Es gehört zum Weihnachtsfest schon fast dazu wie das Plätzchenbacken oder der Tannenbaumkauf: Verdi hat mal wieder Streiks beim Versandhändler Amazon ausgerufen. Die Dienstleistungsgewerkschaft bestreikt seit letzter Nacht sieben deutsche Standorte. Seit Beginn der Nachtschicht zum Montag sollen Mitarbeitende in Graben bei Augsburg, Leipzig, Werne, Rheinberg, Koblenz und an zwei Standorten in Bad Hersfeld die Arbeit niederlegen, wie die Gewerkschaft mitteilte. Man wolle damit das Weihnachtsgeschäft des weltgrößten Onlinehändlers „empfindlich stören“.
Dass die Rechnung aufgeht, ist allerdings eher unwahrscheinlich, denn wie aus mindestens einem der Versandzentren zu hören ist, hatte man sich dort bereits auf einen Warnstreik eingestellt, wie es ihn schon in den vergangenen Jahren zu diesem Zeitpunkt und zu anderen neuralgischen Terminen, etwa dem Prime Day oder jüngst erst zum Black Friday, gegeben hatte. Gleichzeitig ist der Warnstreik allerdings eine Reaktion der Gewerkschaft auf Aussagen des neuen Deutschland-Chefs von Amazon, Rocco Bräuniger. Er erklärte, an der Strategie seines Vorgängers Ralf Kleber festhalten zu wollen, wonach man keinen rechtsverbindlichen Tarifvertrag für die Beschäftigten mit Verdi abschließen wolle.
Es ist die nächste Aktion im Kampf um einen Tarfivertrag, der sich nach den Regeln und Tarifen des Einzel- und Versandhandels durch Amazon richten soll. Amazon erklärt, man sehe keine Auswirkungen auf die Bestellabwicklung durch die Aktion. Die Pakete kämen an, heißt es lapidar, wie stets in solchen Fällen. Ein Versprechen, das der Versandriese auch deswegen einhalten kann, weil weitere Versandzentren aus dem nahegelegenen Ausland dann stärker eingebunden werden und Amazon selbst vor Weihnachten seine Liefertermine dank ausgeklügelter Logistik meist gut einhält.
Amazon-Beschäftigte wollen Tarifvertrag
In der Coronakrise gilt Amazon als einer der großen Gewinner des Einzelhandels. Doch der Streit um den Tarifvertrag schwelt bereits seit 2013 in Deutschland. Der Arbeitgeber sieht die Mitarbeitenden als Versand- und Logistikangestellte und nimmt die dortigen Löhne als Grundlage (zahlt in den meisten Fällen sogar mehr als dort vorgesehen ist), zudem gebe es Karriere-Chancen und viele Extras. Verdi pocht aber auf die Einstufung nach dem Tarifvertrag Einzel- und Versandhandel. Unternehmenssprecher hatten in der Vergangenheit betont, Amazon sei auch ohne Tarifvertrag ein fairer und verantwortungsbewusster Arbeitgeber. Bundesweit hat Amazon insgesamt 15 Logistikstandorte mit rund 19.000 Festangestellten.
Auch angesichts der aktuellen Streiks sieht Amazon keinen Handlungsbedarf – man zahle ja bereits faire Löhne, Tarifvertrag hin, Gewerkschaftszugehörigkeit her: „Wir haben bereits im Sommer die Löhne für unsere Logistikmitarbeiter:innen erhöht, damit verdient jede:r bei Amazon umgerechnet mindestens 12 Euro brutto pro Stunde plus Extras. Nach 24 Monaten verdienen Amazon Mitarbeiter:innen durchschnittlich rund 2.750 Euro brutto im Monat, inklusive beschränkter Mitarbeiteraktien und weiterer Extras.“ mit Material von dpa