resigniert, da Frauen Erwartungen anstellen, die keiner Erfüllen kann, nur weil viele Damen glauben, in der Social-Media-Blase, ganz oben mitzuschwimmen, und das auch auf Dating-Partner übertragen. Überselektion.
Da ist es für mich klar, dass die Eindrücke die man über die Vision-Pro bekommt, auch nicht spurlos an einem vorbei gehen. Beim einen mehr beim anderne weniger deutlich …